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Anschluss nebenan

Wo das moderne Glasfasernetz die Entwicklung einer DSL-Infrastruktur verhinderte und die vorhandenen Telefon- und Modemanschlüsse rar waren war Vielen der Internetzugang versperrt. Ersatz bringen engagierte Anwender, die eigene WLAN-Netze erschaffen.

Von Wolfgang Noelke | 17.05.2008
    In Berlin realisierte man vor fünf Jahren, was man zur Jahrtausendwende bereits in London versuchte: Eine drahtlose Vernetzung aller in der Nachbarschaft vorhandenen PCs, die im Prinzip so funktioniert, wie kreuz und quer miteinander verbundene Straßen: Wenn eine dieser Straßen einen Autobahnanschluss hat, ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein am anderen Ende des Straßennetzes startendes Fahrzeug die Autobahn erreicht. So schrieb die Freifunk-Gemeinde ein Protokoll, das jedem, im Netzwerk angemeldeten Computer das aktuelle Abbild der sich ständig verändernden Verbindungen mitteilt und veröffentlichte es unter dem Namen "Optimized Link State Routing". Wer an Freifunk teilnehmen wollte, ob mit oder ohne Internetanschluss, brauchte nur noch einen passenden WLAN-Router, erinnert sich Jürgen Neumann, Gründer von Freifunk:

    "Lange Zeit ging das so, man kauft sich einen Access-Point, der muss kompatibel sein. Da gibt es eine lange Liste von verschiedenen Geräten, die dafür infrage kommen und dann kann man über ein Web Interface Firmware austauschen. Freifunk-Firmware kann man sich kostenlos aus dem Internet herunter laden und es reicht, diese zu ersetzen, aber wir sind einen wesentlichen Schritt weiter. Ich habe aus Taiwan erste Router mitgebracht, die tatsächlich schon ab Werk mit einer Firmware geflasht sind, die man überhaupt nicht mehr konfigurieren muss. Also es reicht, die Geräte einfach in die Steckdose zu stecken und der Rest geht automatisch."

    Das schreckte viele ab: Firmware auszutauschen, an sich ein kompliziertes und riskantes Manöver, bei dem die Betriebssoftware des Routers durch eine neue, quasi selbstgestrickte Version ersetzt wird. Das schreckte besonders diejenigen ab, für die Freifunk ursprünglich gedacht war: Teilnehmer ohne Internetanschluss und einer deswegen auch oft mangelnden Internet- und Computererfahrung. Die Teilnehmerzahl wuchs trotzdem. Inzwischen sind ganze Stadtteile Berlins und Städte wie Weimar gut vernetzt. Mit zunehmender Teilnehmerzahl wurde das alte Netzwerkprotokoll immer langsamer. Es berechnet ja die Navigation durch das das gesamte Netzwerk, kennt bereits beim Absenden eines Datenpäckchens jeden Knoten bis zum Ziel. Daran wurde gearbeitet: Um den genauen Weg zum Ziel kümmert sich das neue Protokoll B.A.T.M.A.N. - "Better Approach To Mobile Adhoc Networking", generiert wörtlich eine "Bessere Ähnlichkeit Mobiler Spontan-Netzwerke" und verhält sich auch so. Wer spontan ein Päckchen versendet, denkt doch niemals an die unterwegs zu durchlaufenden Poststationen:

    "Ich muss nur wissen, wenn ich ein Päckchen von hier schicke, wo der nächste Briefkasten ist, wo ich das abgebe, sozusagen."

    Von da ab geht’s nun automatisch: Geeignete Briefkästen zum Weiterversenden sind die der nächsten Nachbarschaft, bis das Päckchen zufällig einen Briefkasten mit Internetanbindung erreicht.

    "Da sind schon Mechanismen implementiert, um das permanent zu überprüfen und die Router auch sehr schnell anzupassen. Also jeder einzelne Node weiß nur noch, bei welchen nächsten Nachbarn er ein Paket abgeben muss, wenn es in eine bestimmte Richtung geschickt werden soll."

    Neben dieser selbstverständlich unter Open-Source-Bedingungen angebotenen Software beschäftigt sich die Gemeinschaft bereits auch mit Open-Source-Hardware. Auf einen Hauptprozessor im Router, die so genannte CPU, verzichtet man:

    "Die Gruppe heißt OpenPattern.org, die gerade dabei sind, einen Router zu entwickeln. Und dieser Router verwendet keine CPU mehr im Sinne eines vorgefertigten Chips, sondern ein Bauteil, in das man selber eine CPU-softwaremäßig schreiben kann. Das bedeutet, die entwickeln gerade ihre eigene CPU und ihr eigenes Routerboard und sicher haben wir auch schon darüber gesprochen, mal einen Wireless Chip aus der Community heraus zu designen und dann dafür hoffentlich einen Hersteller in Taiwan oder in einem anderen Land zu finden."

    Vielleicht bewahrheitet sich damit bald der Freifunk-Traum, dass sich überall dort, wo mehrere WLAN-fähige Geräte sich gegenseitig erreichen, sich spontan ein Netzwerk bildet. Das nennt sich Meshing. Jürgen Neumann:

    Seitdem wir uns mit Meshing beschäftigen, beschäftigen wir uns mit der Idee, dass jedes Telefon zum Beispiel ein Meshpoint sein könnte oder jeder kleine PDA. Alles was die Leute so an elektronischen Geräten in der Tasche mit sich herum tragen. Es hat nur leider zwei große Probleme. Das erste ist, dass der Stromverbrauch dieses WiFi Chips ziemlich hoch ist. Und wenn wir uns so eine Mesh-Wolke vorstellen, die immer in Bewegung ist, dann würde das auch bedeuten, dass das Wireless Device permanent Daten überträgt und mit den Chips, die wir heute haben, würde das zu viel Strom verbrauchen. Der zweite Punkt ist, dass es zwar schon eine Implementierung von BATMAN auf Layer zwei gibt, dass man diese aber in die Firmware des Chips idealerweise integrieren müsste und dass es bisher noch keinen Chiphersteller gibt, der sagt: Lass uns das machen.