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Antibiotika
Multiresistente Keime auf Gemüse

Eine fehlerhafte Einnahme und ein häufiger Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung haben dazu geführt, dass sich resistente Bakterien entwickelt haben, die nicht mehr mit Antibiotika getötet werden können. Mikrobiologen suchen auf Salat und Gemüse nach multiresistenten Keimen. Und sie werden fündig.

Von Susanne Kuhlmann | 07.01.2016
    Ein Gemüsestand auf einem Wochenmarkt
    Das Risiko, durch multiresistente Keime auf Gemüse zu erkranken, ist derzeit sehr gering. (Jan-Martin Altgeld)
    Eigentlich sind Antibiotika ein Segen für die Menschheit, denn sie bekämpfen bakterielle Infektionskrankheiten wie Lungen- oder Hirnhautentzündung. Fehler beim Umgang damit oder das überflüssige Verschreiben von Antibiotika, führen dazu, dass immer mehr Keime resistent werden, Antibiotika ihnen also nichts mehr anhaben können. Hinzu kommt der massenhafte Einsatz im Tierstall, vor allem bei der Aufzucht von Schweinen und Geflügel. Seit einiger Zeit untersuchen Mikrobiologen auch Salat und Gemüse auf Keime, die resistent gegen Antibiotika sind. Und sie werden fündig, so wie das Team um Prof. Fritz Titgemeyer vom Fachbereich Oecotrophologie an der Fachhochschule Münster.
    Kürzlich untersuchten Lebensmittelanalytiker der Fachhochschule Münster Gemüse und Gewürze aus Läden, die sich auf asiatische Lebensmittel spezialisiert haben. Fritz Titgemeyer ist Professor für Lebensmittelmikrobiologie.
    "Das war einmal Zitronengras, dann waren das Avocados. Allerdings sehen Asiatische anders aus; Limettengröße haben die. Dann war das Pak Choi, eine Kohlsorte und asiatisches Basilikum. Dazu die Mungbohnen."
    Drei von vier Proben waren mit multiresistenten Keimen des Typs ESBL belastet.
    "Die produzieren ein Enzym, was die Antibiotika der Penicillin-Reihe unschädlich macht und die modernsten, neuesten Versionen, die Zephalosporine, sind dann nicht wirksam."
    Vor zwei Jahren untersuchte Fritz Titgemeyer mit seinen Mitarbeitern Salat und Gemüse aus Deutschland: Gurken und Tomaten, Kartoffeln und Sprossen.
    "Da kam heraus, dass etwa die Hälfte der Produkte solche multiresistenten Keime hatte. Immer wenn Gemüse dabei war wie Salat oder Kartoffeln, die ein bisschen verschmutzt waren, dann haben wir die auch gefunden, während relativ saubere Gemüse, die nicht so einen Kontakt haben, wie Gurken und Tomaten, praktisch nicht belastet sind."
    Keine Behandlung mit Antibiotika
    Salat und Gemüse werden zwar nicht mit Antibiotika behandelt. Aber in Kontakt kommen die Pflanzen trotzdem damit. Und zwar umso mehr, je näher die Felder an Mastställen liegen.
    "Die Idee ist, dass aus diesen Landwirtschaften, zum Beispiel durch die Abluftrohre, über Staubpartikel Aerosole auf die Felder gelangen und dort das Gemüse belasten können. Die zweite Variante ist, die Exkremente der Tiere werden als Gülle auf die Felder gebracht und landen dort im Boden, wo das Gemüse wächst."
    Das Risiko, von Gemüse oder Salat krank zu werden, schätzt Fritz Titgemeyer für den Moment äußerst gering ein.
    "Wenn man die als gesunder Mensch bekommt, diese Keime, dann sind die eine Zeit lang in unserem Körper. Wir verlieren die auch wieder. Die sind erst dann gefährlich, wenn wir eine Operation haben oder immungeschwächt sind oder im Zuge anderer Belastungen, die gefährliche Infektionen auslösen können."
    Ob sich an der Belastung des in Deutschland angebauten Salats und Gemüses etwas geändert hat, wissen die Forscher aus Münster nicht. Denn noch gibt es keine Vorschrift, dass Salat und manche Gemüse vor dem Verkauf auf multiresistente Keime untersucht werden müssen. Dr. Bernd-Alois Tenhagen gehört zur Abteilung Biologische Sicherheit im Bundesinstitut für Risikobewertung.
    "In welchem Umfang resistente Keime beim Gemüse vorkommen, darüber ist nicht so viel bekannt wie beim Fleisch. Problematisch beim Gemüse ist, dass Gemüse häufig gar nicht durcherhitzt wird, weil es beispielsweise in Salaten verarbeitet wird. Und in dem Moment, wo wir Gemüse nicht erhitzen, besteht natürlich die Gefahr, dass Keime, die vorhanden sind, tatsächlich auch von uns aufgenommen werden und in unseren Darm gelangen und sich dort vermehren können."
    Küchenhygiene
    Küchenhygiene beim Umgang mit Gemüse und Fleisch ist das oberste Gebot, wenn zu Hause gebraten, gekocht und Rohkost vorbereitet wird.
    "Eine wichtige Maßnahme wäre, frisches Fleisch vor dem Verzehr gut durchzubraten, sodass alle Keime, die auf dem Fleisch vorkommen, abgetötet werden. Auch ist es wichtig, in der Küche zu vermeiden, dass man diese Keime vom Fleisch auf andere Lebensmittel überträgt, die nachher nicht mehr erhitzt werden, wie beispielsweise Tomaten oder Salat. Das kann man dadurch erreichen, dass man sich nach dem Zubereiten des Fleisches entweder neues Arbeitsmaterial nimmt oder aber das vorhandene Material, Brettchen, Messer und auch seine Hände gründlich und mit heißem Wasser reinigt, damit vorhandene Keime abgespült oder abgetötet werden."
    Wie gesagt: Zurzeit ist das Risiko, durch multiresistente Keime auf Gemüse zu erkranken, sehr gering, betont der Lebensmittelmikrobiologe Fritz Titgemeyer. Aber das "ändert nichts an der Tatsache, dass wir dort einen erhöhten Forschungsbedarf haben und wir etwas vermeiden wollen, was vielleicht in einigen Jahren wirklich akut wird."