Mittwoch, 24. April 2024

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Annäherung von USA und Kuba
Erste Schritte auf dem Weg zur Normalität?

Nach einer über 50-jährigen Eiszeit, nach monatelangen Geheimgesprächen unter kanadischer und päpstlicher Vermittlung und einem dreiviertelstündigen persönlichen Telefonat haben die USA und Kuba angekündigt, ihre Beziehungen normalisieren zu wollen. Das ist die Meldung, mit der der 17. Dezember 2014 in die Geschichte eingehen wird.

Von Michael Castritius und Peter B. Schumann | 18.12.2014
    US-Präsident bei einer Ansprache im Weißen Haus am 17.12.2014
    US-Präsident Obama hat eine Neuausrichtung in der Beziehungen zu Kuba angekündigt. (afp / Doug Mills)
    Begonnen hat dieser Kurswechsel mit dem Eingeständnis eines Scheiterns. Die Isolation hat nicht funktioniert, Sanktionen und Embargo haben keine Erfolge gezeigt. Es soll ein neues Kapitel beginnen in der US-amerikanisch-kubanischen Geschichte. Und auch wenn beide Präsidenten die Annäherung gleichzeitig in einer Fernsehansprache verkündeten, war das Gesicht dieses neuen Kurses weder das von Barack Obama noch das von Raúl Castro, sondern das von Alan Gross, der nach fünf Jahren kubanischer Haft in die USA zurückgekehrt ist.
    Ein erster Schritt auf dem Weg zu einem normaleren Verhältnis, dem nun, nach einem Gefangenenaustausch eine Reihe weiterer Schritte folgen sollen: Reiseerleichterungen für US-Bürger, mehr Investitionsmöglichkeiten für US-amerikanische Firmen und der Ausbau des Internets auf Kuba. Bevor wir über Beweggründe und Perspektiven sprechen, lässt Michael Castritius zunächst noch einmal Revue passieren, was diesem Schritt vorausging.
    Das Embargo hatte eine Vorgeschichte, ohne die es nicht zu verstehen ist. Es ist die Geschichte eines Besitzanspruches, eines Unabhängigkeitskrieges und einer abhängigen Republik. Sie beginnt bereits 1823. Kuba sei ein natürliches Anhängsel des nordamerikanischen Kontinents, schrieb damals der Außenminister und spätere Präsident der USA, John Quincy Adams. Versuche, der spanischen Kolonialmacht die Insel abzukaufen, so wie es bei Florida gelungen war, scheiterten, aber der Anspruch blieb. Der wirtschaftliche Einfluss wuchs. Und Spanien verlor Land für Land in Amerika, siegte noch einmal im ersten kubanischen Unabhängigkeitskrieg, im zweiten aber stand es 1895 vor der Niederlage. Bereits hymnisch gefeiert auf der Karibikinsel: "Cuba libre".
    Republik, aber unter Vormundschaft der USA
    Kurz vor dem Sieg entsandten die USA ihr Kriegsschiff Maine in den Hafen von Havanna, wo es explodierte. Täter und Umstände sind bis heute umstritten. 260 Mann der Besatzung starben. Ein Kriegsgrund war es allemal: "Remember the Maine, to hell with Spain!" US-Soldaten schickten die spanischen Kolonialherren endgültig zur Hölle und nisteten sich auf der Insel ein. Zur spanischen Kapitulation wurde das Sternenbanner gehisst. Kubanische Unabhängigkeitskämpfer ausgesperrt – ihr Land war erneut besetzt. 1902 erst bekamen sie ihre Republik, aber unter Vormundschaft der USA. Der kubanischen Verfassung fügten die das "Platt Amendement"an. Es stand ihnen jederzeit das Recht auf Intervention zu, wenn sie die kubanische Unabhängigkeit bedroht sehen – ein Blankoscheck. Ein Jahr später sicherten sie sich zudem die Bucht von Guantanamo, als Marinestützpunkt, und zwar auf ewig. Das Anhängsel war festgezurrt, ökonomische Interessen gewahrt, und selbst die Mafia konnte Havanna ungestört zu ihrem Paradies machen. Auch Diktatoren wie Machado oder Batista rüttelten nicht daran.
    Die kubanischen Revolutionäre Ernsto "Che" Guevara (r.) und Camilo Cienfuegos im August 1959 in der kubanischen Hauptstadt Havanna.
