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Anschlag auf Palästinenser
Israelische Politiker befürchten Flächenbrand

Nach dem Brandanschlag im Westjordanland auf das Haus einer palästinensischen Familie, bei dem ein Kleinkind starb, sind israelische Politiker alarmiert. Sie haben die Tat, hinter der radikale jüdische Siedler vermutet werden, verurteilt. Nun werden Racheakte von Palästinensern befürchtet, die Armee ist in Alarmbereitschaft.

Von Christian Wagner | 31.07.2015
    Nach dem Anschlag: Eines der ausgebrannten Häuser in Duma im Westjordanland
    Nach dem Anschlag: Eines der ausgebrannten Häuser in Duma im Westjordanland (AFP / Jaafar Ashtiyeh)
    Die Täter kamen nachts um vier. Sie haben wohl erst ihre Botschaft an die Hauswand gesprüht: "Rache" und "Lang lebe der Messias" in hebräischer Schrift. Dann haben sie an zwei Häusern die Fenster eingeschlagen und Brandsätze in die Zimmer geworfen. Ali Dawabsha, anderthalb Jahre alt, starb in den Flammen. Sein vier Jahre alter Bruder und die Eltern konnten sich ins Freie retten.
    Ort des Anschlags: Douma, ein abgelegenes palästinensisches Dorf im Westjordanland, zwischen Nablus und Jericho. Die Opfer: eine palästinensische Familie. Die Täter: jüdische Siedler. Da sind sich Palästinenser und Israelis einig, schon wenige Stunden nach der Tat.
    Entsetzlich und verwerflich sei das, erklärt Ministerpräsident Netanjahu. Israel werde sich entschieden gegen Terrorismus stellen, ganz gleich, wer die Täter seien. Netanjahu sprach der Familie sein Beileid aus. Auch Verteidigungsminister Yaalon hatte schon am frühen Morgen von "jüdischem Terror" gesprochen.
    Übergriffe jüdischer Siedler sind Alltag
    Die israelische Armee hat die palästinensische Familie wegen der schweren Brandverletzungen per Hubschrauber in eine Klinik bei Tel Aviv fliegen lassen. Soldaten würden die Gegend nach den Tätern absuchen, heißt es. Und das israelische Armeeradio hat in der Früh Zakariya Sadeh am Telefon, einen der Nachbarn in Douma: "Wir sind alle sehr niedergeschlagen: Die Menschen hier sind wütend. Denn das ist Terror, der durch die Untätigkeit der Armee im Westjordanland erst ermöglicht wurde. Sie hat nichts unternommen gegen die Angriffe der Siedler auf uns Palästinenser."
    "Siedler reißen hunderte Olivenbaum-Setzlinge aus", oder: "Autos palästinensischer Bewohner werden von Siedlern zerstört", solche Meldungen gehören im Westjordanland zum Alltag. Immer wieder gab es Brandanschläge auf Moscheen. Der palästinensische Präsident Abbas wirft der israelischen Besatzungsarmee vor, sie schütze immer nur die Siedler vor Gewalt. Seine Autonomiebehörde werde den Brandanschlag von Douma vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen. Der israelische Oppositionsführer Itzhak Herzog ist alarmiert: "Das ist einer der schlimmsten Vorfälle überhaupt. Der Mord eines Kindes durch Juden, der Brandanschlag auf ein Wohnhaus - es ist als würde Abu Khdeirs Geschichte wiederholt."
    Armee in Alarmbereitschaft
    Herzog erinnert an den Tod von Mohammed Abu Khdeir: Der 16 Jahre alte Palästinenser war vor rund einem Jahr im arabischen Ostteil Jerusalems verschleppt und bei lebendigem Leib verbrannt worden. Blutige Unruhen in Jerusalem warnen die Folge. Drei junge Israelis stehen wegen der Tat vor Gericht.
    Und Herzog verweist auf den Ermittlungserfolg nach dem Brandanschlag auf das christliche Kloster Tabgha, neben der Brotvermehrungskirche am See Genezareth: Der Fall in Douma müsse genauso aufgeklärt werden, sagt auch der ehemalige General und Likud-Politiker Uzi Dayan. Dieser Mord könne zu einem Flächenbrand werden. Deshalb müsse man den Palästinensern gegenüber entschlossenes Handeln demonstrieren.
    Tatsächlich hat die palästinensische Hamas-Bewegung zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen und zu Gewalt. Jeder Siedler, jeder israelische Soldat sei ein legitimes Ziel. Auf der anderen Seite ist der radikale Teil der jüdischen Siedler im Westjordanland ohnehin aufgebracht: Israels Oberster Gerichtshof hat in dieser Woche den Abriss von nicht genehmigten Wohnhäusern am Rand der Siedlung Beit El durchgesetzt.
    Die israelische Armee rechnet mit weiterer Gewalt: Sie verlegt Einheiten ins Westjordanland, versetzt ihre Soldaten in erhöhte Alarmbereitschaft.