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Anschlag in Berlin
Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf

Hätte der Terrorangriff am Berliner Breitscheidplatz verhindert werden können? Das soll ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses aufklären, der heute seine Arbeit aufnimmt. Den Vorsitz hat Burkard Dregger - der politisch ganz in der Tradition seines Vaters Alfred steht.

Von Claudia van Laak | 13.07.2017
    Porträtfoto von Burkard Dregger (CDU).
    Burkard Dregger ist Sohn des 2002 verstorbenen CDU-Politikers Alfred Dregger. Dieser war von 1982 bis 1991 Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. (dpa / Rolf Zöllner)
    Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Papst Johannes Paul II. – und Alfred Dregger – Zeichnungen der vier Vorbilder von Burkard Dregger thronen auf einem Sideboard in seinem Büro.
    "Diese Bilder konnte ich aus dem Nachlass meines Vaters übernehmen, und ich finde diese Gesichter so ausdrucksstark, dass ich gesagt habe, die muss ich unbedingt aufstellen im Büro."
    Ein standesgemäßes Büro – halb so groß wie ein Tanzsaal – in einem imposanten Gründerzeithaus in Berlin-Charlottenburg. Hier hat der 53-jährige Rechtsanwalt und CDU-Abgeordnete seine Kanzlei. Ein aufmüpfiger Sohn war Burkard Dregger nie.
    "Nee, ich war nie Rebell, irgendwie habe ich diese Lebensphase verpasst."
    Auch politisch sieht sich Burkard Dregger in der Tradition seines Vaters Alfred – national-konservativ ist für ihn kein Schimpfwort, innerhalb der Berliner CDU setzte er sich gegen die Ehe für alle ein.
    Vom Wesen her mehr versöhnend als spaltend und zuvorkommend freundlich. Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Terroranschlag am Breitscheidplatz sind dem Katholiken die Opfer besonders wichtig – deshalb will er die Sitzung mit einer Gedenkminute beginnen.
    "Ich finde, wir schulden es den Opfern, den Angehörigen und der ganzen deutschen Öffentlichkeit, dass wir rückhaltlos aufklären, nichts unter den Teppich kehren und nicht einmal den Anschein erwecken, das käme in Betracht."
    Langer Anlauf
    Das Landesparlament tat sich lange schwer mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss – der rot-rot-grüne Senat setzte zunächst auf einen Sonderermittler. Erst als dieser Manipulationen im Landeskriminalamt feststellte, ließen sich auch die Regierungsfraktionen zu einem Untersuchungsausschuss überreden.
    "Gott sei Dank bekommen wir ihn jetzt endlich." sagt Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der oppositionellen FDP.
    "In der Tat hatten wir ihn schon unmittelbar nach dem Anschlag gefordert, um all die Unklarheiten aufzuklären, also die Frage, warum Behörden an manchen Stellen nicht gehandelt haben. Und letztlich hat es jetzt über ein halbes Jahr gedauert, bis die anderen Fraktionen soweit überzeugt werden konnten, dass die Antworten, die wir bislang bekommen haben, überhaupt nicht ausreichen."
    95 Fragen wollen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantwortet haben und dazu auch ihre Akten mit denen des Ausschusses in Nordrhein-Westfalen austauschen – in beiden Ländern war der IS-Terrorist Anis Amri aktiv. Marcel Luthe stellt sich schon jetzt in Position – der Liberale tritt an, den Doppel-Preis für den bestgekleideten Abgeordneten und schärfsten Fragesteller im Untersuchungsausschuss zu gewinnen.
    Der 39-Jährige – nie ohne Einstecktuch im Jackett - zweifelt nach wie vor an der These, der Tunesier Anis Amri sei ein Einzeltäter gewesen und habe - zumindest in Deutschland – keine Unterstützer oder Anstifter gehabt.
    "Der Anstifter wird nach der Strafprozessordnung genau wie der Täter bestraft. Und demnach ist es eine wichtige Aufgabe – und das schulden wir den Opfern- herauszufinden, ob es Anstifter gegeben hat. Und wenn wir deren habhaft werden können, dann ist es auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaft, in dem Fall die Bundesanwaltschaft, auch tatsächlich diese Mittäter anklagt. Und es nicht heißt: Haben wir nicht weiter ermittelt, gab es nichts zu ermitteln."
    Die Bundesanwaltschaft geht momentan davon aus, dass Amri einen Mentor aus den Reihen des IS hatte, mit dem er sich in den Stunden vor dem Anschlag über einen Messenger-Dienst austauschte. Seine Bekannten in Deutschland dagegen hätten nichts von dem Anschlag gewusst, sagt Thomas Beck – er leitet die Abteilung Terrorismus beim Generalbundesanwalt.
    "Die Bemächtigung des polnischen LKW und die Ermordung des Fahrers waren die Tat des Einzeltäters Amri. Anhaltspunkte für die Einbindung weiterer in Deutschland ansässiger Personen in Vorbereitung und Ausführung, die Aufklärung der Tatorte sowohl die Phase nach der Tat konnten bislang nicht erlangt werden."
    Viele Ungereimtheiten
    Seelsorger am Tatort
    Noch immer sind viele Dinge rund um den Anschlag von Berlin im Dezember 2016 ungeklärt. (imago stock&people/olaf Wagner)
    Einen Schwerpunkt wird der Untersuchungsausschuss auf die Fehler der Behörden legen. Warum wurde Amri nicht mehr observiert, obwohl ein Gericht dies genehmigt hatte? Warum wurden im Landeskriminalamt Akten so manipuliert und entschärft, dass Anis Amri anschließend als Kleinkrimineller dastand?
    Der IS-Terrorist war offensichtlich doch im Besitz eines tunesischen Passes, hätte also abgeschoben werden können – so Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung. Leitete das Landeskriminalamt diese wichtige Information an die Ausländerbehörde weiter – wenn nein, warum nicht? Marcel Luthe:
    "Wir haben die Möglichkeit, letztlich genau wie ein Gericht, die Wahrheit herauszufinden."
    Der Untersuchungsausschuss hat sich zwei Jahre Zeit gegeben, um am Ende die Frage zu beantworten – welche Personen und welche Behördenstrukturen sind dafür verantwortlich, dass der Anschlag am Breitscheidplatz nicht verhindert wurde.
    Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat jetzt eine erste Konsequenz gezogen – alle Strafverfahren von sogenannten Gefährdern werden gebündelt, egal ob es um Diebstahl, Drogenhandel oder Propagandadelikte geht.