    Beliebte Fotomotive: Die kubanischen Revolutionäre Ernsto "Che" Guevara (r.) und Camilo Cienfuegos. (picture-alliance / dpa / epa AFP)
    Am 1. Januar 1959 vertrieben Aufständische unter Anführern wie Che Guevara, Camilo Sin Fuegos oder Fidel Castro den Diktator Batista von der Insel und wurden in den Straßen Havannas stürmisch begrüßt. In Washington sorgte sich Präsident Eisenhower zunächst nicht, war dieser Fidel Castro doch ein bürgerlicher Rechtsanwalt aus einer Großgrundbesitzerfamilie. Der würde sich mit der Machtergreifung schon zufrieden geben. Aber da irrten sie, so der Schriftsteller Eduardo Galeano:
    "Die Revolution ging weit darüber hinaus. Sie ergriff Maßnahmen, die mit der Unabhängigkeit des Landes zu tun haben."
    Über 70 Prozent des Landes hatte zuvor Ausländern gehört, das meiste davon US-Konzernen. Schon im Mai 1959, fünf Monate nach dem Sieg, enteignete die Revolutionsregierung vier Millionen Hektar zugunsten von Kleinbauern und Tagelöhnern. Die USA reagierten, sperrten den Ölexport. Kuba kompensierte das mit sowjetischen Lieferungen. Im Juli reduzierte Washington drastisch den Import kubanischen Zuckers. Er wurde seither nach Osteuropa verschifft.
    USA und ihr Handelsembargo
    Die ökonomische Kampfspirale drehte sich immer weiter. Kuba verstaatlichte Schlüsselindustrien, Washington verschärfte die Handelsbeschränkungen. In den nächsten drei Jahren eskalierte die Situation. 1960 schließt Havanna ein Wirtschaftsabkommen mit Moskau ab und verstaatlicht weitere ausländische Unternehmen, die USA verhängen das Handelsembargo. 1961 brechen die USA ihre diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Im Hintergrund hatte die CIA Exilkubaner bewaffnet und ausgebildet, deren Invasion in der Schweinebucht auf Kuba scheiterte jedoch kläglich, blieb aber nicht folgenlos: Fidel Castro rief den Kommunismus aus:
    "Dies ist eine sozialistische und demokratische Revolution der einfachen Leute, von einfachen Leuten für einfache Leute, und wir sind bereit, unser Leben für diese sozialistische Revolution hinzugeben. Arbeiter und Bauern, Männer und Frauen schwören, sie bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen."
    John F. Kennedy entschloss sich 1962 zur Totalblockade Kubas.
    John F. Kennedy entschloss sich 1962 zur Totalblockade Kubas. (NASA)
    Der Kalte Krieg war endgültig in die Tropen gekommen und drohte bereits im folgenden Jahr, zu einem heißen Krieg zu werden. Castro hatte der Sowjetunion gestattet, die Stationierung von Atomwaffen auf seiner Insel vorzubereiten. Das blieb dem US-Geheimdienst nicht verborgen. Am 22. Oktober 1962 alarmierte US-Präsident John F. Kennedy die Nation.
    "Innerhalb der letzten Wochen haben unmissverständliche Beweise die Tatsache erbracht, dass jetzt eine Reihe offensiver Raketenbasen auf der unterjochten Insel vorbereitet werden. Der Zweck dieser Basen kann nur sein, gegen die westliche Hemisphäre eine nukleare Angriffsmöglichkeit zu schaffen."
    Eine Angriffsmöglichkeit, die die Welt an den Rand eines Atomkrieges führte. Kennedy entschloss sich zur Totalblockade Kubas:
    "Wir werden nicht verfrüht oder unnötig einen weltweiten Kernwaffenkrieg riskieren, in dem selbst die Früchte des Sieges in unserem Munde zu Asche würden. Aber wir werden vor diesem Risiko auch nicht zurückschrecken, wenn wir ihm gegenüberstehen. Zur Verteidigung unserer eigenen Sicherheit und der Sicherheit der ganzen westlichen Hemisphäre habe ich deshalb eine strikte Quarantäne alle für Kuba bestimmten Schiffe jeglicher Art mit Bestimmungsort Kuba, von welcher Nation oder welchem Hafen sie auch kommen, angeordnet."
    Fidel Castro
    Fidel Castro rief zum bedingungslosen Widerstand gegen die Blockade auf. (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Fidel Castro rief zwar noch zum bedingungslosen Widerstand gegen die Blockade dieser, so wörtlich, "direkten Aggression" der USA auf.
