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Annäherung zwischen Hamas und Fatah
Israel in der Zwickmühle

Die Palästinenser-Organisationen Hamas und Fatah standen sich bislang feindlich gegenüber. Dadurch konnte die israelische Regierung ihre Politik im Westjordanland und im Gaza-Streifen weitgehend ohne Rücksprache durchsetzen. Eine mögliche Versöhnung beobachtet man in Jerusalem mit Sorge - sie könnte neuen Terror bedeuten.

Von Julio Segador | 10.10.2017
    Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah spricht am 3.10.2017 in Gaza zu seinem Kabinett.
    Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah bei seinem Besuch in Gaza Anfang Oktober. Israel beobachtet die Annäherung an die Hamas mit Skepsis. (AFP / MOHAMMED ABED)
    Unterstützt Israel eine Versöhnung zwischen der islamistischen Hamas und der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Abbas, oder ist nicht der Status Quo mit zwei Palästinenser-Organisationen, die sich spinnefeind sind, für Israel eigentlich ganz komfortabel? Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah hat bei seinem jüngsten Besuch im Gaza-Streifen die Frage klar beantwortet: Der einzige Gewinner der fortwährenden Spaltung der Palästinenser seien die Israelis. Sicherheitsexperte Alon Eviatar, der die israelische Regierung in Sicherheitsfragen berät, ist da nicht viel anderer Meinung.
    "Wenn man sich die Politik der gegenwärtigen Regierung in Israel anschaut, stellt die Trennung von Hamas auf der einen, und der von der Fatah dominierten palästinensischen Autonomiebehörde auf der anderen Seite eine ideale Situation dar. Es gibt keinen einheitlichen Ansprechpartner. Und aus politischer Sicht dient die Trennung dem israelischen Argument, die Autonomiebehörde sei nur ein halber Partner, da sie nicht auf beiden Seiten vertreten ist. Sollte sie nun auch im Gazastreifen regieren, wird dieses israelische Argument hinfällig."
    Das Chaos in den Reihen der Palästinenser hat es der israelischen Regierung bisher ermöglicht, ihre Politik weitgehend ohne Rücksprache und Zugeständnisse durchzusetzen. Im besetzten Westjordanland und im Gaza-Streifen.
    Verantwortung für Lage in Gaza liegt auf beiden Seiten
    Die katastrophale humanitäre Situation in Gaza wird in der Öffentlichkeit aber immer häufiger Israel angelastet. Mit Blick auf die fortwährende Wirtschaftsblockade nicht grundlos; Doch auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas trägt hier Verantwortung. Er war es, der die in Gaza faktisch regierende Hamas unter Druck setzen wollte und die Beamtengehälter nahezu stoppte, ebenso die Stromlieferungen in den Küstenstreifen.
    In der Öffentlichkeit steht aber zunehmend Israel in der Kritik. Das macht es für das Land auch schwierig, gegen eine mögliche Versöhnung von Hamas und Fatah zu sein, die die humanitäre Lage im Gazastreifen unter Umständen verbessern würde. Dazu kommt. Israel kann kein Interesse daran haben, dass die katastrophale soziale Lage in Gaza in Gewalt umschlägt. Das Land muss eigentlich den Wiederaufbau unterstützen.
    Doch Fakt ist auch: Sicherheitspolitisch spricht aus Sicht Israels eine ganze Menge gegen eine mögliche Versöhnung von Hamas und Fatah: Sicherheitsexperte Alon Eviatar befürchtet neuen Terror:
    "Sollten sich beide Parteien versöhnen, wird schnell eine Situation entstehen, in der die Struktur der Hamas und ihre Anbindung im Westjordanland gestärkt werden. Das ist derzeit kaum der Fall. Wenn die Hamas nicht nur im Gazastreifen sondern auch im Westjordanland Teil der Regierung wird, erhält der militärische Flügel weiter Auftrieb, und das heißt Terror."
    Treibt die Hamas nur Spielchen?
    Doch meinen es die islamistische Hamas und die Fatah von Palästinenserpräsident Abbas überhaupt ernst mit der Versöhnung? Oder ist alles nur eine große Show, weil die als Terrorgruppe eingestufte Hamas ihre Spielchen treibt?
    Klar ist, dass die Hamas aus purer Not die Hand ausgestreckt hat. Die katastrophale humanitäre Situation ist ein Grund. Dazu sind der Hamas wichtige Helfer wie Katar oder der Iran abhandengekommen. Auch sind entscheidende Fragen zwischen den rivalisierenden palästinischen Gruppierungen noch offen: Wer kontrolliert künftig die Grenzübergänge nach Gaza, und stimmen die Hamas-Milizen einer Entwaffnung zu?
    Israel kann den sogenannten Versöhnungsprozess daher noch gelassen beobachten. Und Regierungschef Benjamin Netanjahu hat bereits klar gemacht. Eine Palästinenserversöhnung muss zwingend zur Folge haben, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennt und die berüchtigten Kassam-Brigaden ihre Waffen abgeben. Nur dann werde Israel die Annäherung zwischen Hamas und Fatah akzeptieren. Alles andere – so Netanjahu – sei Fake, also eine fiktive Versöhnung.