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Angst um die Heimat Mali

Der Einsatz der französischen Armee in Mali hat viele Franzosen überrascht, aber wenig Kritik hervorgerufen. Doch wie reagiert die auf 120.000 Menschen geschätzte malische Gemeinde Frankreichs? Margit Hillmann hat mit Maliern im Pariser Vorort Montreuil - dem sogenannten Klein-Bamako - gesprochen.

Von Margit Hillmann | 21.01.2013
    Am Wochenende im afrikanischen Arbeiterwohnheim Rue Bara: Mehrere Dutzend Männer – die meisten aus Mali – sitzen an den Tischen im Esssaal, vor sich riesige Portionen Hühnchen in Erdnusssoße mit Süßkartoffeln. Über den Fernsehbildschirm oben an der Decke flimmern pausenlos Bilder aus ihrer Heimat:

    Outshalé Sibi, seit fast 25 Jahren in Frankreich, stammt aus der Kays-Region im kargen Süden des Landes, an der Grenze zu Mauretanien und dem Senegal.

    "Wir sind sehr froh, wir fühlen uns erleichtert, seit die Franzosen – mit Unterstützung anderer Länder – in Mali eingegriffen haben. Wir können nachts wieder ruhiger schlafen. Wir haben wieder Hoffnung, viel Hoffnung."

    Für den Malier ist die größte Gefahr dank der Franzosen gebannt: die Invasion und Machtübernahme der Islamisten im Süden Malis mit seiner Hauptstadt Bamako. Doch sei das – hofft er – nur der Anfang. Er setzt darauf, dass Frankreichs Soldaten länger bleiben und dabei tatkräftig von anderen westlichen Ländern unterstützt werden.

    "Ich wünsche mir, dass uns die westlichen Länder bei der Bildung einer Übergangsregierung und beim Organisieren freier Wahlen in Mali helfen. Für eine echte Demokratie ohne Korruption, damit wir nach dem Krieg nicht gleich wieder vor neuen Problemen stehen."

    Fatoumata – bunt bedrucktes langes Kleid, kunstvoll gebundener Kopftuchturban – mag so weit nicht denken. Sie kommt aus dem Norden Malis, wo die Islamisten die Bevölkerung terrorisieren, französische und malische Soldaten sich mit den Islamisten Gefechte liefern.

    "Ich bin wirklich beunruhigt. Wir können unsere Familie nur noch selten erreichen. Und wenn wir sie am Telefon haben, sagen sie, dass sie Angst haben, zu sprechen. Wir wissen nicht genau, was da los ist. Sie sagen nur, dass es ganz schlimm ist. Es gibt Tote und Verletzte und all das."

    Die Köchin weiß von zwei Männern aus dem Wohnheim, die nach Mali aufgebrochen sind, um ihre Familien im Norden zu suchen, aber das könnten nur wenige. Und die Familien ins sichere Frankreich zu holen, sagt Fatoumata, sei genauso schwierig.

    "Das ist heutzutage ganz hart geregelt. Die kriegen kein Visum. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass der Krieg bald aufhört."

    Am Abend kommt Mahammadou Cissé, Vize-Präsident vom sogenannten Basisrat der Malier in Frankreich, aus einer späten Besprechung im Präfekturgebäude der Nachbarstadt Bobigny. Der Malier wurde mit einigen anderen Landsleuten vor gut einer Woche im Elysée empfangen.

    "Sonntag vor acht Tagen hat François Hollande uns die Gründe dargelegt, warum sich Frankreich für eine Intervention in Mali entschieden hat und um mit uns zu besprechen, was die malische Gemeinde in Frankreich tun kann."

    Der Sprecher der Malier Frankreichs verteidigt die Entscheidung: Hollande habe Mali, auf Bitten der Interimsregierung im Süden, im letzten Moment vor dem sicheren Untergang gerettet. Beherztes Handeln im Interesse der Menschenrechte und der Terrorismusbekämpfung, findet der Malier. Andere europäische Länder wie Deutschland oder Großbritannien sollten mitziehen.

    "Das Streben nach Freiheit und Demokratie ist legitim für alle Menschen und Völker. Und dieses Streben wird von diesen Verrückten, die den Norden Malis seit einem Jahr besetzen, bedroht. Die Präsenz Deutschlands und anderer europäischer Länder – in welcher Form auch immer - ist also extrem wichtig."

    Dass die Malier Frankreichs geschlossen hinter der französischen Miltärintervention in ihrer Heimat stehen - darauf könne sich Frankreichs Regierung verlassen. Attentate in Frankreich, ausgeführt von muslimischen Terroristen malischer Herkunft, hält Mahammadou Cissé für sehr unwahrscheinlich. Und er ist überzeugt, dass die Franzosen das – bei allen Vorsichtsmaßnahmen - genauso sehen:

    "Die Franzosen kennen die unterschiedlichen muslimischen Bevölkerungsgruppen in Frankreich, und die Malier gelten nicht als Extremisten. Sie praktizieren hier ihren Glauben nach der traditionellen toleranten Art ihrer Heimat, waren nie an terroristischen Aktionen in Frankreich beteiligt, legen keine Bomben."