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Antibiotika-Resistenzen
Jede Minute sterben 250 Menschen

Weltweit nehmen Antibiotika-Resistenzen dramatisch zu. Sie gelten als globale Herausforderungen. Die Folgen der Antibiotika-Resistenzen sind chronische Erkrankungen, die nicht mehr behandelt werden können, weil keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung stehen. Betroffen sind insbesondere afrikanische Länder.

Von Ursula Biermann | 24.05.2016
    Mit Plakaten gegen Massentierhaltung und Tierquälerei demonstrieren Vertreter mehrerer Bürgerinitiativen am Freitag (25.11.2011) in Hannover am niedersächsischen Landwirtschaftsministerium.
    In Deutschland werden zu oft und unnötig Antiobiotika verabreicht oder von Patienten falsch eingenommen. Auch dadurch steigt die Resistenz der Keime. (dpa / picture-alliance / Philipp von Ditfurth)
    Jede Minute sterben 250 Menschen an Infektionen mit Krankheiten, die wir nicht mehr mit Antibiotika behandeln können. Der Grund: Resistenzen gegen diese Antibiotika. Entstanden sind diese in Schanghai, in den Ländern Afrikas, in Brasilien. Nun bedrohen sie auch uns in Deutschland.
    Denn die Infektionserreger, krankmachende Bakterien also, kennen keine Grenzen. Mifrin Mpundu vom Ökumenischen Pharmazeutischen Netzwerk aus Nairobi in Kenia beobachtet diese weltweite Entwicklung mit Sorge und nennt die Gründe.
    "The first one of course is the market forces..."
    "Der größte Faktor ist natürlich der Markt. Gefälschte Medikamente sind ein gutes Geschäft und große Firmen investieren große Summen in die Produktion qualitativ minderwertiger Medikamente, die dann die afrikanischen Märkte regelrecht überfluten. Dazu kommt ein Mangel an Bewusstsein und Wissen zu dem Thema.
    Die meisten Menschen glauben, sie bräuchten Antibiotika für jede Krankheit, von Kopf- bis Zahnschmerzen. Also gehen sie zu ihrem Arzt und lassen sie sich geben. Ein weiteres Problem: Es gibt zwar Regulationen, sie werden aber nicht durchgesetzt. Man kann jede Art Antibiotika auf den Märkten und auf der Straße gleichermaßen wie in Apotheken kaufen. Das ist natürlich ein Riesenproblem."
    Konsens unter Wissenschaftlern: sofortiges Handeln erforderlich
    Auch so werden Resistenzen gezüchtet: durch Unterdosierung. Viele kaufen aus Geldmangel nur eine Tagesdosis und meinen, besser eine Tablette als gar keine.
    Alle Wissenschaftler sind sich einig, dass jetzt sofort etwas unternommen werden muss, auch der Experte für Resistenzen, Dr. Sujith Chandy vom Pushpagiri Institute of Medical Sciences, Tiruvalla. Indien:
    "The first thing is to have Mass-Public-Health of various campaigns through various types of media... "
    "Zuallerst brauchen wir Gesundheits-Aufklärungs-Kampagnen über verschiedene Kanäle. Zweitens Fortbildungen dazu, wie Resistenzen zustande kommen und welche Folgen sie haben. Und drittens wäre es meiner Ansicht nach wichtig, strenge Regularien auf nationaler Ebene einzuführen, die deutlich machen, was zu tun und was zu unterlassen ist."
    Dem stimmt auch Prof. Dr. Lutz Heide, vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen zu. Für ihn ist besonders wichtig, "...den Einsatz von Antibiotika verbessern, in dem wir also dafür sorgen, dass wir bei dem Einsatz von Antibiotika Richtlinien befolgen, die richtigen Antibiotika für den Keim, die richtige Dosis, die richtige Behandlungsdauer verwenden.
    Zweitens, sicherstellen, dass diese Antibiotika auch vorhanden sind. In Deutschland meistens gegeben, aber zum Beispiel in vielen afrikanischen Ländern haben wir die Antibiotika, die wir brauchen, nicht vorrätig und was Sie nicht haben, können Sie auch nicht richtig einsetzen. Dann werden andere Antibiotika verwendet, die gar nicht angezeigt sind und das trägt zu einer Resistenz-Verbreitung bei."
    Ausbildung im medizinischen Bereich verbessern
    Auch die Politik in Deutschland könnte nach Meinung von Prof. Lutz Heide die Situation langfristig verbessern – gerade in afrikanischen Ländern.
    "In Afrika haben wir ein ganz besonderes Ausbildungsproblem Wir haben einen Mangel an gut ausgebildeten Leuten und müssen deswegen gerade in Ausbildung sehr viel investieren. Entwicklungszusammenarbeit hat viele Facetten. Manche davon mögen inzwischen strittig sein, aber ein Aspekt ist sicherlich unstrittig – Ausbildung. Ausbildung in allen Bereichen einschließlich Ausbildung im medizinischen Bereich.
    Glücklicherweise, wenn wir es in einem bestimmten Land schaffen, die Antibiotika verantwortlich einzusetzen, gehen Resistenzen auch wieder zurück, langsam."