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Anonymisierte Bewerbungen
Zensierte Lebensläufe gegen Diskriminierung

Mit anonymisierten Bewerbungen versuchen viele Firmen, auszuschließen, dass Ausländer, Migranten und alte Menschen bei Stellenbesetzungen benachteiligt werden. Über Online-Bewerbungsverfahren und geschwärzte Stellen im Lebenslauf soll absolute Objektivität hergestellt werden.

Von Philip Banse | 31.01.2015
    Eine Jugendliche bei einem Bewerbungstraining in Paris.
    Eine Jugendliche bei einem Bewerbungstraining in Paris. (picture alliance / dpa / Robert B. Fishman ecomedia)
    Menschen, die sich anonym bewerben, können das auf unterschiedliche Weise tun. Einige Arbeitgeber verlangen die normalen Bewerbungsunterlagen mit Name, Alter, Nationalität, Familienstand und Foto, anonymisieren diese Unterlagen aber - etwa durch Schwärzen der persönlichen Daten -, bevor sie Personaler zu Gesicht bekommen, die entscheiden, wer zum Gespräch eingeladen wird. Oft füllen Bewerber aber anonymisierte Bewerbungsbögen auch direkt online aus.
    Da werden dann nur passgenau die Kompetenzen, Qualifikationen und Motivation abgefragt, die für den Arbeitgeber wichtig sind. Das Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit hat eine Mischform dieser Methoden gewählt. Die Berliner Behörde hat vergangenes Jahr erstmals zwölf Stellen für Auszubildende ausgeschrieben, die über anonyme Bewerbungen vergeben werden sollten. Interessierte mussten das Bewerbungsformular online ausfüllen, sagt Harald Henzel, Referatsleiter Arbeitsschutz am Bau. Die Bewerbung bestand aus zwei Teilen, einem persönlichen mit Name, Alter und Nationalität und einem fachlichen. Beide Teile wurden dann abgeschickt:
    "Und zwar an eine neutrale Stelle, also nicht an die Stelle, die dann auch die Vorauswahl trifft. Und diese neutrale Stelle prüft, ob diese Angaben tatsächlich anonymisiert sind, also keine Rückschlüsse auf Geschlecht, Herkunft etc. zulässt. Und die tatsächlich anonymisierten Informationen wurden dann an unser Haus weiter gegeben, sodass wir dann allein anhand der fachlichen Informationen eine Auswahl treffen konnten für die Personen, die dann in das Verfahren kommen sollten."
    Schwelle für Bewerbungen soll gesenkt werden
    Harald Henzel und seine Kollegen haben also nur die anonymisierten Bewerbungen gelesen, um zu verhindern, dass ältere Menschen, Bewerber mit türkischen Namen oder Alleinerziehende benachteiligt werden. Ob das in seiner Behörde früher tatsächlich passiert ist, wisse er nicht, sagt Referatsleiter Henzel:
    "Ich glaube, ein Punkt ist eher, dass für Behörden, für den öffentlichen Dienst auch seitens der BewerberInnen unterstellt wird, gefühlt wird, dass solche Diskriminierungen stattfinden könnten und vielleicht dadurch eine Hemmschwelle da ist, sich überhaupt zu bewerben. Und so ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren kann dazu beitragen, diese Schwelle herunter zu setzen."
    Die Schwelle für Bewerbungen senken, das mache die Behörde auch aus eigenem Interesse:
    "Als technische Fachbehörde in Berlin haben wir auch mit dem Fachkräftemangel zu tun, das hat sich auch bei früheren Bewerbungen gezeigt, sodass wir uns davon auch versprochen haben, andere Bewerberinnen-Gruppen ansprechen zu können."
    Anhand der anonymen Bewerbungen haben Henzel und seine Kollegen dann Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Erst beim Gespräch würde Henzel erfahren, wie seine Kandidaten aussehen, wie sie heißen und wie alt sie sind. Die Gespräche haben diese Woche stattgefunden. Harald Henzel und sein Team war gespannt - und dann ein bisschen enttäuscht.
    "Wir waren überrascht. Wir hätten uns noch mehr migrationsandere Personen gewünscht. Wir hätten uns noch mehr Personen mit, sagen wir mal, ungewöhnlichen Lebensläufen gewünscht, um auch unsere Vielfalt ein bisschen stärken zu können. Aber vielleicht ist das Verfahren noch nicht so populär, vielleicht muss man dann auch öffentlichkeitswirksamer, besser begleiten. Wir wollen es sicher weiter verfolgen, aber wir können da auch noch besser werden."