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Angespannte Situation in Lehrerzimmern

Die Berliner CDU will Lehrer wieder verbeamten. Aber der Koalitionsvertrag mit der SPD schließt das aus. In vielen Berliner Lehrerzimmer sitzen angestellte neben verbeamteten Lehrkräften und leisten die gleiche Arbeit für unterschiedliches Gehalt. Das sorgt für Spannungen.

Von Anja Nehls | 31.01.2013
    Lateinunterreicht am Werner-von-Siemens-Gymnasium in Berlin Zehlendorf. Die letzte Stunde für diesen Tag, denn der Physikunterreicht danach fällt aus. Der Lehrer ist langfristig erkrankt, Ersatz ist nicht zu bekommen, denn Lehrer in Berlin will zurzeit kaum jemand werden. Die letzte Bewerberin sagte ab, als der Vertrag fast schon unterzeichnet war – kein Wunder, das Bundesland Brandenburg ist nur wenige Kilometer weit entfernt und dort können Lehrer Beamte werden, sagt Jens Weichelt, vom Verband Bildung und Erziehung VBE

    "Dass Berliner Lehrer erst nach Brandenburg gehen, dort eine gewisse Zeit als Beamte tätig sind und dann als Beamte nach Berlin zurückkommen. Dieser, ich sag mal Verbeamtungstourismus, ist natürlich ein Zeichen dafür, dass die jungen Leute den Beamtenstatus anstreben und Berlin wäre gut beraten, wenn es seine jungen Lehrkräfte in Zukunft wieder verbeamtet."

    Das sieht die Berliner CDU ähnlich, beißt aber mit der Forderung auf Granit. Der Koalitionsvertrag von SPD und CDU schließt eine Verbeamtung von Lehrern aus. Stattdessen will die Berliner Bildungssenatorin die sogenannte Verbeamtung durch die Hintertür erschweren. Lehrer aus anderen Bundesländern sollen in Berlin ihren Beamtenstatus in Zukunft nur behalten dürfen, wenn sie ihn schon mindestens fünf Jahre haben.
    In Sachsen muss ein verbeamteter Lehrer aus anderen Bundesländern seinen Staus sogar abgeben. Niemand tut das freiwillig. Wolfgang Renner, Mathe und Physiklehrer aus Freiberg, sieht für die Schulbildung in seinem Land schwarz:

    "Wir haben Probleme und die werden immer größer, weil die Lehrer ein Durchschnittalter von 51 Jahren haben und in den nächsten Jahren 25 Prozent ausscheiden bis 2015."

    Er selber ist angestellt, sein Sohn, ebenfalls Lehrer, arbeitet in Bayern als Beamter:

    "Verdienstmäßig geht es dem wesentlich besser als seinem Vater. Als der die Ausbildung abgeschlossen hat er genau so viel verdient wie sein Vater, der 35 Jahre schon im Schuldienst war."

    Das sorgt für Spannungen. In Berlin sitzen angestellte Lehrer neben verbeamteten im Lehrerzimmer und leisten die gleiche Arbeit für unterschiedliches Gehalt. Dabei könnte zumindest dieses Problem zum Teil aufgefangen werden, sagt Jens Weichelt, vom VBE. Heute in Berlin bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst kämpft er nicht nur für 6,5 Prozent mehr auf dem Gehaltszettel, sondern auch für eine tarifvertraglich geregelte Eingruppierung für angestellte Lehrer:

    "Das ist eben gerade auch über die tarifliche Eingruppierung von Lehrkräften möglich, dass man dort Gleichklang auch zu den Beschäftigten im Beamtenverhältnis herstellt."

    Bis jetzt verdienen verbeamtete Lehrer in 40 Dienstjahren mindestens 100.000 Euro mehr, als ihre Kollegen ohne Beamtenstatus, hat die GEW ausgerechnet. Das Geld ist für die Lehrer aber nur ein Teil des Problems. Regina Schollmeier unterrichtet an einem Gymnasium im südlichen Brandenburg:

    "Das ist auch die Sicherheit, dass man eben nicht einfach gekündigt werden kann. Gerade für junge Leute ist das auf jeden Fall ein ganz wichtiges Problem diese Sicherheit des Arbeitsplatzes, wo immer er auch sein mag."

    Also gehen die Berliner Lehrer nach Brandenburg oder in eines der anderen 13 Bundesländer, die ihre Lehrer noch verbeamten. Wenn sie wieder gehen hinterlassen sie dort Unzufriedenheit und große Lücken, wenn sie wieder nach Berlin kommen, sorgen sie für Spannungen in den Lehrezimmern. Am Berliner Werner-von-Siemens-Gymnasium hat der Schulleiter jetzt einen Brandbrief an die Eltern geschrieben. Jeder der jemanden kennt, der vielleicht willens und in der Lage wäre Mathe und Physik zu unterrichten möge sich doch bitte dringend mal melden.