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Anti-Späh-Tool "Detekt"
"Der erste Schritt gegen Überwachung"

Die Software "Detekt" soll erkennen können, ob ein Computer ausspioniert wird. Das Programm sollten vor allem Aktivisten bekommen, die sich unter großen Gefahren für die Menschenrechte einsetzen, sagte Mathias John von Amnesty International im Deutschlandfunk. Das Programm sei ein "Instrument zur Wahrung der Freiheitsrechte."

Mathias John im Gespräch mit Jürgen Liminski | 21.11.2014
    Ein mit "PRIVAT" gekennzeichneter Ordner auf dem Bildschirm eines Computers.
    Das Programm "Detekt" soll staatliche Überwachung aufdecken. (Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
    Christoph Heinemann: Netzaktivisten haben eine Software veröffentlicht, "Detekt" heißt sie, die Spionageprogramme auf den Computern von Journalisten und Bürgerrechtlern aufspüren soll. Solche Spähprogramme sind zum Teil im Internet zu haben, oder sie werden von spezialisierten Firmen an Regierungen verkauft. Einige dieser Spähprogramme können praktisch alle Aktionen von Computernutzern aufzeichnen. Sie protokollieren Tastatureingaben, können Kameras und Mikrofone anschalten und Online-Aktivitäten beobachten. Für die Opfer ist es schwer zu erkennen, ob ihr Computer mit einem solchen Programm infiziert ist. Damit soll jetzt Schluss sein dank "detect". Unterstützt werden die Anti-Spionage-Entwickler von Menschenrechtsgruppen wie etwa Amnesty International. Mein Kollege Jürgen Liminski sprach mit Matthias John von der Hilfsorganisation.
    Jürgen Liminski: Herr John, die Vorstellung von "Detekt" erinnert an Rüstungswettläufe, bei denen immer neue Technologien alte übertrumpften, also zum Beispiel Tarnkappenflugzeuge, die Radargeräte unterlaufen, oder Raketen, die andere Raketen vor der Explosion vernichten. Was garantiert, dass "Detekt" nicht von einer neuen Technologie der Überwachung getäuscht und damit neutralisiert wird?
    Matthias John: Das Bild des Wettlaufs ist natürlich klar, aber es ist von uns aus der erste Schritt, tatsächlich etwas gegen diese Überwachung, die zu Menschenrechtsverletzungen in der Welt beiträgt, zu tun. Natürlich befürchten wir, dass die Unternehmen, die solche Software machen, auch Gegenmaßnahmen machen, aber wir glauben, dass im Rahmen der Open Source Community wir dann auch wieder auf so etwas antworten können.
    Liminski: Kann man denn die "Detekt"-Software nachrüsten oder modernisieren?
    John: Das ist unser Ziel. Es gibt ja unendlich viele Trojaner und Intrusionssoftware-Versionen, und die müssen dann auch wieder detektiert werden, und deswegen auch unser Aufruf, dass viele aus der Open Source Community sich mit daran beteiligen, die Software weiterzuentwickeln, damit sie auch andere, neuere Versionen der Überwachungssoftware erkennen kann.
    Liminski: Wer soll denn "Detekt" bekommen?
    John: "Detekt" sollen vor allen Dingen die Menschen bekommen, die tatsächlich bedroht sind, die vor Ort sich unter großen Gefahren für ihr eigenes Leben, für das Leben ihrer Familien für die Menschenrechte einsetzen und dafür auch moderne Informationstechnologien brauchen. Die brauchen die Computer, die brauchen die Kommunikation per E-Mail, per neuer Technologien wie Twitter oder Skype oder Ähnliches und die sollten so eine Software haben, um zu erkennen, ob auf ihren Rechnern mittlerweile solche Trojaner schon sind.
    Liminski: Kann man denn "Detekt" so programmieren, dass Menschenrechtsaktivisten in Diktaturen bei einer Durchsuchung ihrer Computer nicht entdeckt und somit gefährdet werden?
    John: Das wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Wenn "Detekt" auf dem Rechner ist, wird es auch erkennbar sein. Aber wenn überhaupt erst mal die Rechner von diesen Aktivistinnen und Aktivisten durchsucht werden, dann sind sie ja schon in der Hand der Sicherheitskräfte und sind bereits dem sehr großen Risiko ausgesetzt, tatsächlich dann verhaftet zu werden, gefoltert zu werden, und deswegen sollten sie "Detekt" anwenden, um zu sehen, ob sie dann tatsächlich solchen Trojanerangriffen ausgesetzt sind und möglicherweise noch Gegenmaßnahmen ergreifen können.
    Liminski: Wurden oder werden Sie bei der Entwicklung von "Detekt" staatlich gefördert? Ich frage auch deshalb, weil jeder freiheitliche Staat eigentlich ein Interesse daran haben muss, dass die Meinungsfreiheit geachtet wird und solch ein Staat seine Bürger dann auch gegen Überwachen und Ausspionieren von außen schützen sollte. Es handelt sich bei "Detekt", wenn man so will, um ein Instrument zur Wahrung nicht nur der Menschenrechte, sondern auch der Freiheit.
    John: Genau. Es ist ein Instrument zur Wahrung der Freiheitsrechte, sehr wichtig, und auch zur Prävention von Übergriffen. Meines Wissens gab es keine staatlichen Unterstützungen. Amnesty International nimmt sowieso keine staatlichen Gelder. Das wurde von einem Sicherheitsexperten entwickelt und es soll auch in der Open Source Community weiterentwickelt werden.
    Liminski: Sie sprachen eben schon von dieser Open Source Community. Wer ist das?
    John: Das sind viele Programmiererinnen und Programmierer und IT-Spezialisten weltweit, die solche freie Software entwickeln und auch die Qualitätsprüfung bei solcher freien Software machen und deren Anliegen es auch ist, keine kommerzielle Software zu machen, und in diesem Fall auch das Anliegen haben, tatsächlich etwas gegen Überwachungssoftware zu machen, die zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden kann.
    Liminski: Nun ist "Detekt" das eine, die Überwachungsprogramme das andere, beides ist im Wettlauf. Was erwarten Sie denn diesbezüglich von der Bundesregierung, mehr und intensivere Exportkontrollen? Gerade heute ist ja bekannt geworden, dass deutsche Unternehmen bei der NSA-Überwachung kräftig mitmischen.
    John: Ja, das ist unser Anliegen. Natürlich kann eine Software wie "Detekt" immer nur Hinweise geben und die Betroffenen kurzfristig schützen und warnen. Was wir wirklich auch auf Dauer brauchen, ist eine rigide Kontrolle des Exports solcher Software. Der Export muss verboten sein an Staaten, wo das Risiko besteht, dass damit dann Menschenrechtsverletzungen gefördert, begünstigt oder verübt werden. Die Bundesregierung, insbesondere Minister Gabriel hat sich das als ein besonderes Anliegen auch auf die Fahnen geschrieben, die EU arbeitet an solchen Kontrollen. Aber das dauert alles zu lange und wir hoffen, dass den guten Worten jetzt mittlerweile auch ganz schnell mal Taten folgen, weil der Export solcher Software führt tatsächlich in vielen Ländern dieser Welt zu Menschenrechtsverletzungen und das muss unterbunden werden.
    Heinemann: Matthias John von der Hilfsorganisation Amnesty International. Die Fragen stellte mein Kollege Jürgen Liminski.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.