Donnerstag, 25. April 2024

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Anschläge in Brüssel
"Es ist ein Anschlag auf unsere freie Gesellschaft"

Die Anschläge in Brüssel seien ein barbarisches Verbrechen mit unschuldigen Opfern, sagte Clemens Binninger, CDU-Innenpolitiker, im DLF. Solche Anschläge seien schwierig zu verhindern. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sei deutlich verbesserungsfähig. Erkenntnisse über Terrorverdächtige müssten zwischen den Ländern ausgetauscht werden.

Clemens Binninger im Gespräch mit Thielko Grieß | 22.03.2016
    Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger.
    Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger. (Daniel Naupold/dpa)
    Thielko Grieß: In Berlin begrüße ich jetzt Clemens Binninger, Mitglied des Deutschen Bundestages von der CDU, einer der führenden Innenpolitiker der Unions-Fraktion. Herr Binninger, guten Tag.
    Clemens Binninger: Guten Tag, Herr Grieß.
    Grieß: Wie schwarz ist dieser Tag für Belgien und Europa?
    Binninger: Es ist ein sehr schwarzer Tag. Es ist ein Anschlag auf unsere freie Gesellschaft, ein barbarisches Verbrechen mit unschuldigen Opfern und kann einen nur betroffen machen. Aber es muss uns umso mehr darin bestärken, dass wir gemeinsam und solidarisch den Kampf gegen den Terror führen.
    Grieß: Ist Belgien ein schwacher Staat?
    Binninger: Soweit würde ich nicht gehen. Aber wir haben jetzt ja schon in Ihren Vorberichten gehört, dass es dort Strukturen gab, die man zu lange zu nachlässig, glaube ich, betrachtet hat, und dadurch auch Netzwerke entstehen konnten, die jetzt den Sicherheitsbehörden solche Probleme bereiten und am Ende für solche schrecklichen Anschläge verantwortlich sind.
    Grieß: Ist die Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden zu lahm, zu lasch und zu langsam?
    Binninger: Sie ist deutlich verbesserungsfähig, das stimmt schon. Und entscheidend muss natürlich sein, wenn wir jetzt sehen, dass solche Anschläge immer auch dort passieren, wo eine freie Gesellschaft besonders leicht verwundbar ist, und auch natürlich schwierig da auch dann zu verhindern sind. Deshalb muss umso mehr Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Erkenntnisse über Terrorverdächtige, die die Länder haben, ausgetauscht werden, dass im Prinzip auch alle eingespeist werden in europäische Fahndungssysteme. Da hat man schon vor einiger Zeit etwas verbessert, auch nach einem traurigen Anschlag in Brüssel, wo man wusste, dass der Attentäter damals eingereist war und nicht entsprechend als sogenannter Foreign Fighter im System eingegeben war. Das wurde dann verbessert.
    "Man muss eben versuchen, so früh als möglich solche Strukturen zu erkennen"
    Grieß: Meinen Sie den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel?
    Binninger: Genau. Dort hatten wir auch einen IS-Kämpfer, der eingereist war über Deutschland, der eingespeist war im Fahndungssystem, aber eben nicht als Terrorist oder Terrorverdächtiger. Das hat man dann geändert, dass man gesagt hat, alle wollen ihre Verdächtigen entsprechend dann auch registrieren. Ob das umgesetzt ist, kann ich jetzt nicht beurteilen. Aber in Summe, glaube ich, hat Elmar Brok schon Recht, wenn er sagt, da gibt es noch viel zu tun und viele Länder, viele Behörden sitzen vielleicht zu sehr auch auf ihren Daten. Das ist nicht ganz einfach umzusetzen, aber in Deutschland machen wir das und das ist leider bitter notwendig. Auch kein Allheilmittel, das gibt es nicht, aber man muss eben versuchen, so früh als möglich solche Strukturen zu erkennen, dass man dann dagegen vorgehen kann, bevor es zu solchen schrecklichen Anschlägen kommt.
    Grieß: Herr Binninger, wer in Europa bremst?
