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Angst vor teurer Kohle

Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung mahnt bei der Durchsetzung europäischer Klimaschutzziele zur Beachtung industriepolitischer Interessen. "Man muss einen guten Mittelweg finden", sagte er. Unter anderem warnte Frondel vor einer übermäßigen Verteuerung der Stromproduktion aus Braunkohle.

Moderation: Sandra Schulz | 23.01.2008
    Sandra Schulz: Die Klimakatastrophe, sie war im vergangenen Jahr eines der Themen mit Hochkonjunktur. Die Klimakatastrophe war Wort des Jahres 2007. Die UN-Klimakonferenz auf der indonesischen Insel Bali bestimmte wochenlang die Schlagzeilen, und ein paar Klimaerfolge hat es im letzten Jahr ja auch gegeben. So erzielte die internationale Staatengemeinschaft auf Bali nach zähem Ringen immerhin eine Einigung. und vorangegangen war im Frühjahr die europäische Verabredung auf konkrete Klimaschutzziele. Deren Umsetzung steht nun in Brüssel auf der Agenda und erweist sich, was kaum überraschend ist, schwieriger als die ursprüngliche Verabredung.

    Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit Manuel Frondel. Er ist der Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Herr Frondel, die Ziele sind jetzt vereinbart, aber sind sie auch durchsetzbar?

    Manuel Frondel: Das bleibt noch abzuwarten, ob insbesondere bei den erneuerbaren Energien tatsächlich die Quoten für die einzelnen Länder so festgelegt werden können, dass das Gesamtziel von 20 Prozent für 2020 erreicht wird. Ich glaube, darum wird es noch einen sehr starken Hickhack geben.

    Schulz: EU-Industriekommissar Verheugen schlägt ja vor - diesen Vorschlag haben wir auch eben noch mal gehört -, zumindest teilweise kostenfreie Emissionsrechte auszugeben. Würde damit nicht das Ziel des Klimaschutzes ziemlich eindeutig konterkariert?

    Frondel: Ich muss Herrn Verheugen zustimmen. Insbesondere für Deutschland wäre es sehr kritisch, wenn wir für die Stromerzeuger 100 Prozent Zertifikate versteigern müssten und die Stromerzeuger damit sämtliche Zertifikate, die sie brauchen, kaufen müssten. Das würde bedeuten, dass beispielsweise Braunkohlekraftwerke in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr gebaut werden. Was also klimapolitisch und umweltpolitisch erwünscht wäre, hätte allerdings Nachteile. Braunkohle ist unser heimischer Energieträger, den wir sehr reichlich vorhanden haben, und wir würden in Kombination mit dem Kernenergieausstieg unsere Versorgungssicherheit sehr gefährden. Außerdem würde Strom sehr, sehr viel teurer werden.

    Schulz: Gleichzeitig wird argumentiert - und so argumentieren die Befürworter von einer hundertprozentigen Handlung der Emissionsrechte -, wenn man teilweise die Unternehmen privilegiert, dass dann das Geld in den Taschen der Aktionäre landet, dass umgekehrt, wenn man das Geld in die Kassen des Staates spült, er ja auch wieder einen größeren Spielraum bekäme, um eben erneuerbare Energien zu fördern.

    Frondel: Man muss einen guten Mittelweg finden. Es ist verständlich, dass ein Teil der zusätzlichen Gewinne, die durch den CO2-Emissionshandel bei den Energieversorgern offenkundig entstehen, wieder entzogen werden sollte und für sinnvolle Projekte und insbesondere für Klimaschutz ausgegeben werden sollte. Insbesondere könne man sich vorstellen, dass man Forschung und Entwicklung für Energietechnologien - nicht nur erneuerbare Energietechnologien, sondern auch CO2-freie Energietechnologien bei der Kohle - subventionieren könnte.

    Schulz: Das Paket, das Barroso heute Mittag vorgestellt hat, ist im Einzelnen noch umstritten. Ein Streitfall betrifft vor allem auch Deutschland. Das sind nämlich die Vorgaben für die Autoindustrie. Da hat die Kommission ja Ende Dezember ihren Vorschlag vorgestellt, und danach werden deutsche Autobauer stärker in die Pflicht genommen, als Produzenten von im Schnitt großen Autos, als Italien oder Frankreich. Welcher Kompromiss wäre hier denkbar?

    Frondel: Ich denke, dass die EU-Kommission ein sehr verzerrtes Bild vom gegenwärtigen technologischen Stand zeichnet. Dazu haben wir beim RWI in Essen auch einen Artikel verfasst, wo wir genau nachweisen, dass das ein schräges Bild ist, was da gezeichnet wird. Wenn man berücksichtigt, dass schwerere Autos mehr emittieren - und das tut die EU-Kommission -, dann muss man klar sagen, dass die deutsche Automobilindustrie die technologische Entwicklung überhaupt nicht verschlafen hat in der Vergangenheit, sondern im Gegenteil. Gegeben, dass wir schwerere Autos haben, haben wir relativ gesehen einen geringeren CO2-Ausstoß als Hersteller mit leichteren Autos. Ich denke da insbesondere an die italienischen Hersteller.

    Schulz: Trotzdem liegen die Autos, die auf deutschen Straßen unterwegs sind - und das sind auch viele deutsche Autos -, ja immer noch unter dem in Europa angepeilten Schnitt. Angepeilt sind ja 140 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer, und auf deutschen Straßen sind nach wie vor 160 Gramm der Durchschnitt.

    Frondel: Man kann natürlich trefflich darüber streiten, ob man in Zukunft leichtere Autos produzieren sollte. Auf der anderen Seite geht mit schweren Autos mehr Komfort und mehr Sicherheit einher, und man muss natürlich ganz klar die industriepolitischen Konsequenzen jeglicher Entscheidung berücksichtigen. In Deutschland ist es eben Tradition, dass Premiumautos hergestellt werden und schwerere Autos hergestellt werden als in Frankreich oder in Italien. Zu hohe Ziele, die man sich dort setzt, würden ganz klar zu Lasten der deutschen Automobilindustrie und zugunsten der italienischen und französischen Hersteller gehen.

    Schulz: Manuel Frondel war das. Vielen Dank für diese Einschätzungen. Er ist der Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung.