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Angriffe auf Rinderherden
Mit Feuer und Krach gegen Wölfe

In Brandenburg haben es die Wölfe zunehmend auf Rinder abgesehen. Immer wieder finden Bauern tote Jungtiere auf den Weiden. Ein Landwirt aus Neuendorf am See hat deshalb zu einer Wolfs-Wacht aufgerufen - mit Feuer und Lärm will er die Raubtiere vertreiben.

Von Vanja Budde | 13.02.2017
    Ein Wolf läuft durch ein Gehege in einem Wildpark in Niedersachsen.
    Landwirte freuen sich nicht über die Rückkehr des Wolfes. (picture alliance / Lino Mirgeler)
    Draußen vor dem Dorf, am Rand der Kuhweiden von Jörg Dommel, parken drei Dutzend Autos. Lodernde Flammen verbreiten in der eiskalten Dunkelheit Licht und Wärme. Dommels Hilferuf wurde gehört: Halb Neuendorf scheint sich bei Bratwurst und Glühwein eingefunden zu haben. Auf der Weide nebenan beäugen Dommels Kühe verblüfft die Versammlung.
    "Mich hat’s erst mal interessiert, wie viele Wölfe es hier ungefähr gibt, wollte es eigentlich erst mal wirklich erkundigen: Wie schlimm ist die Lage jetzt hier wirklich hier bei uns?" - "Ich find den Wolf gut, aber nicht in den Massen, wie er jetzt ist. Wir haben eigentlich Angst um unsere Pferde, wenn wir ausreiten gehen." - "Man hat ja nichts gegen Wölfe, aber irgendwo muss auch eine Grenze sein. Wenn jetzt die Nutztiere hier angegriffen werden, das geht zu weit."
    Kühe stehen das ganze Jahr draußen
    Landwirt Jörg Dommel vermutet drei Rudel mit mindestens 30 Wölfen in der Region am Rande des Spreewaldes, 80 Kilometer südöstlich von Berlin.
    Autorin: "Wir können ja mal zu Ihren Kühen rübergehen." - Jörg Dommel: "Können wir gerne, ja." - Autorin: "Sie haben hier Mutterkühe mit ihren Kälbern?" - Dommel: "Mutterkühe mit Kälbern, ja, frischgeborene, eine Woche alt bis acht Monate."
    Autorin: "Und wie viele davon?" - Dommel: "Auf dieser Weide sind 23 Mütter mit ihren Kindern."
    Einen Stall gibt es nicht, die Tiere stehen das ganze Jahr über draußen. Artgerecht, aber neuerdings gefährlich: Vergangene Woche erst fand Dommel morgens auf der Koppel eine einjährige tote Kuh in ihrem Blut.
    "Vom letzten Jahr Juli bis jetzt habe ich sechs Tiere verloren. Das ist ungewöhnlich viel. Zäune sind ja. Sie sehen ja, das ist jetzt noch kein spezieller Zaun, das ist jetzt erst mal dreimal Litze mit Strom. Jetzt sagen die Experten: Für den Wolf müssen fünf Drähte gemacht werden. Wer soll die fünf Drähte bezahlen? Wer soll den Zaun bezahlen?
    Bei unserem geringen Verdienst bleibt uns Landwirten schon so nichts übrig. Ich habe 200 Tiere, ich habe sechs Herden – so. Da brauche ich einen Zaun, ich habe mir einen Kostenvoranschlag lassen machen, von 15-, 16.000 Euro nur an Material. Dann kommt noch dazu der Bau."
    Keine finanzielle Unterstützung
    Inklusive Aufbau und einem starken Stromgerät würde ihn der Zaun 40.000 Euro kosten, sagt Dommel. Und Unterstützung aus der Landeskasse gebe es für Rinderhalter nicht.
    "Die Richtlinie soll jetzt so rausgekommen sein, dass die Schafhalter und die Ziegenhalter ... und bei Mutterkühen sei wohl kein Geld da mehr. Im Moment kriegen wir gar nichts, nicht eine Unterstützung, gar keine Hilfe."
    Naturschützer raten, die streng geschützten Wölfe zu vergrämen oder Herdenschutzhunde anzuschaffen. Dommel winkt ab: Solche Hunde seien teuer und bräuchten viel Futter. Dommel ist Mitglied im Bauernbund und der fordert, auch Rinderhaltern die Zäune aus Steuermitteln zu bezahlen – und vor allem, jeden Wolf abzuschießen, der sich Nutztieren oder Siedlungen auf einen Kilometer nähert. Dafür könnten bereits bestehende Ausnahmeregelungen ausgeweitet werden, erklärt der Wolfsbeauftragte Frank Michelchen.
    "Die sinnvollste Lösung nach Ansicht des Bauernbundes wäre, die Wölfe davon zu überzeugen, dass sie nichts auf unseren Weiden und in unseren Dörfern zu suchen haben. Das kann man natürlich nur umsetzen, indem man den Wölfen ganz klar beibringt: Wenn ihr euch nähert, dann ist da für euch Lebensgefahr."
    Fast täglich Nutztierrisse
    Die Naturschützer in der Stadt, die sich über die Rückkehr des Raubtieres freuten, müssten mit den Wölfen ja nicht leben, meint Michelchen.
    "Wir haben in Brandenburg nahezu täglich Nutztierrisse – 148 Schafe, 19 Rinder, diverses Gatterwild – und es fallen auch noch einiges an Risse durch, die nicht anerkannt sind, die dann auch in der Statistik nicht erscheinen."
    Auch Jörg Dommel hat von seinen Verlusten nur zwei ersetzt bekommen. In den anderen Fällen habe der Gutachter wildernde Hunde als Täter im Verdacht. Zu Unrecht, wie der Landwirt meint. Der Bauernbund schätzt die Gesamtzahl der Wölfe in Brandenburg auf etwa 300, dreimal so viel wie die offizielle Statistik. Genug, meint Jörg Dommel, um den strengen Schutzstatus des Wolfes zu lockern.
    "Ein Wolf im Gebiet von 50 Kilometern ist kein Problem, und der Rest gehört unter den Abschuss. Ich warte auf den Tag, dass ein Mensch gerissen wird. Mal sehen, was dann passiert, ob dann über Nacht das Gesetz gekippt wird und uns sagen: Jetzt Abschuss frei, jetzt geht’s los."