Freitag, 29. März 2024

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Anschlag auf BVB-Bus
"Alle Vereine spüren, es hätte sie genauso gut treffen können"

Die Solidarität, die andere Vereine nach dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus gezeigt hätten, sei wichtig, sagte BVB-Pfarrer Karsten Haug im DLF. Es sei gut, dass jetzt alle Fußballfans zusammenstünden. Die Betroffenheit nach dem Angriff sei zwar groß, aber er werde trotzdem oder vielleicht auch deswegen ins Stadion gehen.

Karsten Haug im Gespräch mit Dirk Müller | 12.04.2017
    Vereinsflaggen in schwarz-gelb wehen vor dem Trainingsgelände von Borussia Dortmund.
    Es sei ein Anschlag auf unseren Verein, auf unsere Mannschaft, sagte der BVB-Pfarrer Karten Haug im DLF. (dpa/Marius Becker)
    Dirk Müller: Am Telefon ist nun Karsten Haug, Gemeindereferent der Dreifaltigkeitsgemeinde in Dortmund-Nord, engagierter BVB-Fan. Er organisiert die ökumenischen Gottesdienste des BVB. Er war auf dem Weg ins Stadion gestern Abend. Wir erreichen ihn jetzt telefonisch in Dortmund. Guten Tag, Herr Haug.
    Karsten Haug: Hallo!
    Müller: Sie waren auf dem Weg ins Stadion. Was ist dann passiert?
    Haug: Ich habe dann über Telefon, über Handy mitbekommen, dass irgendwas passiert ist. Erst mal hieß es nur, eine Explosion am Mannschaftsbus. Das kann ja alles Mögliche sein. Da habe ich zumindest nicht an einen Anschlag gedacht. Und ich glaube, das war für viele BVB-Fans auch das Schwierige, diese Ungewissheit, was ist genau passiert, dass scheibchenweise etwas durchgesickert ist. Das ist das Schwierige daran und deswegen sind auch alle, glaube ich, so erschrocken.
    Müller: Sind Sie angerufen worden? Sie sagen gerade Handy oder Telefon. Hat man Sie da irgendwie gewarnt und gesagt, pass auf?
    Entscheidung zur Spielverlegung war richtig
    Haug: Nein. Man ist ja grundsätzlich dann über die sozialen Medien miteinander vernetzt und das geht dann über den Freundeskreis relativ schnell herum. Ein Freund war auch mit mir noch unterwegs zum Stadion. Dann war für uns relativ schnell klar, als dann durchsickerte, dass es doch wohl Bomben waren, dass das Spiel nicht stattfindet.
    Müller: Was haben Sie dann gemacht? Gleich nach Hause, oder in Richtung Stadion?
    Haug: Nein, ich bin nach Hause gegangen, um dort auch die neuesten Entwicklungen zu sehen. Wir haben dann auf dem Weg noch die Mitteilung bekommen, dass das Spiel wirklich nicht stattfindet und auf heute verlegt ist, die offizielle Mitteilung. Ich glaube, das war auch gut so. Da darf es auch keine andere Entscheidung geben.
    Müller: Herr Haug, Sie sind ja ganz, ganz eng verbunden mit dem Verein. Ich habe das gesagt. Sie sind ja auch ein engagierter BVB-Fan. Sie organisieren die Gottesdienste des BVB. Wie ging der Abend für Sie weiter und heute Morgen? Welche Kontakte, welche Gespräche mussten Sie da führen?
    "Es ist ein Anschlag auf unseren Verein"
    Haug: Ich habe heute Nacht erst mal sehr schlecht geschlafen. Man muss sich wirklich vorstellen, ich denke, das werden nun viele Fans denken, ob nun Borussia oder auch die vielen Solidaritätskundgebungen, die das ja zeigen, es ist ein Anschlag auf unseren Verein, auf unsere Mannschaft, woher er auch immer kommt. Das wissen wir noch nicht. Von daher habe ich gestern Abend nur noch mit meiner Frau darüber geredet. Aber heute Morgen war natürlich wirklich auch noch eine große Betroffenheit, auch Trauer, aber auch die Frage, na ja, aus welcher Richtung kommt das denn nun.
    Müller: Da haben wir auch immer noch keine weiteren Erkenntnisse. Wir haben das eben ganz kurz angedeutet. Es gibt zumindest zwei Bekennerschreiben, das ist das, was wir wissen, einmal mit einem möglichen islamistischen Hintergrund, dann eventuell mit einem linksradikalen, linksautonomen Hintergrund. Haben Sie schon Kontakt zu den normalen Fans in irgendeiner Form gehabt? Mussten Sie schon mit dem einen oder anderen darüber reden und fragen, gehen Sie heute Abend denn zum Spiel?
    Haug: In meiner Gemeinde gibt es natürlich auch nur BVB-Fans und mit denen habe ich natürlich auch geredet und so. Da ist unheimlich viel Betroffenheit. Jetzt auch gerade vor den Ostertagen ist das natürlich noch mal irgendwie ein ganz anderes Gefühl. Ein Anschlag in Dortmund, so was hat es ja auch noch nicht gegeben. Und ja, ich gehe heute trotzdem oder vielleicht gerade auch deswegen ins Stadion und meine ganzen Freunde kommen auch alle mit.
    Müller: Rechnen Sie mit einem vollen Haus, trotzdem oder genau deshalb, weil es gestern passiert ist?
    "Die Schalker bleiben unsere Rivalen im Revier"
    Haug: Ja, sicherlich. Viele werden auch nicht können, die vielleicht von weither angereist sind. Dortmund-Fans gibt es ja in der ganzen Bundesrepublik oder darüber hinaus und viele sind extra für dieses Spiel angereist, mussten heute auch wieder nach Hause, und die werden wahrscheinlich nicht noch mal anreisen. Genauso mit den Gästefans, das ist natürlich auch eine Frage, ob die noch da sind. Ich habe gehört, viele BVB-Fans haben die Möglichkeit gegeben, dass Monegassen hier übernachten durften, aber die Flüge gingen ja zurück. Das ist natürlich auch sehr schwierig. Ich finde, das wird Fußball einfach nicht gerecht, so was.
    Müller: Wir wollen, Herr Haug, das Ganze ja von der sachlichen Seite, von der inhaltlichen Seite betrachten. Dennoch: Was haben Sie da gedacht, Solidaritätsbekundungen der französischen Fans von Monaco, die dann "Dortmund" gerufen haben im Stadion, skandiert haben? Darüber ist ja auch ausführlich berichtet worden. Es hat jetzt sogar auch Solidaritätsbekundungen seitens der Schalker Fans gegeben. Das ist ja schon auch für die Dortmunder Sichtweise etwas ganz Besonderes. Hat sich da jetzt schon etwas verändert in eine Richtung, wo man sagt, das hatten wir noch nicht erlebt?
    Haug: Ja. Ich glaube, dass alle Vereine auf einmal spüren, es hätte sie ja genauso gut treffen können. Von daher: Diese Solidarität finde ich unheimlich wichtig. Nichts desto trotz bleiben die Schalker unsere Rivalen im Revier. Das darf auch so sein. Aber ich finde gut, dass jetzt alle Fußballfans zusammenstehen, und ich glaube, das ist auch jetzt ganz wichtig, nicht nur die BVB-Familie, sondern dass alle aufstehen und sagen, so was wollen wir im Fußball nicht haben.
    Müller: Vielen Dank nach Dortmund. Das war Karsten Haug, Gemeindereferent der Dreifaltigkeitsgemeinde in Dortmund-Nord. Alles Gute für heute Abend für das Spiel. Vielen Dank, auf Wiederhören und einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.