    Binninger: Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Manchmal mögen das nationale Gründe sein, manchmal mögen es rechtliche Gründe sein. Deshalb habe ich gesagt, es ist nicht ganz einfach, so etwas zusammenzuführen. Aber wir müssen einen Weg finden - zum Beispiel bei Europol und auch im Bereich der Nachrichtendienste gibt es ja jetzt erste Vorstufen -, dass man sich einig ist darüber, in geeigneter Form die Daten über Terrorverdächtige, die Erkenntnisse viel intensiver und zeitnaher auszutauschen. Und wir müssen, glaube ich, auch erkennen, dass Terrorbekämpfung nicht allein eine Aufgabe der nationalen Staaten sein kann. Das ist zwar sehr von der Perspektive in die Zukunft noch betrachtet, aber die Herausforderung ist so groß, dass wir eine sehr viel engere Zusammenarbeit brauchen, ohne dass man dadurch sagen kann, wir können alles ausschließen. Das wird es leider nie geben. Aber wir müssen alles dafür tun, dass wir solche Anschläge verhindern können, dass wir die Strukturen vorher erkennen, und das hängt ganz entscheidend mit dem Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden, auch zwischen Nachrichtendiensten zusammen.
    "Es gilt jetzt auch zunächst mal, die Opfer zu versorgen"
    Grieß: Es wird vermutlich schon bald Stimmen geben, die fordern, Grenzen zu schließen, Kontrollen zu verstärken. Ist das als ad hoc Maßnahme sinnvoll?
    Binninger: Das was jetzt der Bundesinnenminister ja angekündigt hat und was auch gemacht wird, das ist absolut sinnvoll, weil es Teil einer Fahndung ist. Die Lage ist ja noch nicht mal bewältigt. Es gilt jetzt auch zunächst mal, die Opfer zu versorgen. Man weiß nicht, ob es dort weitere Personen gibt, ob es flüchtende Täter gibt. Und dann ist es letztendlich Teil eines Fahndungskonzeptes, dass man sagt, die Grenzübergänge in Tatortnähe oder Tatlandnähe werden natürlich besetzt und dann wird kontrolliert für eine gewisse Zeit. Das ist absolut sinnvoll. Ansonsten, glaube ich, müssen wir auch daran erinnern, dass auch im Europa des freien Personenverkehrs, der wegfallenden Grenzkontrollen eigentlich immer vorgesehen war, dass eine gezielte Schleierfahndung gemacht wird. Auch da, glaube ich, muss man darüber nachdenken, wie man sich hier abstimmen kann, dass nicht pauschal kontrolliert wird an Grenzen, also kein Abschotten, aber sehr gezielt Kontrollmaßnahmen auch durchgeführt werden.
    "Unsere Sicherheitsbehörden sind schon seit geraumer Zeit wirklich am Rande ihrer Kapazitäten"
    Grieß: Herr Binninger, nun haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder gelernt, dass auch die deutschen Polizeien, die Landespolizeien und auch die Bundespolizei nicht gerade über überschüssige Kräfte verfügen. Viele von den Beamten gerade auch der Bundespolizei sind in Süddeutschland, in Bayern an den einschlägigen Flüchtlingsrouten im Einsatz. Wenn es jetzt darum geht, die Westgrenzen stärker zu kontrollieren, kann die Bundespolizei das?
    Binninger: Zum einen hat sich die Situation ja in Bayern auch etwas entspannt, sodass da durchaus auch wieder Kräfte frei werden. Aber richtig ist schon, wie Sie sagen: Unsere Sicherheitsbehörden sind schon seit geraumer Zeit wirklich am Rande ihrer Kapazitäten. Es geht in solchen Fällen nur, aber das ist Polizeiarbeit auch im Alltag, dass man Prioritäten setzt, dass man woanders dann Kräfte abziehen muss, dass man verlagern muss, und es geht, gerade wenn es um solche Grenzfahndungsmaßnahmen - so würde ich sie nennen - geht, auch darum, dass man sie gemeinsam mit den anderen Ländern macht, dass an der deutsch-französischen Grenze dann auch gemeinsam ein deutsch-französischer Einsatz sein kann oder ein deutsch-belgischer. Dann kann man auch wieder etwas Kräfte freisetzen. Aber unsere Sicherheitsbehörden stehen schon seit geraumer Zeit wirklich vor großen Herausforderungen und sind personell kaum noch in der Lage, es zu bewältigen. Aber dazu braucht es dann Schwerpunktsetzungen, und die werden auch vorgenommen.
    Grieß: Clemens Binninger von der CDU, Bundestagsabgeordneter und Innenpolitiker. Herr Binninger, danke für Ihre Zeit heute Mittag.
    Binninger: Bitte schön, Herr Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.