    Aber Kreml-Chef Chruschtschow einigte sich in letzter Sekunde mit Kennedy. Nur das Embargo gegen Kuba blieb. Selbst als die Sowjetunion Anfang der 90er Jahre unterging, sah noch Präsident Bush keine Grundlage für Lockerungen.
    Nicht, solange das Regime sein Machtmonopol aufrechterhalte. Keine Lockerung, im Gegenteil: Unter seinem Vorgänger, Bill Clinton, war das Embargo wesentlich verschärft worden. 1996 unterzeichnete der das Helms-Burton-Gesetz. Aus der präsidialen Embargo-Verfügung war ein formales Gesetz geworden. Das kann kein Präsident eigenmächtig aufheben, es muss den parlamentarischen Weg gehen.
    Gemischte Reaktionen
    Das war Michael Castritius mit einem Blick zurück auf die schwierigen US-amerikanisch-kubanischen Beziehungen. Und im Studio begrüße ich meine Kollegin Bettina Klein, die für uns immer wieder aus den USA berichtet. Frau Klein, in Washington hat der Kurswechsel der Regierung Obama für heftigen Widerstand gesorgt, vor allem auf republikanischer Seite. Wie sehen die Reaktionen aus? Was wirft man Obama vor?
    "Die Reaktionen fallen durchaus gemischt aus. Es gab wohl auch heftige Kritik von einzelnen demokratischen Politikern. Aber Sie haben Recht, der größte Widerstand kommt von den Republikanern. Kurz gesagt, wirft man ihm vor, dass er wieder einmal zu nachsichtig gegenüber einem Diktator sei, und dass er sich, und das ist, glaube ich, noch ein wichtigerer Punkt, dass er viel zu wenig als Gegenleistung herausgeholt hat und jetzt eigentlich keinen Hebel mehr hat, um mehr für die Kubaner selbst da zu erreichen, und dass es jetzt womöglich noch länger dauern werde, bis in Kuba endlich Demokratie und Freiheit einziehen werden.
    Also, mit einem Wort, die Republikaner werfen ihm wieder einmal Schwäche vor, und das passt so ein bisschen in die allgemeine Argumentationslinie, was die Außenpolitik Obamas angeht. Am lautesten haben wir ja gestern Abend schon, direkt nach der Rede, einen republikanischen Senator hören können, Marco Rubio, der sich direkt zu Wort gemeldet hat, sehr emotional und sehr entschieden, sehr entschlossen dagegen argumentiert hat. Rubio, vor vier Jahren erst zum Senator in Florida gewählt, geboren 1971 in Miami, er ist Sohn von Exilkubanern, und er ist eben auch getragen, durchaus auch finanziell getragen von dem Teil der exil-kubanischen Gemeinde, eher der älteren Generation, die sich jetzt wirklich betrogen fühlen von Obama und lauthals und sehr empört reagiert haben."
    Lassen Sie uns auf die Rolle der Exilkubaner schauen, die in den USA, vor allem ja in Florida – Sie haben es angesprochen – gut organisiert und einflussreich sind. Sie haben selbst über ein Jahr dort gelebt, bereisen die Region seitdem immer wieder – wie steht man dort zu einer Annäherung?
    Eine Frau schwenkt in Miami eine kubanische Fahne, nachdem sie von der schweren Krankheit des kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro erfahren hat.
    Eine Frau schwenkt in Miami eine kubanische Fahne, nachdem sie von der schweren Krankheit des kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro erfahren hat. (AP)
    "Das Interessante bei den Exilkubanern, die ja zu großen Teilen in Florida leben, sind die verschiedenen Einwanderungswellen, die verschiedenen Generationen von Einwanderern und die unterschiedlichen politischen Standpunkte, die damit verbunden sind. Wir haben die erste Einwanderungswelle Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre, wo eben Exilkubaner direkt nach der Revolution in die USA geflohen sind. Das ist die Gruppe, die eben sehr konservativ ist, unter denen es auch einige Hardliner gibt, und die durchaus im Augenblick die Lautesten sind, sage ich mal, die durchaus auch Einfluss haben bis hinein in den Kongress.
