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Angst vor Terror
Muslimischer Franzose kämpft gegen Hausarrest

Seit den Anschlägen im November 2015 haben die französischen Behörden mehr als 3.000 Wohnungen durchsucht und rund rund 400 Personen unter Hausarrest gestellt. Alles ohne richterlichen Beschluss. Auch der 29-jährige Yumes darf seine Wohnung nicht mehr verlassen. Zu Unrecht, wie er sagt.

Von Astrid Corall | 16.02.2016
    Protestplakat gegen den verhängten Ausnahmezustand in Frankreich klebt am Eingang des Französischen Verfassungsrates. Im Hintergrund ist die französische Flagge zu sehen.
    Der Ausnahmezustand in Frankreich soll noch einmal verlängert werden. (afp)
    Yunes versteht die Welt nicht mehr. Seine Welt, die sich kurz nach den Anschlägen von Paris komplett verändert hat. Die Polizei wirft dem 29-Jährigen vor, eine radikale Moschee besucht und Verbindungen zu islamistischen Extremisten zu haben.
    "In der Vorladung, die ich bekommen habe, stand ein anderes Geburtsdatum und ein anderer Geburtsort. Ich hatte nichts mit der Person in dem Dokument zu tun. Sie war viel älter als ich. Das habe ich der Polizei erklärt. Dann haben sie mich trotzdem unter Hausarrest gestellt und mir ein Dokument mit meinem Geburtsdatum ausgestellt. Ich war schockiert."
    Eine Klage gegen den Hausarrest hat ein Gericht zurückgewiesen. Yunes erzählt seine Geschichte immer und immer wieder. Er sei unschuldig, beteuert er aufgebracht. Und man nimmt ihm das ab, diesem jungen Franzosen mit dem Drei-Tage-Bart und der hellen Schiebermütze auf dem Kopf – auch wenn man ihm nicht hinter die Stirn gucken kann.
    "Hausarrest heißt, dass ich das Stadtgebiet nicht verlassen darf. Einige Stunden in der Nacht darf ich meine Wohnung nicht verlassen. Und am Anfang musste ich vier Mal am Tag zur Polizei, heute drei Mal. Und dadurch kann ich nicht arbeiten und habe kein Einkommen."
    Und zum Arzt, zu dem er regelmäßig wegen seiner Schlafkrankheit muss und dessen Praxis außerhalb der Stadtgrenze ist, darf er auch nur mit einer Genehmigung – doch die bekommt er nicht immer, klagt Yunes.
    "Ich und meine Umgebung sind moralisch, psychologisch und körperlich betroffen. Meine Nachbarschaft hat Angst, dabei hatte ich vorher nie ein Problem."
    Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss
    Für Yunes sind es vor allem Muslime, die stigmatisiert werden, die die Regeln des Ausnahmezustands zu spüren bekommen. Seit den Anschlägen haben die Behörden mehr als 400 Personen unter Hausarrest gestellt, mehr als 3.000 Wohnungen durchsucht.
    Ein richterlicher Beschluss ist dafür nicht notwendig.
    Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International berichten über weitere Fälle wie die von Yunes. Über Hausdurchsuchungen, die angeblich nicht gerechtfertigt waren, über traumatisierte Menschen.
    "Diese unverhältnismäßigen Maßnahmen zerstören Leben, sagt die Chefin von Amnesty France, Geneviève Garrigos. Diese Beschränkungen gehen weit über das hinaus, was wir in einem Rechtsstaat erwarten dürfen und heute ist es für uns sehr wichtig, dass die Regierung und das Parlament davon absehen, den Ausnahmezustand zu verlängern."
    Festhalten an strikten Regeln
    Das sieht nicht nur die Regierung völlig anders, die derzeit versucht, irgendwie den nächsten Terroranschlag zu verhindern und dabei in Kauf nimmt, dass dafür Bürgerrechte auf der Strecke bleiben. Auch Philippe Capon von einer französischen Polizeigewerkschaft hält den Ausnahmezustand für richtig.
    "Sicherlich gibt es einen kleinen Anteil von Fehlern, aber gemessen an den Tausenden Hausdurchsuchungen, die wir gemacht haben, ist der Anteil sehr klein. Aber man darf nicht vergessen, was im November in Frankreich passiert ist. Dadurch wurde ein Trauma geschaffen, auch innerhalb der Polizei. Und die Maßnahmen, die ergriffen wurden, werden von vielen Franzosen unterstützt."
    Philippe Capon hofft, dass das Parlament bald ein Gesetz verabschiedet, dass der Polizei in Zeiten, in denen kein Ausnahmezustand herrscht, auch mehr Rechte einräumt. Menschen wie Yunes aber graut es davor.