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Antikorruptionsbericht der EU
Überall ist Lug und Betrug

Die EU-Behörde OLAF soll dem Verdacht von Korruption und Missbrauch europäischer Gelder nachgehen. Im vergangenen Jahr empfahl sie fast 400 Mal, entsprechende Schritte einzuleiten. Aber es gibt auch Kritik an der Arbeit von OLAF. Die Zahlen seien aufgebläht, Verfahren würden nur für die Statistik eröffnet.

Von Annette Riedel | 02.06.2015
    Der Generaldirektor der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF, Giovanni Kessler, bei einer Veranstaltung am 17. Oktober 2012 in Brüssel.
    Der Generaldirektor der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF, Giovanni Kessler, bei einer Veranstaltung am 17. Oktober 2012 in Brüssel. (picture alliance / dpa / Olivier Hoslet)
    Da ist zum Beispiel der Fall einer Zigarettenfabrik in Italien, die legal Zigaretten in Nicht-EU-Länder exportiert, dann aber am Zoll vorbei, zurück in diverse EU-Länder schmuggelt. Zum Schaden allein beim italienischen Fiskus von mindestens 90 Millionen Euro. Der Chef der Investigations-Abteilung bei OLAF, Nick Ilett. "Das war eine legale Fabrik, die illegal nach Deutschland und anderswo verkauft hat. Wir haben die Kooperation zwischen italienischen und deutschen Behörden organisiert, die sonst selbst heute noch, selbst innerhalb der EU Schwierigkeiten hätten, miteinander zu kommunizieren."
    Zunehmend funktioniert Korruption, wie organisiertes Verbrechen, grenzübergreifend. Insgesamt 901 Millionen Euro könnten nach OLAFs Einschätzung in den EU-Haushalt wieder zurückfließen, die ihm 2014 unrechtmäßig entnommen oder vorenthalten wurden. Der Generaldirektor der Anti-Korruptionsbehörde, Giovanni Kessler, ist mehr als zufrieden mit dem Erfolg der Arbeit seiner 421 Mitarbeiter. "Es gibt einen deutlichen Anstieg von Empfehlungen durch OLAF zur Strafverfolgung. Das heißt mehr Erfolg, mehr Effektivität, mehr Einfluss in Sachen Korruptionsbekämpfung."
    Es geht um Fälle von Missbrauch beim Einsatz von Geldern aus dem EU-Haushalt, dem Agrarfond beispielsweise. Es geht um Schmuggel, um betrügerische Abrechnungen, Bestechung, Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
    Noch ein paar Zahlen: Bei 1.417 Hinweisen aus den Institutionen oder von Privatpersonen hatte OLAF zu entscheiden, ob es Investigationen anstrengt oder nicht. 397 Mal gab sie Empfehlungen an die zuständigen Institutionen oder Behörden in den EU-Ländern, finanzielle, gerichtliche, verwaltungsrechtliche oder disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Das ist nämlich OLAFs Sache nicht. OLAF kann nur bei hinreichendem Tatverdacht auf Korruption oder Missbrauch europäischer Gelder empfehlen, tätig zu werden. "Bei 53 Prozent unserer Empfehlungen kommt es zu einer Strafverfolgung. Das ist nicht befriedigend. Das muss sich bessern."
    Deutschland liegt im Durchschnitt
    Das Interesse an der entsprechenden Strafverfolgung ist in den EU-Ländern recht begrenzt und unterschiedlich stark ausgeprägt. Deutschland liegt im Schnitt. Etwas mehr als jede zweite von OLAFs 29 Empfehlungen führte zu einer Anklage. Für Griechenland gab es 23 Empfehlungen, die zu 100 Prozent verfolgt wurden. Bei Rumänien wurde knapp jeder dritte der 89 von OLAF aufgezeigten Korruptionsfälle strafrechtlich verfolgt.
    Die Vorsitzende des OLAF-Kontrollausschusses im Europäischen Parlament, die CDU-Abgeordnete Inge Gräßle, ist, wie viele ihrer Parlamentskollegen, alles andere als zufrieden mit der Antikorruptionsbehörde der EU. "So eine schlechte Korruptionsbekämpfung wie zurzeit gab es in der Europäischen Union schon lange nicht mehr." Gräßle hält weder von OLAFs Generaldirektor Kessler viel, noch von der Arbeit seiner Behörde. Und sie hat den Statistiken nie getraut, traut der heute veröffentlichten für 2014 nicht. "Auf die Zahlen des OLAF kann man sich nicht verlassen." Gräßle wirft OLAF Lug und Betrug vor. "Wir können es uns nicht gefallen lassen, dass ein europäisches Amt uns planmäßig hinters Licht führt, dass sie Statistiken manipulieren, dass sie Fälle eröffnen, wo man keine eröffnen darf, dass sie Fäll eröffnen, nur um die Statistik hinterher aufzublasen, dass sie Fälle binnen Kurzem wieder schließen, ohne erkennbare Untersuchungstätigkeit - und das alles nur, um uns glauben zu lassen, dass die Untersuchungsdauern tatsächlich gefallen sind."