    Dann die nächste Welle in den 80er Jahren, von denen man sagt, dass die eigentlich wenig politisch seien, auch Schwierigkeiten hatten, sich zu integrieren. Und dann ganz, ganz viele, die eben in den 90er Jahren oder seit 1995 gekommen sind. Also 350.000 Exilkubaner seitdem. Und das ist diese jüngere Generation, die nicht mehr so sehr interessiert ist an den alten Grabenkämpfen und vor allen Dingen sich für ihr wirtschaftliches Fortkommen interessiert und dafür, wie es den Verwandten, die sie zurückgelassen haben auf Kuba, ergeht. Und das sind diejenigen, die sich vor allen Dingen eben für eine Lockerung des Embargos ausgesprochen haben und immer noch aussprechen. Und das ist vermutlich die Gruppe, auf die Obama im Augenblick setzt."
    Welche Rolle werden die Exilkubaner, wenn man das überhaupt so sagen kann, die Exilkubaner spielen, wenn sich beide Staaten in den kommenden Monaten weiter annähern? Wie weitreichend ist da der Einfluss?
    "Wie gesagt, Obama setzt offensichtlich auf diese Gruppe der Jüngeren. Die älteren, konservativen cuban americans, deren Einfluss ist eben möglicherweise im Schwinden begriffen. Im Jahr 2004, da hat George W. Bush bei den Exilkubanern, bei den cuban americans, noch ungefähr 80 Prozent der Stimmen bekommen.
    Bei den letzten Wahlen 2012 hat Obama dann knapp gewonnen, nämlich 49 Prozent bekommen, Romney nur 47. Also diejenigen, die, ich sag mal, vor allen Dingen das Geld haben und auch einen großen zumindest regionalen Einfluss, der aber auch bis in den Kongress hineinreicht, das sind die, von denen wir im Augenblick sehr viel und sehr laut hören. Und die Frage ist tatsächlich, ob das die entscheidende Gruppe sein wird. Im Kongress wird sich natürlich die nächsten zwei Jahre erst mal wenig bewegen, was das Embargo angeht, weil dort die Republikaner insgesamt die Mehrheit haben."
    Jetzt ist Florida ein sogenannter Swing State, kann also wahlentscheidend sein, bei Präsidentschaftswahlen zum Beispiel. Wird uns die Kuba-Politik also auch bis in die Präsidentschaftswahlen 2016 begleiten?
    Neustart der Beziehungen
    "Das ist zu vermuten. Wir haben ja im Jahr 2000 gesehen, dass wenige Hundert Stimmen darüber entscheiden können, wenige Hundert Stimmen in Florida, wer Präsident wird. Und die letzte Umfrage der Florida International University im Juni hat gezeigt zum Beispiel, dass 68 Prozent der Exilkubaner für die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen sind. Auf der anderen Seite, wenn man jetzt nur die befragt, die wirklich registrierte Wähler sind, da war eine ganz knappe Mehrheit wiederum dafür, das Embargo beizubehalten. Wie sich das jetzt auswirkt bei der nächsten Präsidentschaftswahl, das bleibt eben sehr spannend. Bei den Vorwahlen lautet in Florida die Devise bei den Republikanern: Man kann nichts falsch machen, wenn man für ein Embargo und gegen Castro ist. Aber ob das im Rest der USA zutrifft, ist eben die große Frage. Und wenn das zutrifft, dann haben die Demokraten mit dieser Zuspitzung ins Schwarze getroffen und die Republikaner jetzt möglicherweise in Bedrängnis gebracht."
    Bettina Klein, haben Sie vielen Dank für Ihre Einschätzungen. Es bleibt also weiterhin spannend. Fest steht schon jetzt, dass der als historisch geltende Kursschwenk außerhalb der USA und Kubas große Erwartungen geweckt hat. Die Europäische Union zum Beispiel setze nun auf einen vollständigen Neustart der Beziehungen zwischen Havanna und Washington. Das teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. Und auch in Lateinamerika haben die Regierungen die Annäherung als Durchbruch gefeiert. Ein Land hat zu dieser Annäherung, wenn auch indirekt, entscheidend beigetragen, denn der dramatische Ölpreis hat auch die Wirtschaft von Kuba-Förderer Venezuela einbrechen lassen, sodass sich Kuba gezwungen sah, nach Alternativen zu suchen. Was diese Annäherung für Venezuela also bedeutet und für die anderen lateinamerikanischen Staaten, das berichtet Peter B. Schumann.
