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André Hellers Lieder neu entdeckt
Sei Poet: Revue der großen Worte

Der Künstler André Heller reüssierte von den 1970ern und bis in die frühen 80er als Genie aus Wien mit seinen Chansons live und auf Platte - auch in Deutschland. Später verlegte er sich auf große Showprogramme. Nun ist in Wien eine literarisch-musikalische Revue angelaufen, die Musik und Texte von André Heller zurück auf die Bühne und in die Gegenwart holt.

Von Paul Lohberger | 15.02.2017
    Oliver Welter, Lucy McEvil und Christoph Krutzler in der Inszenierung von "Holodrio - Lass mich dein Dreckstück sein!" im Wiener Rabenhof Theater
    Oliver Welter, Lucy McEvil und Christoph Krutzler in der Inszenierung von "Holodrio - Lass mich dein Dreckstück sein!" im Wiener Rabenhof Theater (Ingo Pertramer / Rabenhof)
    "Sei Poet" sang André Heller 1973 im Andenken an den Maler Albert Paris Gütersloh. Aber der kreative Imperativ passt mehr denn je in einer Zeit, wo alle kreativ sein sollen, ja, müssen. Man kann auch an Tocotronic und Jochen Distelmeyer denken, so wie Oliver Welter diese frühe Nummer von André Heller interpretiert.
    "Was bedeutet das, die Heller'sche Sprache, hat sie noch Relevanz, und wie kann ich das für mich persönlich übersetzen? Ich kann das unterschreiben, dass Teile seines Werkes für viele, vielleicht auch für mich, zu manieristisch sind. Aber ich hab meine persönliche Meinung weitestgehend revidiert", sagt Welter.
    Die Theatralik der deutsche Sprache gehörte nicht immer zu seinem Repertoire: Oliver Welter ist mit der Indie-Rockband Naked Lunch seit 1991 aktiv und war zeitweise bei Major Labels unter Vertrag, primär mit englischen Titeln. In der Heller Revue findet sich Oliver Welter nun als feiner Herr im schwarzen Anzug wieder.
    "Wer bin ich eigentlich?"
    André Heller zu Gast bei Deutschlandradio Kultur, Aufnahme vom 6. Mai 2016
    André Heller zu Gast bei Deutschlandradio Kultur, Aufnahme vom 6. Mai 2016 (Deutschlandradio / M. Hucht)
    In den 70ern gab André Heller das Genie aus Wien. Von deutschen Liedermachern hob er sich auf der Bühne als Jazzrock-Dandy ab. Seine Texte waren zwar auch wienerisch oder deutsch, hatten aber einen völlig anderen Gestus: Grandezza stand im Zentrum - warum, weiß Theaterdirektor Thomas Gratzer:
    "André Heller hat uns gestern erzählt, wenn er etwas machen wollte, aber wusste, er kann es sich nicht leisten, hat er ein Lied draus gemacht."
    "Und dann bin i ka Liliputaner mehr."
    "Dieses Kaleidoskop, dieses Bunte von André Heller"
    Große Feuerwerke in Lissabon und Berlin, Luna Luna, ein Vergnügungspark mit zeitgenössischer Kunst, fliegende und schwimmende Skulpturen, spektakuläre Varietes - bevor Heller all das verwirklichte, hatte er davon gesungen. Theaterdirektor Gratzer hat mit Oliver Welter das Material ausgewählt, der Direktor führt auch Regie. Die beiden wählten die Form der Revue. Dies entspricht André Heller und erlaubt es, die Lieder mit Texten aus autobiografischen Büchern und Hellers Theaterstücken zu kombinieren. Besonders stark aufgeladene Song-Lyrics werden rezitiert, nicht gesungen.
    In der Revue stehen neben Oliver Welter zwei weitere Figuren auf der Bühne, die verschiedene Facetten im Werk spiegeln: Die queere Kunstfigur Lucy McEvil erscheint als feine Dame, der massige Christoph Krutzler erinnert ein wenig an den Schauspieler und Kabarettisten Helmut Qualtinger. Mit ihm war Heller in jungen Jahren befreundet, gemeinsam nahmen sie derbe Wienerlieder auf, als Protest gegen verlogene Traditionalisten.
    "Wean du bist a oide Frau"
    Christoph Krutzler, Lucy McEvil und Oliver Welter in der Inszenierung von "Holodrio - Lass mich dein Dreckstück sein!" im Wiener Rabenhof Theater
    Christoph Krutzler, Lucy McEvil und Oliver Welter in der Inszenierung von "Holodrio - Lass mich dein Dreckstück sein!" im Wiener Rabenhof Theater (Ingo Pertramer / Rabenhof)
    Indem die Revue im Wiener Rabenhof Theater die Vielfalt von André Hellers Texten beleuchtet und aktualisiert, wirkt sie auch als Korrektiv zum Bild des Massenunterhalters und zeigt rechtzeitig vor dem 70. Geburtstag des Künstlers, dass dieser mehr als nur Spektakel zu bieten hat.
    "Ich glaube, dass wir zusammen 90 Minuten lang dieses Kaleidoskop, dieses Bunte von André Heller gut bedienen", sagt Oliver Welter, "im Sinne von allem, was er bedeutet und was er ist - und da gehören auch Manierismen dazu, die auch vorkommen. Und das ist auch schön. Es kommt die glamouröse Phase, es kommt das Wienerlied des André Hellers, es kommt das poetische Element dazu. Insofern glaube ich, dass dieser Abend auch für Heller-Nichtkenner und solche mit Ressentiments geeignet sein wird."
    "Holodrio - Lass mich dein Dreckstück sein!" ist im Wiener Rabenhof Theater vorerst bis zum 14. März 2017 zu sehen.