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Anti Doping Kampf
Müde Attitüde

Das Verfahren gegen Johan Bruyneel, Dr. Pedro Celaya und Pepe Martí schleppte sich seit 2012 hin. Sie waren die Drahtzieher und Organisatoren des Dopings im Radteam US Postal. Nun wurde das Urteil bekannt. Zehn Jahre Sperre für alle drei. Doch wer die Urteilsbegründungen genauer durchliest, bekommt das Gefühls, dass der Kampf gegen eine mafiöse Dopingkultur im Sport auf dem Rückzug ist – ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jürgen Kalwa | 26.04.2014
    Das Urteil enthält gleich zu Beginn eine bemerkenswerte Feststellung: Bei dem Verfahren gegen den ehemaligen Sportlichen Direktor des US Postal Teams, den Belgier Johan Bruyneel, und die beiden Spanier Dr. Pedro Celaya und Pepe Martí, habe es sich um eine der komplexesten Anti-Doping-Anklagen gehandelt, die weltweit jemals vorgebracht wurden.
    "Komplex" klingt nach schwer fassbar. Klingt nach anstrengend. Aber die Einschätzung klingt noch nach etwas anderem: Danach, dass sich das Schiedsgerichtswesen im Sport in der Auseinandersetzung mit der Dopingepidemie allmählich ein wenig gestresst fühlt. Selbst bei einem im Grunde so simplen Fall einer Betrügerbande wie dem US Postal Team. Das Zeug, das sie brauchten, musste beschafft und bezahlt werden. Es musste eingesetzt werden und sein Einsatz verschleiert. Und alle Beteiligten mussten den Mund halten.
    Man müht sich also durch das Urteil und seine vielen formaljuristischen Abwägungen und wird dabei das Gefühl nicht los, dass der Fall Armstrong womöglich eine Zeitenwende gebracht hat. Als ob die Verantwortlichen – auf allen Ebenen des organisierten Sports – nach diesem Kraftakt am liebsten ihren Aufwand hoch- und das Problem herunterspielen möchten. Erleichtert darüber, dass der berühmteste Doper der Welt gestanden hat und auf Lebenszeit ausgeschaltet wurde. Und dass man schließlich bei der Gelegenheit sogar ein paar der Hintermänner bestraft hat. Man tut, was man kann?
    Nein. Schön wär's. Schon dieses Urteil zeigt, dass die Täter mal wieder juristisch Boden gut machen konnten. Man betrachte nur, wie bequem man ihnen die Verjährungsfristen zugute hielt. Und wie leicht und locker die Richter die Glaubwürdigkeit von Floyd Landis in Frage stellten. Ausgerechnet von jenem Radsportler, ohne den der Armstrong-US-Postal-Skandal gar nicht aufgedeckt worden wäre.
    Da fragt man sich: Droht dem Kampf gegen Doping in der Nach-Armstrong-Zeit so etwas wie Lustlosigkeit und eine müde Attitüde?
    Die Beispiele häufen sich. Man nehme den Freispruch zweiter Klasse neulich für die jamaikanische Sprinterin Veronica Campbell-Brown vor dem CAS. Da wurde sogar das Resultat eines Tests auf die Seite geschoben. Warum? Weil jamaikanische Dopingtester schlampig arbeiten. Jamaikanische Dopinggerichte wiederum üben sich in Milde. Wie bei den Fällen Asafa Powell und Sherone Simpson. 18 Monate gab's. Keine 24, obwohl die eigentlich das Minimum wären. Warum wird nicht die gesamte jamaikanische Leichtathletik mal einfach für zwei Jahre gesperrt?
    Ja, warum nicht. Weil Signale aus allen Ecken der Welt kommen. Im letzten Jahr etwa vom obersten Dopingfahnder aus Neuseeland. Der plädierte dafür, Sportler im Erstfall mit einer Verwarnung zu bedenken.
    In Richtung Milde driften nun wohl auch noch die Sportrichter. Ein deutliches Zeichen dafür, wie krank das System wirklich ist.