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Andreas Volanus
Der vergessene Reformator

Luther, Calvin, Zwingli. Die Liste der Reformatoren ist eigentlich deutlich länger, aber viele von ihnen sind in Vergessenheit geraten – wie Andreas Volanus. Er wollte Polen-Litauen reformieren, verfasste 40 Werke, scheiterte letztlich jedoch an den dortigen Herrschern, die von der Kirche Roms nicht lassen wollten.

Von Judith Leister | 04.01.2017
    Bildnummer: 52641172 Datum: 29.06.2008 Copyright: imago/Jochen Tack St. Johannis Kirche im Großen Hof der Universität in der Altstadt von Vilnius - Litauen, Gebäude, außen, Außenansicht; 2008, Vilnius, Litauen, Sehenswürdigkeit; , quer, Kbdig, Totale, Kirchen, , Reisen, Europa Bildnummer 52641172 Date 29 06 2008 Copyright Imago Jochen Tack St Johannis Church in grand Yard the University in the Old Town from Vilnius Lithuania Building exterior exterior view 2008 Vilnius Lithuania Landmark horizontal Kbdig long shot Churches Travel Europe
    In der St. Johannis Kirche der Universität Vilnius stritt Andreas Volanus mit seinen Gegnern (Imago/Jochen Tack)
    Sein Grab ist verschollen. Ein Bildnis gibt es nicht. Über sein privates Leben weiß man nicht viel. Doch die rund 40 Werke in lateinischer Sprache, die Andreas Volanus verfasst hat, wurden von führenden Köpfen der Reformation wahrgenommen. Der polnisch-litauische Reformator und Diplomat war bestens vernetzt und korrespondierte mit ganz Europa. Eines seiner Bücher fand sich später sogar in der Bibliothek des Naturforschers Isaac Newton.
    Andreas Volanus lebte und wirkte in Vilnius, am Hofe der litauischen Großfürsten, die zugleich auch Könige von Polen waren. Immerhin das weiß man: Volanus wurde 1531 in Großpolen geboren. Sein Vater war ein deutschsprachiger Schlesier, seine Mutter Polin. Zum Studium ging der 13-Jährige nach Frankfurt an der Oder, wie der Tübinger Kirchenhistoriker Kestutis Daugirdas erklärt:
    "Frankfurt lag ganz in der Nähe von Volanus’ Herkunftsort Neustadt bei Pinne, Lwowek heißt das heute. Um sein Latein zu verbessern, ging Volanus danach noch an die von Herzog Albrecht gegründete Universität Königsberg. Dort unterrichtete unter anderem Georg Sabinus, der Schwiegersohn von Philipp Melanchthon. Sabinus war ein europaweit bekannter Rhetor und lateinischer Stilist. In seiner Jugend stand Andreas Volanus also unter dem Einfluss der Wittenberger Reformation. Später schlug er sich jedoch auf die Seite Calvins, der Reformierten."
    Die Bücher des Volanus waren verboten – und wurden gelesen
    Andreas Volanus hatte einen adligen Gönner, den Staatsmann Nikolaus Radziwill, genannt "der Rote". In dessen Schatten wurde Volanus zu einem einflussreichen theologischen Streiter für die Reformation. Glaubensvielfalt war ein wichtiges Element der polnisch-litauischen Adelsrepublik, die 1569 zu Lublin gegründet wurde. Lange war unklar, ob der Doppelstaat in Zukunft katholisch, lutherisch oder reformiert sein würde.
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    Der Tübinger Kirchenhistoriker Kestutis Daugirdas in Vilnius (Judith Leister)
    In jedem Fall wurden die Bücher der Reformatoren gelesen – und aufbewahrt, bis heute. Im Lesesaal der Universität Vilnius kann man Originaldrucke von Melanchthon und Volanus einsehen. In einigen der Bücher, jenen aus dem Bestand römisch-katholischer Klosterbibliotheken etwa, findet sich vorn der handschriftliche Vermerk "Prohibitus": "verboten". Beide, Melanchthon und Volanus, galten nämlich als "Erzketzer".
    Kämpfer für die Einheit der Reformierten Kirche
    Andreas Volanus war allerdings kein Vordenker, anders als die Reformatoren der ersten Generation. Es ging ihm vor allem um die Einheit der Reformierten Kirche. Er wollte sie stärken – nach innen und außen. Sein Hauptgegner war Rom – und die wichtigsten Vertreter Roms in Polen-Litauen waren die Jesuiten.
    "In dieser Kirche haben die Jesuiten ihre Disputationen abgehalten. Die Tafel bekundet, dass der Gründungsrektor der Universität Vilnius Petrus Skarga war. Skarga hat an der Gründung mehrerer Jesuitenkollegs in Osteuropa mitgewirkt. Das war ein einflussreicher Jesuit und der wichtigste Kontrahent des Volanus", erklärt Kirchenhistoriker Kestutis Daugirdas vor der St.-Johannes-Kirche auf dem Campus der Universität Vilnius.
    Streit um die Transsubstantiationslehre
    Hier also stritt Volanus vor 450 Jahren mit seinem Kontrahenten. Gegen Skarga war auch sein Hauptwerk von 1579 gerichtet, in dem sich Volanus gegen die Transsubstantiationslehre der römischen Kirche wandte. Dieser Lehre zufolge verwandeln sich Brot und Wein bei der Eucharistie in ihrer Substanz in Leib und Blut Christi. Für die Reformierten ist diese Verwandlung rein symbolischer Natur.
    Es bleibt die Frage, warum sich die Reformation in Polen-Litauen nicht langfristig etablieren konnte. Die Antwort ist einfach: Auch im Nordosten Europas galt das Prinzip "Cuius regio, eius religio" – wer regiert, bestimmt die Religion der Untertanen.
    Alle litauischen Großfürsten und polnischen Könige gehörten der römisch-katholischen Kirche an. Auch, wenn einige dieser Herrscher große religiöse Toleranz zeigten: Langfristig setzte sich der Katholizismus in der Region durch. Geblieben sind vom Wirken des Andreas Volanus nur einige Inseln des Reformiertentums im Nordosten Litauens, im Umfeld der früheren Besitztümer von Volanus’ Mentor Nikolaus Radziwill.