    Venezuela feiert die freigelassenen Spione
    Anfang dieser Woche wollte der venezolanische Staatspräsident Maduro noch die USA vor den Internationalen Gerichtshof bringen, weil die Bush-Regierung Massenmorde im Irak und in Libyen begangen habe. Er reagierte damit auf neue Sanktionen, die der US-Senat gegen venezolanische Spitzenfunktionäre wegen der Unterdrückung der Opposition verhängt hatte. Eine Ministerin rief sogar dazu auf, US-amerikanische Touristenvisa zu verbrennen. Doch gestern schien alles vergessen. Maduro feierte die Befreiung der drei kubanischen Helden, also der Spione, die von den USA freigelassen wurden:
    "Das ist ein Sieg Fidels und des kubanischen Volkes. Man muss aber auch diese Geste von Barack Obama und seinen Mut anerkennen. Denn das ist möglicherweise der wichtigste Schritt in seiner Präsidentschaft."
    Der Nachfolger von Hugo Chavez, Nicolas Maduro
    Maduro feierte die Befreiung der drei kubanischen Helden, also der Spione, die von den USA freigelassen wurden. (picture alliance / dpa / Miraflores Press / Handout)
    Nicolas Maduro vertrat bereits als Außenminister eine Linie der Annäherung an das Land, das der damalige Präsident Chavez gern als Imperium verteufelte. Er hat als dessen Erbe später allerdings die antiimperialistische Politik übernommen. Die Annäherung zwischen Kuba und den USA könnte diese Position verändern, denn Venezuela hat sich damit weitgehend isoliert von den Bruder- und Nachbarländern. Einstimmig haben die Präsidenten des Mercosur-Bündnisses auf ihrem Gipfel in Argentinien die Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Seiten begrüßt. Gastgeberin Cristina Fernandez de Kirchner sagte zu ihren Kollegen aus Brasilien, Uruguay, Venezuela, Paraguay und Bolivien sogar, dass sie das Ende der Blockade niemals für möglich gehalten habe, und fügte hinzu:
    "Ich möchte auch an die Würde des kubanischen Volkes erinnern, das jahrzehntelang der durch die Konfrontation verursachten Notsituation widerstanden hat. Und ich beglückwünsche die Regierung von Havanna, dass sie ihr eigenes Volk in diesem Konflikt nie verraten hat."
    Auswirkungen der US-amerikanisch-kubanischen Annäherung
    Die kubanische Bevölkerung war auch ein Gefangener dieser Konfrontation. Denn jede Notlage wurde von der Regierung mit dem Verweis auf die Blockade gerechtfertigt, die trotz aller neuen Sanktionen längst durchlöchert war. Die endgültige Beseitigung des Embargos fordert nun die Staatspräsidentin des Mercosur-Bündnisses. Darin sind sich überhaupt alle Regierungen in Lateinamerika seit Langem einig. Auch Dilma Rousseff, die brasilianische Präsidentin und ehemalige Guerillera äußerte größte Zufriedenheit.
    "Gerade wir, die wir für gesellschaftliche Veränderungen gekämpft haben, begrüßen die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Kuba und den USA. Und ich beglückwünsche Castro, Obama und Franziskus als die wichtigsten Faktoren dieser Annäherung."
    Die Rolle des Papstes wurde in vielen Stellungnahmen gewürdigt. Eine Normalisierung des Verhältnisses der sogenannten Erzfeinde hatten auch dessen Vorgänger angestrebt. Aber in dem progressiven Papst aus Argentinien fanden beide Seiten einen idealen Moderator. Es war sicher nicht zufällig, dass die letzte Konferenz der beiden Verhandlungsdelegationen im Herbst im Vatikan stattfand.
    Die lateinamerikanischen Regierungen wurden in den letzten Jahren oft kritisiert, dass sie der Verfolgung der Opposition in Kuba tatenlos zusehen würden. Doch gerade Brasilien, Argentinien und Uruguay dürften hinter den Kulissen die 18 Monate andauernden Gespräche diplomatisch begleitet haben. Deshalb wird auch der Teilnahme Kubas auf dem Gipfeltreffen der OAS im April in Panama nichts mehr im Wege stehen. Erstmals ist ein Castro dazu eingeladen. Und dort wird es dann auch zum ersten offiziellen Handschlag der beiden Präsidenten kommen.
    Peter W. Schumann über die Auswirkungen der US-amerikanisch-kubanischen Annäherung auf Lateinamerika. Und das war der Hintergrund an diesem Donnerstagabend. Wir werden in den kommenden Monaten sicher noch öfter Gelegenheit haben, die Annäherung zwischen den USA und Kuba zu beobachten und auf ihre Qualität zu prüfen.