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Anti-Islam-Bewegungen
"Hier wird mit Angst mobilisiert"

Der Politologe Hajo Funke macht für die aktuelle Anti-Islambewegung in Deutschland vor allem rechtspopulistische Gruppierungen verantwortlich - unter anderem die AfD. Sie würden Ängste schüren, die in Deutschland bei Millionen vorhanden seien.

Hajo Funke im Gespräch mit Gerd Breker | 09.12.2014
    Teilnehmer einer Demonstration unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) warten am 01.12.2014 auf dem Terrassenufer in Dresden (Sachsen). Sie wollten zum Theaterplatz marschieren, wurden daran aber von Gegendemonstranten gehindert.
    Funke: "Man nimmt Ängste auf, glaubt für sich, dass man sie löst, und da man das nicht tut, zeigt man den Finger auf die Feinde, die man jetzt selbst auskürt." (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Gerd Breker: "Pegida", "Dügida", "Hogesa" - Abkürzungen, die für eine Bewegung stehen, die das Abendland retten wollen, also patriotische Europäer oder Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes, oder Hooligans gegen Salafisten. In Dresden waren es 10.000, in Düsseldorf mickrige 500, in Köln bei den Hooligans um die 5.000 Menschen, die da protestierten.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Hajo Funke, Politikwissenschaftler an der FU Berlin. Er erforscht den Rechtsextremismus. Guten Tag, Herr Funke.
    Hajo Funke: Guten Tag.
    Breker: Braut sich da etwas zusammen, Herr Funke?
    Funke: Na ja, das kann schon sein, wenn jetzt nächsten Montag in Dresden 12.000 gegen den Untergang des Abendlandes durch die Islamisierung demonstrieren.
    Breker: Ist das eine neue Strategie der Rechtsextremen, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen, um dahin zu kommen, sich zu legitimieren?
    Funke: Weniger der Rechtsextremen, sondern der Rechtspopulisten, der nationalistisch-populistischen Strömungen in diesem Land, die in der Partei der AfD einen Ort gefunden hat, und deswegen unterstützt die AfD in der einen oder anderen Weise genau diese Mobilisierung gegen den Untergang des Abendlandes.
    Breker: Die Bewegung gibt sich ja als überparteilich aus. Ist sie das wirklich?
    Funke: Ja, sie ist eine eigene Organisationsform unter einem Lutz Bachmann, und deswegen ist es so wichtig zu hören, was sie wollen, was im Namen steht. Und ich muss sagen: Islamisierung ist eine falsche Generalisierung, denn es richtet sich gegen die, die als friedliebende Muslime in Deutschland leben.
    In den Reden hört man dann, etwa in Dresden, egal wie sie heißen, ob IS, also Terroristen in Syrien, oder El Kaida, da sind wir gegen. Natürlich, da bin ich auch gegen. Aber daraus dann eine Gefahr für das Abendland zu machen, und zwar in Deutschland durch in Deutschland lebende Muslime, hat was Absurdes, Falsches, Agitatorisches, Ressentimenthaftes, und deswegen sollte man davor warnen.
    Funke: Man muss die Ängste ernst nehmen und gegenwirken
    Breker: Nur man fragt sich, Herr Funke - Sie haben es angedeutet: Die Rede ist von christlichem Menschenbild und islamistischen Glaubenskriegen hier in Deutschland. Wer glaubt denn so was?
    Funke: Es werden Ängste verrührt. Es glauben ja einige und das muss man zunächst einmal auch ernst nehmen. Sonst wären gestern nicht 10.000 da gewesen. Aber es zeigt sich ja auch, dass etwa die christlichen Kirchen sagen, jetzt reicht's, das geht in die ganz falsche Richtung und wir müssen dagegen demonstrieren. Es kamen ja ähnlich viele in Dresden zusammen.
    Und diese Art Streit ist notwendig, weil es natürlich nicht sehr christlich ist, wenn man sagt, okay, wir haben was gegen die Muslime, die gehören nicht nach Deutschland, und wir haben auch zu viele Zuwanderer, wir haben zu viele Straffällige, wir haben zu viele Wirtschaftsflüchtlinge und wir sind überhaupt gegen die Multikulturalität dieses Landes.
    Das ist die wirkliche Botschaft. Das ist die Dynamik, die wir bei "Pegida" sehen, die wir bei "Düsseldorf-Gida" sehen gestern, und da machen dann natürlich auch Rechtsextreme und Rechtspopulisten in Nordrhein-Westfalen gern mit. Das ist für sie ein gefundenes Fressen. Und es ist wie jedes Ressentiment aggressionshaltig. Das heißt, es kann dann auch zu Gewalt führen, wie im Fall Köln.
