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Angriff in Würzburg
Herrmann: Keine Indizien für Verbindung zum IS

Nach dem Angriff eines Jugendlichen auf Zuggäste in Würzburg ist das Motiv weiter unklar. Die Terrormiliz IS reklamierte die Tat für sich. Nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann gibt es derzeit aber keine Hinweise auf eine Verbindung zum IS. In Zimmer des Täters sei aber eine handgemalte Flagge der Terrormiliz gefunden worden.

19.07.2016
    Polizisten stehen auf einem Weg bei Würzburg (Bayern) neben ihren Fahrzeugen.
    Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen nach der Axt-Attacke übernommen. (pa/dpa/Hildenbrand)
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sagte in München, auch wenn der IS die Tat für sich reklamiere, gebe es keinerlei Indizien für eine Vernetzung des 17-jährigen Täters mit Islamisten. Zuvor hatte der IS laut der ihr nahestehenden Nachrichtenagentur Amak die Axt-Attacke für sich beansprucht. Herrmann hatte zudem im "ZDF-Morgenmagazin" mitgeteilt, dass im Zimmer des Flüchtlings eine handgemalte IS-Flagge gefunden worden sei. Der 17-Jährige soll laut einer Zeugenaussage kurz vor seiner Erschießung durch die Polizei einen "islamischen Ausruf" gemacht haben soll.
    Die Tatsache, dass die Flagge handgemalt war, weist laut DLF-Bayern-Korrespondent Michael Watzke darauf hin, dass der Täter sich bewusst war, dass er sich verdächtig gemacht hätte, wenn er eine solche Flagge beispielsweise im Internet bestellt hätte.
    Besonders viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bayern
    In einem Zug auf der Strecke zwischen seinem Wohnort und Würzburg ging der junge Mann am Abend mit einer Axt und einem Messer auf Reisende los. Nach Polizeiangaben wurden vier Menschen schwer verletzt, ein weiterer leicht. 14 Menschen erlitten einen Schock. Zunächst war von drei Schwerverletzen die Rede gewesen.
    Ein Feuerwehrmann steht am in Würzburg an einer Straßenabsperrung. Im Hintergrund sind Einsatzfahrzeuge und Blaulichter zu sehen.
    Die Motive des Täter sind noch unklar. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Der 17-Jährige sei als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Der Asylbewerber lebte in einer Einrichtung in Ochsenfurt, zuletzt habe er bei einer Pflegefamilie gewohnt - er sei seit zwei Jahren in Deutschland, im vergangenen Jahr sei sein Asylantrag positiv beschieden worden. DLF-Korrespondent Watzke erläuterte, Bayern betreue so viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie kein anderes Bundesland, daher sei statistisch nicht verwunderlich, dass eine solche Tat im Freistaat stattfinde.
    Verletzte stammen aus Hongkong
    Vier der Verletzten stammen aus Hongkong. Das bestätigte Regierungschef Leung Chun-Ying. Er verurteilte den Angriff und sprach den Opfern und ihren Angehörigen sein Mitgefühl aus. Repräsentanten der Hongkonger Wirtschaftsvertretung in Berlin besuchten die Opfer im Krankenhaus in Würzburg. Es handle sich nach einem Bericht der "South China Morning Post", die sich auf Hongkonger Behörden beruft, um eine Familie - Vater, Mutter, Tochter sowie deren Freund.
    Der Vater und der Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder in der Gruppe vor dem Angreifer zu schützen. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt geblieben, so die Zeitung. Die Touristenfamilie habe zufällig in dem Zug gesessen, sagte Bayerns Innenminister Herrmann bei einer Pressekonferenz.
    17-Jähriger mit Waffen auf Polizisten losgegangen
    Herrmann (CSU) berichtete, der Zug sei in Heidingsfeld bei Würzburg gestoppt worden, der Täter sei aus dem Zug geflohen. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei, das sich in der Nähe befunden habe, sei gerufen worden und habe die Verfolgung aufgenommen. Als der 17-Jährige mit den Waffen auf die Einsatzkräfte losgegangen sei, hätten diese das Feuer eröffnet und ihn erschossen.
    Noch in der Nacht entbrannte eine Diskussion in den sozialen Netzwerken, unter anderem angestoßen von der Grünen-Politikerin Renate Künast auf Twitter, wieso der Angreifer erschossen werden musste. Die Polizei Oberbayern kritisierte diese Frage zu solch einem frühen Zeitpunkt.
    Der bayerische Innenminister sagte dazu: "Es gibt aus meiner Sicht an der Richtigkeit des Einsatzes nicht den geringsten Zweifel." Er dankte der Polizei für deren "engagierten Einsatz".
    Warnung vor voreiligen Schlüssen
    Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner warnte nach dem Angriff vor Pauschalisierungen. "Wir müssen aufpassen, dass wir mit ruhiger Hand aufklären", sagte sie im DLF. Die meisten jugendlichen Flüchtlinge hätten eine schwierige Vergangenheit hinter sich. Die grausame Tat sei aber nicht zu rechtfertigen. Man wisse noch viel zu wenig über die Motive und Hintergründe, um konkrete Konsequenzen abzuleiten. Die Polizei müsse nun mit ruhiger Hand aufklären.
    Der Deutsche Landkreistag teilte mit: "Dass es sich um einen 17-jährigen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan handelt, sollte für uns keinen Anlass für Spekulationen liefern." Einen terroristischen Hintergrund könne man zwar nicht ausschließen, solle ihn aber ohne weitere Aufklärung auch nicht herbeireden. Die Jugendämter der Landkreise sind für die Unterbringung und Versorgung minderjähriger Flüchtlinge zuständig, die ohne ihre Eltern nach Deutschland kommen.
    (jasi/hg/vic/hba/fwa)