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Angriff auf Obdachlosen
Videoüberwachungs-Befürworter fühlen sich bestärkt

Sieben junge Männer sollen an Weihnachten einen Obdachlosen in Berlin angezündet haben. Die Verdächtigen stellten sich nun der Polizei, nachdem sie von Videokameras erfasst und der Druck immer größer geworden war. Auch dieser Fall heizt die Debatte über mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen erneut an.

Von Thomas Weinert | 27.12.2016
    Eine Frau geht in Berlin zur U-Bahnstation Schönleinstraße.
    Im Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße sollte der Obdachloser angezündet werden. (dpa/Paul Zinken)
    In diesem Fall hatten auch die Täter keine Chance. Mit Großaufnahmen, die vor allem die Gesichter der Gesuchten zeigten, titelte heute die Berliner Boulevardpresse auf der ersten Seite. Die Überschrift dazu in der "B.Z.": "Feige und Flüchtig".
    Nachdem sieben junge Männer in der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag im U Bahnhof Schönleinstraße – das ist an der Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg – einen schlafenden Obdachlosen angezündet hatten, flüchteten sie in einer einfahrenden U-Bahn und wurden erst auf dem Bahnsteig, und dann auch in der U-Bahn von Videokameras erfasst. Insbesondere die Aufnahmen in der U-Bahn sorgten nun für einen schnellen Fahndungserfolg.
    Tatverdächtige werden vernommen
    Polizeisprecher Thomas Neuendorf gegenüber dem Deutschlandfunk: "Die Tatverdächtigen haben sich im Laufe der Nacht gestellt, jedenfalls sechs von den Tatverdächtigen und ein Tatverdächtiger wurde von einem Kollegen eines Polizeiabschnitts festgenommen, die befinden sich jetzt alle bei der Mordkommission in der Vernehmung."
    Wie im restlichen Land, so heizte dieser Fall auch in Berlin die Debatte über eine Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen erneut an. Das Besondere an Berlin bei diesem Thema ist zum einen der gerade erst geschlossene neue Koalitionsvertrag und zum anderen der Fall des sogenannten U-Bahn-Treters.
    Im neuen Koalitionsvertrag von SPD, Linken und den Grünen ist die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen ausdrücklich nicht mehr erwünscht, was derzeit für heftige Diskussionen der Sicherheitsexperten im Land sorgt. Zum anderen konnte nach einer Öffentlichkeitsfahndung vor gut einer Woche ein Mann festgenommen werden, der eine junge Frau völlig unvermittelt und von hinten mit einem gezielten Tritt in den Rücken eine Treppe hinunterstieß und erheblich verletzte. In diesem Fall dauerte die Aufnahme der öffentlichen Fahndung fast sechs Wochen. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner:
    "Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass bei schweren Straftaten die Öffentlichkeitsfahndung zu Hilfe gezogen wird, aber eben erst dann, wenn andere Ermittlungsmethoden nicht zum Erfolg führen. Das heißt, es muss immer erst geguckt werden, haben wir andere Ermittlungsansätze und diese Ermittlungsansätze müssen ausgeschöpft werden."
    Thomas Neuendorf von der Berliner Polizei sieht im Fall des U-Bahntreters vor allem die nicht klar erkennbare Tötungsabsicht als Grund dafür, dass die Latte für eine öffentliche Fahndung beim U-Bahntreter sehr hoch gelegt wurde.
    "In diesem Fall wurde sofort wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermittelt und daher hat die Staatsanwaltschaft und dann auch ein Gericht mündlich vorab einen Beschluss verkündet, dass diese Bilder veröffentlicht werden können."
    Druck durch die Medien
    Es könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass der Öffentliche Druck – auch nach dem Anschlag am Breitscheidplatz – inzwischen so groß war, dass sich die Berlinerinnen und Berliner nicht mehr hinhalten lassen wollten im Angesicht der Massierung der Bedrohung durch Schwerstkriminelle. Die Kollegen von der Boulevardzeitung "B.Z." nahmen diesen Druck auf und titelten weiter:
    "B.Z. zeigt die Fotos der Verdächtigen jeden Tag auf der Titelseite, bis alle gefasst sind." Nun ist genau dieses geschehen und der Kontext mit den Videoaufnahmen ist so eindeutig wie für die Polizei hilfreich:
    "Uns hilft natürlich, dass es von der Tat auch Videoaufnahmen gibt, so dass wir sehr gut die Tatbeteiligungen zuordnen können."
    Eine Berliner Besonderheit ist in diesem Zusammenhang die private Initiative des Berliner Sicherheitsfachmannes Michael Kuhr, der die Vermittlung anonymer Zeugenaussagen anbieten will, im Gegensatz zu dem traditionellen Verfahren bei der Polizei:
    "Das ist nicht anonym, das heißt, er geht zur Polizei, macht eine Anzeige es kommt zum Prozess, die Anwälte erbitten Akteneinsicht. Mit dieser Akteneinsicht hat der Täter, ein Schwerverbrecher, ein Schwerstkrimineller, die private Adresse von den Zeugen und es werden die Leute aufgesucht und bedroht um die Anzeige zurückzuziehen."
    In diesem Sinne sind die Zeugen und der U-Bahnfahrer von der Schönleinstraße sehr mutig, denn die Täter stammen aus Syrien und Libyen und könnten somit auf arabische Großclans verweisen, die in diesem Zusammenhang in Berlin sehr unangenehm werden können. Auch der Kontext Flüchtlingspolitik ist bereits bemüht, so twitterte Liesa Hansen mit dem Logo der AfD:
    "Die Polizei hat genug zu tun, um Merkels Dreck zu beseitigen."