    "Das ist rechtspopulistische aggressive Masche"
    Breker:!! Stellt sich die Frage, wer steckt denn dahinter. Wer denkt denn so und wer hat diese antiquierten Reden auf Lager?
    Funke: Na ja, wir kennen in Europa länger erfahrene Rechtspopulismen. Wir kennen sie aus dem Nachbarland Österreich mit der Freiheitlichen Partei Österreichs unter Haider und dann unter Strache. Wir kennen es von Geert Wilders in den Niederlanden. Es ist immer das Gleiche!
    Man nimmt Ängste auf, glaubt für sich, dass man sie löst, und da man das nicht tut, zeigt man den Finger auf die Feinde, die man jetzt selbst auskürt: die Marokkaner in den Niederlanden, die Muslime in Österreich und die Migranten, Muslime, Asylbewerber in Deutschland. Das ist rechtspopulistische aggressive Masche.
    Breker: Sie sagen, man nimmt Ängste auf. Wer hat denn diese Ängste? Wer wird denn durch solche Parolen erreicht?
    Funke: Es gibt auf jeden Fall zwei Formen von Ängsten. Die einen sind Anwohner, die sagen, das wird mir zu viel, und ich habe auch Angst, dass es zu Gewalt oder zu Straftaten kommt. Gegenüber diesen Ängsten muss man nur sagen, man muss sie bearbeiten. Man muss als konkrete Politik im Stadtteil sagen, okay, es gibt keinen Anlass für solche Ängste, wir sorgen vor, wir sorgen für vernünftige Unterbringung und wir sorgen auch dafür, dass es nicht zu Straftaten kommt. Das muss überzeugend sein.
    Dann gibt es die andere Seite von Ängsten, die überhaupt gegen alles Fremde, gegen Migranten, gegen die ganze Gesellschaft, so wie sie im Moment zusammengestellt ist, was haben, also die Ängste aus anderen Kontexten haben, weil sie den Arbeitsplatz verloren haben, weil sie die Zukunft düster sehen, und die sind natürlich auch verbreitet. Das haben Studien immer wieder gezeigt. Das geht in die Millionen in Deutschland. Sie sind eher schlafend latent und nun gibt es eben eine Ausdrucksform, und das ist diese "Pegida" und "Dügida" und wie sie heißen. Aber sie ist deswegen nicht weniger gefährlich.
    Breker: Dennoch, Herr Funke, stellt sich ja die Frage zum Beispiel, warum gerade Dresden. Gerade der Raum Dresden ist doch in den Ostländern, in den neuen deutschen Bundesländern eigentlich ein Vorzeigegebiet. Da läuft es doch vergleichsweise sehr gut.
    Funke: Na ja, aber unterschätzen Sie nicht das Potenzial an Ressentiments in Teilen dieser Gesellschaften, also in Sachsen etwa und auch in Dresden.
    Je nachdem nach den Umfragen geht es zwischen zehn und 30 Prozent. Das ist eine Menge. Und wenn diese "Pegida" es erreicht, diese Ängste beziehungsweise auch diese Einstellung zu mobilisieren, dann ist das in der Tat neuartig und eine Gefahr für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft in Dresden.
    Breker: Schon die Begriffe "Abendland", "Morgenland" - denkt da keiner an Ephraim Lessing, an die Aufklärung?
    Funke: Nein. Das hat Bachmann, der das ja so eingeleitet hat, nicht auf dem Schirm. Es gibt andere, die das sehr wohl auf dem Schirm haben, wie Konrad Adam von der AfD, der sagt, ja, ich bin wirklich besorgt für unsere Kultur, ich habe nämlich etwas gegen den Islam von Erdogan. So las ich heute in einer der Zeitungen, in einem der Auftritte. Und Erdogan will einen Islam, den wir nicht wollen.
    Gut, da kann man nur sagen, in Deutschland wollen ihn die allermeisten Muslime auch nicht. Sie wollen den Rechtsstaat und die Achtung der Frau anerkannt sehen.
    Das heißt, hier wird mit einer Angst mobilisiert, auch in der klugen Weise des Herrn Adam.
    Breker: Hajo Funke war das im Deutschlandfunk. Er ist Politikwissenschaftler an der FU Berlin und erforscht den Rechtsextremismus. Herr Funke, vielen Dank!
    Funke: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.