Mittwoch, 17. April 2024

Archiv


Antibiotika in Pflanzen

Wenn Schweine mit Antibiotika behandelt werden, findet man Rückstände der Medikamente in der Gülle. Das ist schon seit langem bekannt – was man bisher nicht wusste ist, dass sich die Antibiotika sogar noch in Pflanzen nachweisen lassen, die auf dem güllegedüngten Boden wachsen. Das hat eine Studie ergeben, die vom nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministerium in Auftrag gegeben wurde.

Von Michael Schlag | 24.05.2005
    Die Suche nach Rückständen von Antibiotika aus der Tierhaltung endete bislang bei der Analyse des Bodens - ein Umweltproblem, denn Antibiotika können von dort ins Grundwasser gelangen. Jetzt aber kommt ein neuer Verbreitungsweg dazu: Antibiotika können aus dem Boden auch direkt in Pflanzen wandern, das heißt: gleich in die erste Stufe der Nahrungskette. Festgestellt wurde das Phänomen bei einer Studie mit drei Antibiotika aus der Tiermedizin, darunter das Chlortetracyclin, ein Mittel gegen die häufig auftretenden Atemwegserkrankungen von Mastschweinen. Professor Mechthild Freitag vom Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Südwestfalen in Soest:

    "Wir haben zunächst einmal festgestellt, dass wir die Antibiotika im Boden nachweisen konnten, und dann bei den erntereifen Pflanzen auch Antibiotikagehalte in den Wurzeln, in Grünteilen der Pflanzen und beim Winterweizen auch im Korn finden konnten. Wir haben festgestellt, dass wir die höchsten Antibiotikagehalte in der Wurzel finden und dass es eine Verdünnung bis zum Korn gab. Im Korn selber waren nur noch Spuren nachzuweisen."

    Die Rückstände waren zwar minimal - im Bereich von Milliardstel Gramm - und im Korn, das zur Nahrung verwendet wird, deutlich niedriger als in den Getreidewurzeln. Bislang aber galt als sicher, dass Pflanzen Antibiotika überhaupt nicht aufnehmen können, weil sie dafür eine natürliche Barriere besäßen. Diesen Grundsatz wird man aus den Lehrbüchern wohl streichen müssen.

    "Höchstwahrscheinlich ja. Bisher hat es unseres Wissens nach diese Art von Studien noch nicht gegeben, und wir waren selber etwas überrascht, als wir tatsächlich diesen Transfer bis ins reife, druschfähige Korn nachweisen konnten. Damit hatten auch wir nicht gerechnet."
    Mechthild Freitag betont allerdings, mit diesen Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen sei bislang nur ein qualitativer Nachweis erbracht, also dass es diesen Verbreitungsweg für Antibiotika überhaupt gibt. Eine neue Gefahr für Verbraucher lasse sich aus dieser Erkenntnis nicht ohne Weiteres ableiten. Auch war die Belastung der Gülle im Versuch vergleichsweise hoch, denn hier waren sämtliche Tiere, deren Gülle als Dünger verwendet wurde, vorher mit Medikamenten behandelt. Wie bedeutsam der Transfer von Antibiotika vom Acker in das Getreide auch in der landwirtschaftlichen Praxis sein könnte, darüber ist heute noch wenig bekannt. Mechthild Freitag von der Fachhochschule in Soest:

    "Wir wissen nicht: wie sieht es aus unter konventionellen landwirtschaftlichen Bedingungen, wo die Antibiotikagehalte in der Gülle sicherlich ein Vielfaches kleiner sind. Auf der anderen Seite wissen wir nicht, ob wir nicht vielleicht Pflanzeneffekte haben, ob wir Sorteneffekte haben und welche Rolle der Boden spielt. Aber inwieweit es eine Praxisrelevanz gibt soll in einem Folgeprojekt nachgewiesen werden, wenn tatsächlich aus der Landwirtschaft Bodenproben gezogen werden und in konventionellen landwirtschaftlichen Betrieben Getreideproben gezogen und diese auf Antibiotika analysiert werden. Ob wir dann tatsächlich auch unter diesen Bedingungen Antibiotika im Getreide finden werden, das ist durchaus nicht sicher."

    Ein Phänomen hat sich aber schon bei den Versuchen gezeigt: während Schadstoffe im Waldboden vor allem bei Übersäuerung des Bodens freigesetzt werden, verhält es sich bei den Antibiotika im Ackerboden gerade umgekehrt. Sie werden von Pflanzen besonders gut aufgenommen wenn der Boden basisch ist, also wenn er gekalkt wurde. Die jetzt geplante Fortsetzung der Analysen zum Antibiotikatransfer in Nutzpflanzen soll in den Intensivgebieten der Tierhaltung im Raum Münster/Osnabrück stattfinden.