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Angst vor Beitragskürzungen

Luxemburgs Rentenkasse ist gut gefüllt. Auf der hohen Kante liegen zwölf Milliarden Euro. Trotz der blendenden Aussichten plant die Regierung kommendes Jahr eine Rentenreform. Die Gewerkschaften halten dies für blanken Aktionismus und riefen zu Protesten auf.

Von Tonia Koch | 17.10.2012
    Massenprotest sieht anders aus. Aber, überhören konnte der luxemburgische Premierminister Jean Claude Juncker die Demonstranten nicht.

    Knapp zweitausend Menschen waren gestern am späten Nachmittag der Aufforderung der Gewerkschaften gefolgt und hatten sich auf der Place Claire-Fontaine in Luxemburg, unmittelbar vor dem Regierungssitz eingefunden, um gegen die Rentenpläne der Regierung zu protestieren.

    "Angst um die Renten haben wir nicht, aber um Kürzungen haben wir Angst. "

    "Die kleinen Leute werden immer zur Kasse gebeten."

    "Der Staat soll kürzertreten, die ganzen schönen Gebäude, das muss nicht alles sein."

    "Wir in Luxemburg sind gewohnt gute Renten zu haben, im Alter sollen wir auch gut entschädigt werden für die Arbeit, die man geleistet hat."

    "Momentan, wo in Luxemburg mehr Arbeitsplätze geschaffen werden wie wegfallen, sehe ich für die Beiträge keinen Handlungsbedarf."

    Tatsächlich wird in Luxemburg momentan ein auf den ersten Blick luxuriöses Problem diskutiert, denn die Rentenkasse hat zwölf Milliarden Euro auf der hohen Kante, erläutert der zuständige Minister, Mars die Bartolomäo.

    "Zurzeit strotzt das Pensionsregime nur so vor Gesundheit. Die Reserven sind viermal höher als die jährlichen Ausgaben. Oder in der Theorie würden die Reserven genügen, während vier Jahren die Renten auszubezahlen, ohne dass ein Euro hereinkommt."

    Die Frage, die sich die Luxemburger stellen, lautet allerdings, wie lange reichen die Reserven. Denn die komfortable Ausgangssituation der Rentenkasse verdankt das Großherzogtum einer Art Jobwunder. Es hat in den 80er-Jahren eingesetzt und hat dem kleinen Land bislang durchschnittliche Wachstumsraten von jährlich vier Prozent beschert. Die fleißigen Beschäftigten erreichen jedoch in wenigen Jahren das Rentenalter. Dann stehen den Beitragszahlern immer mehr Rentner gegenüber, deshalb müsse bereits jetzt Vorsorge getroffen werden, argumentiert die Regierung. Mars di Bartholomäo.

    "Deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir heute in einer guten Situation vernünftige Lösungen in eine Reform kleiden sollen, ansonsten werden wir, wenn wir zu lange warten, zu rabiateren Mitteln greifen müssen, wie das im Ausland schon der Fall ist."

    Die Gewerkschaften halten die für den Januar geplante Reform für blanken Aktionismus, weil zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich vorhergesagt werden könne, wie sich die Situation in zehn Jahren entwickeln werde. Carlos Pereira, Rentenexperte des Allgemeinen luxemburgischen Gewerkschaftsbundes.

    "Wenn die Projektionen, die momentan gemacht werden, richtig sind, dann sprechen wir von 2022, wo man vielleicht an die Reserven gehen muss, also gibt es keinen Grund im Moment Leistungsverschlechterungen durchzusetzen. Ich bin nicht überzeugt von diesem Blick in die Kristallkugel."

    Tatsächlich nehmen sich die geplanten Einschnitte in das luxemburgische Rentensystem bescheiden aus. Das Renteneintrittsalter bleibt bestehen. Es liegt bei 65 Jahren. Und wer eher in den Ruhestand wechselt, muss in aller Regel keine Abschläge hinnehmen. Zukünftig sollen die Renten jedoch nicht mehr im gleichen Maße steigen wie Löhne und Gehälter. Bei Durchschnittsrenten, die gut und gerne doppelt so hoch sind wie in Deutschland, sei dies verkraftbar, argumentiert die Regierung. Für die Aktiven ändert sich die Rentenformel, sodass die Beschäftigten im Endeffekt drei Jahre länger arbeiten müssen, wenn sie keine finanziellen Einbußen hinnehmen möchten. Die Arbeitgeber halten die geplante Reform für halbherzig, sie glauben nicht daran, dass die Maßnahmen ihr Ziel erreichen werden, das luxemburgische Sozialsystem im Gleichgewicht zu halten. Pierre Bley, Direktor des luxemburgischen Unternehmerverbandes.

    "Wir gehen davon aus, dass die Regierung mit diesem Gesetzesvorhaben nicht die Ambition hat, das System dauerhaft zu sanieren. Sondern, na ja, dass die nächste Regierung noch einen Schritt hinzulegen muss. Das ist aber nicht die richtige Art und Weise, weil jetzt das Zeitfenster gewesen wäre, um entschlossener weiter zu gehen."