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"Angela Merkel hat unser volles Vertrauen"

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sieht kein Problem darin, dass die Koalition bei der Abstimmung über das zweite Griechenland-Paket keine Kanzlermehrheit zustande gebracht hat. Man habe auch so eine deutliche Mehrheit gehabt. Bundeskanzlerin Merkel gebe weiter den Ton an.

28.02.2012
    Dirk Müller: Grünes Licht gestern im Bundestag für das umstrittene Rettungspaket für Griechenland – auch mit den Stimmen von SPD und Grünen. Was fehlte war jedoch die Kanzlermehrheit. Erstmals ist diese symbolische Mehrheit in der schwarz-gelben Koalition nicht erreicht worden, weil zahlreiche Abgeordnete der Regierungsfraktionen dagegen gestimmt haben. Wir haben vor gut einer Stunde darüber mit dem stellvertretenden Unions-Fraktionschef Michael Fuchs gesprochen. Warum bekommt die Koalition ihre Leute nicht mehr zusammen?

    Michael Fuchs: Das kann man so nicht sagen. Erstens: es war überhaupt keine Kanzlermehrheit notwendig. Wir haben eine deutliche Mehrheit, auch eine deutliche Mehrheit gegenüber der Opposition. Zweitens: bei so relativ kurzfristigen Abstimmungen kann es immer passieren, dass der eine oder andere Abgeordnete nicht da ist. Wir hatten alleine sechs Leute, die wegen Krankheit ausgefallen sind. Das ist nun mal bei einer großen Koalition durchaus denkbar. Zusammen hatte FDP und CDU/CSU sechs Leute in Krankenhäusern etc., die können wir nicht wegen einer solchen Abstimmung nach Berlin holen. Und drittens gibt es natürlich den einen oder anderen, der mit diesen Lösungen nicht einverstanden ist. Das war ja bei den anderen Abstimmungen auch so. Aber ich bewerte das bei weitem nicht über. Die Hauptsache ist, wir haben das Griechenland-Paket mit überwältigender Mehrheit im Deutschen Bundestag beschlossen, und auch die CDU/CSU/FDP-Koalition hatte gegenüber der Opposition nach wie vor eine Mehrheit.

    Müller: Aber es hat ja viele Abstimmungen gegeben bereits zum Euro-Rettungspaket. Da war es für Sie immer wichtig, diese Mehrheit, diese symbolische Kanzlermehrheit zu erreichen. Warum spielte das gestern keine Rolle?

    Fuchs: Das hat nichts damit zu tun, dass das keine Rolle spielte. Wir hätten das gestern gerne auch gehabt, aber wir können es halt nicht verändern, dass Leute nicht da sind. Zwei, drei Kollegen sind auf Reisen gewesen, die wurden nicht zurückbeordert. Deren Planung ging darauf hin, dass Abstimmungen erst ab Mittwoch beziehungsweise Donnerstag sind. Wenn wir die da gehabt hätten und die Kranken da gehabt hätten, war das mit der Kanzlermehrheit schon gar nicht mehr problematisch. Da aber die Kanzlermehrheit nicht notwendig war gestern, jedenfalls juristisch nicht notwendig war, wurde auch nicht darauf bestanden, dass sie zurückfliegen. Das ist ja auch mit hohen Kosten verursacht.

    Müller: Herr Fuchs, aber wenn das so ist, dann hätten Sie das doch vorher ankündigen können. Normalerweise wird ja mit der Opposition darüber gesprochen, die dann in der Regel ja auch auf Abgeordnete verzichten, damit die Relation stimmt.

    Fuchs: Das machen wir nur dann, wenn es wirklich notwendig ist. Das wäre der Fall gewesen, wenn wir keine Mehrheiten auf die Art bekommen haben. Aber wir hatten ja die Mehrheiten in jedem Falle, es war nur keine Kanzlermehrheit. Also die Kanzlermehrheit bedeutet ja, dass mehr als die Hälfte aller Abgeordneten da sein müssen; das war gestern nicht der Fall.

