Donnerstag, 28. März 2024

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'András Schiff in Concert - Robert Schumann'

Der Kommentar muss zwangsläufig ein wenig knapp ausfallen, denn auf den beiden Neuerscheinungen, die ich Ihnen vorstellen möchte, ist es um Werke von Franz Schubert und Robert Schumann zu tun, und in beiden Fällen fordern nicht nur die Kompositionen, dass man sich Zeit zum Zuhören lässt, sondern auch die Interpreten sind in der Tat so außergewöhnlich, dass sie im hier vorgegebenen Zeitrahmen das Wort doch sehr zur Marginalie werden lassen. Es geht um einen Zürcher Schumann-Abend von András Schiff, der als Live-Mitschnitt auf zwei CDs bei ECM erschienen ist, und um eine Schubert-CD von Arcadi Volodos, die von Sony herausgebracht wurde.

Norbert Ely | 05.05.2002
    Vielleicht das Erstaunlichste: Arcadi Volodos und András Schiff, deren Temperamente man unterschiedlich wie Feuer und Wasser einschätzen würde, sind hier einander so nahe, wie man dies kaum hätte vermuten wollen. In beiden Fällen sind die Einspielungen von einem bezwingenden Verantwortungsbewußtsein gegenüber den komponierten Texten und einer bisweilen schon magischen Einfühlungskraft in die Seelenlandschaften der Komponisten.

    Von András Schiff war dies zu erwarten. Er gab am 30.Mai 1999 in der Zürcher Tonhalle einen reinen Schumann-Abend mit der Humoreske op. 20, den Novelletten op. 21 und der Klaviersonate f-moll op. 14. Als Encore findet sich das vierte der Nachtstücke op. 23 auf der CD. Wenn Schiff Schumann spielt, ist der stete Zweifel der Schatten des Komponisten und Musik wird zum vergeblichen Versuch der Selbstfindung. Nicht einmal den Beginn der Novelletten nimmt Schiff geradeaus, sondern mit fast schmerzhaft kontrolliertem Forte. * Musikbeispiel: Robert Schumann - 1. Satz aus: Novelletten op. 21 András Schiff mit dem ersten Satz der Novelletten op. 21 von Robert Schumann. Die Einstellung des Konzertflügels scheint übrigens durchaus riskant. Der Baß wurde offenbar sehr stark gestochen, wirkt manchmal fast zu matt. Aber Schiff wollte wohl deutliche Register. Die Musik gewinnt dadurch an Klarheit, auch an Nuancenreichtum, und im forte lässt sich auch das Baßregister dann zum Glanz treiben. Das erweckt den Eindruck, dass bei diesem Konzert wirklich nichts dem Zufall überlassen blieb. Die Überfülle der Gedanken, der Schiff mit einer höchst verfeinerten pianistischen Kunst nachsinnt, lässt einen beim Zuhören wieder und wieder den Atem anhalten. Schiff will, wie Schumann, schier alles. Und auch er zahlt seinen Preis: das untergründig Revolutionäre dieses Komponisten tritt nie hervor, die Wut und auch die Pracht, die man dem Finale der f-moll-Sonate anhören könnte. Aber groß ist dieser verewigte Zürcher Abend, sehr groß... * Musikbeispiel: Robert Schumann - 4. Satz (Ausschnitt) aus: Sonate f-moll op. 14 András Schiff mit Schumann, ein Live-Mitschnitt, erschienen bei ECM. Und Manfred Eicher, also Mister ECM, hat den beiden CDs noch ein Booklet mit einem sehr lesenswerten Essay von Martin Meyer spendiert. So etwas nennt man diskophil.