Mittwoch, 24. April 2024

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Anschläge von Paris
Im Namen des Islam?

Nicht nur in Frankreich ist das Entsetzen groß über das Attentat auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo". Eine winzige Minderheit fanatischer Gotteskrieger nimmt die große Mehrheit der Muslime in Haftung - und gibt der Islamophobie neue Nahrung. Das DLF-Kulturgespräch fragt nach den Folgen des Pariser Anschlags für Europas Muslime.

Moderation: Karin Beindorff | 09.01.2015
    Blumen und Kerzen und Zettel mit der Aufschrift "Je suis Charlie" liegen auf dem Boden.
    Vor der Französischen Botschaft in Berlin drückten Menschen ihr Mitgefühl aus. (picture alliance / dpa)
    Das Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" hat nicht nur in Frankreich tiefes Entsetzen ausgelöst. Die Täter berufen sich auf den Koran und sehen sich in ihrem blutigen Rachefeldzug gegen die satirische "Schändung des Propheten" im Recht. Eine winzige Minderheit fanatischer Gotteskrieger nimmt die große Mehrheit der europäischen Muslime damit in Haftung und schüttet Wasser auf die Mühlen von Fremdenhass und Islamophobie. Das Kulturgespräch hat einen Blick in das Innere der vielfältigen islamischen Kultur geworfen, die Teil unserer Gesellschaft ist.
    Die Gesprächsgäste:
    Yasmine El-Menouar, Bertelsmann-Stiftung, Verantwortliche für die jetzt vielzitierte Sonderauswertung der Studie zum Thema Islam in Deutschland
    Stefan Weidner, Autor, Übersetzer und Islamwissenschaftler
    Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds

    Für den Islamwissenschaftler Stefan Weidner zeigt sich in dem Attentat auf "Charlie Hebdo" eine neue Qualität des islamistischen Terrorismus'. Ganz gezielt seien die Opfer ausgesucht worden. Die Täter hätten nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern die westliche Kultur ins Visier genommen. "Es sind namhafte Künstler umgebracht worden", so Weidner. Dadurch erhalte die Tat eine politische Dimension.
    Im Studio des Deutschlandfunk: Die Islamwissenschaftler Stefan Weidner (l.), Lamya Kaddor (M.) und die Migrationsforscherin Yasmine El-Menouar und Moderatorin Karin Beindorff
    Die Islamwissenschaftler Stefan Weidner (l.), Lamya Kaddor (M.) und die Migrationsforscherin Yasmine El-Menouar und Moderatorin Karin Beindorff (Deutschlandfunk)
    Die Religionspädagogin Lamya Kaddor unterstrich die Vielfalt innerhalb der muslimischen Religion: "Wir sind uns nicht alle einig". Die Kluft zwischen verschiedenen Strömungen des Islam sei vielleicht größer als die zwischen Christentum und Islam.
    Die Migrationsforscherin Yasmine El-Menouar blickte auf den wachsenden Einfluss von Wahabismus und Salafismus. Letzterer sei indes eher ein Phänomen unter Jugendlichen, die ursprünglich oftmals kaum mit Religion in Berührung gekommen seien.
    Auch für Lamya Kaddor hat der Salafismus als Identitätsangebot für Jugendliche nichts mit Religion zu tun. Die Religion komme auch als Zuschreibung von außen ins Spiel. In ihrer Kindheit, so die 36-Jährige, sei man als "Ausländer" wahrgenommen worden, heute jedoch als "Muslim".