    Müller: Hat die Kanzlerin nicht mehr das volle Vertrauen der Koalition?

    Fuchs: Das sehe ich völlig anders. Die Kanzlerin hat das nach wie vor, denn wenn es jemand gibt, der in Europa den Ton angibt und dafür sorgt, dass die Länder nun endlich mit dem Sparen anfangen, dass wir endlich auch in Europa Sparpakete durchsetzen, dass wir die Schuldenbremse in Europa einführen, dass wir diesen Fiskalpakt machen, dann ist das Angela Merkel. Das hat bis jetzt niemand anderes fertig gebracht, und gerade deswegen hat sie unser volles Vertrauen.

    Müller: Aber davon haben Sie nicht alle in Ihrer eigenen Fraktion, in der CDU und in der CSU, überzeugen können?

    Fuchs: Das ist richtig. Es gibt welche, die skeptisch sind, das kann ich auch durchaus verstehen. Das sind ja keine einfachen Entscheidungen, die wir hier zu treffen haben. Aber ich glaube, momentan ist es richtig, dieses zweite Griechenland-Programm durchzuführen. Aber – und das muss auch jeder wissen und ich glaube, der eine oder andere Kollege hat das vielleicht nicht richtig bedacht – jede einzelne Auszahlung wird noch mal erneut kontrolliert, es wird bei jeder Auszahlung festgelegt: "Jawohl, Griechenland hat die Auflagen erfüllt", und nur dann, wenn die Auflagen eins zu eins erfüllt sind, wird überhaupt ausgezahlt.

    Müller: Reden wir über die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, in den Medien, Michael Fuchs. Da gab es die Joachim-Gauck-Panne, das Joachim-Gauck-Desaster in der Koalition, nun gestern die fehlende Kanzlermehrheit.

    Fuchs: Ich empfinde es nicht als Desaster und ich finde es auch nicht richtig, es als Desaster zu bezeichnen, dass Joachim Gauck nun von der Koalition breit mitgetragen wird.

    Müller: Sie fühlten sich nicht von der FDP vorgeführt?

    Fuchs: Ich mich persönlich nicht. Ich habe gestern Joachim Gauck im Bundesvorstand der CDU erlebt und ich kann nur sagen, wir haben einen sehr guten Kandidaten, ich bin zufrieden mit dieser Wahl.

    Müller: …, der damals aber schlechter war als Christian Wulff?

    Fuchs: Wir haben das damals unter anderen Aspekten gesehen als heute, zwei Jahre sind ins Land gegangen. Ich glaube schon, dass es richtig ist, Joachim Gauck breit zu unterstützen, das wird auch der Fall sein.

    Müller: Die Opposition sagt, Kanzlerdämmerung. Könnte da etwas dran sein?

    Fuchs: Das sehe ich ganz anders. Das ist das Hoffnungsgeschrei der Opposition, das kann ich ja verstehen, aber die sollen gelassen bleiben und geschmeidig bleiben. Machen wir uns mal keine Sorgen: die Kanzlerin wird das schon hinbekommen. Sie wird auch die nächste Griechenland-Situation hinbekommen, sie wird auch noch hinbekommen, dass in Europa Stabilitätsdenken einher kommt. Das ist das Notwendige, wir brauchen Stabilität in Europa, dann ist der Euro stabil, dann geht es uns allen besser.

    Müller: Also Sie machen sich, Herr Fuchs, überhaupt keine Sorgen über die Stimmung in der eigenen Partei, in der Union?

    Fuchs: Ich glaube, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Wir haben noch eineinhalb Jahre zu arbeiten und es gibt verdammt viel zu tun in diesen eineinhalb Jahren. Es wäre sinnvoll, wenn wir nicht über kleinliche Streitereien diskutieren, sondern wenn wir unsere Hausaufgaben machen. Das ist der Weg, den wir jetzt zu gehen haben.

    Müller: Michael Fuchs heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk, der stellvertretende Unions-Fraktionschef im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.


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