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Antischall gegen Tomographen-Krach

Technik. - Kernspintomographen haben sich für viele Diagnosen in der Medizin längst durchgesetzt, weil sie den Körper durchleuchten, ohne ihn durch Röntgenstrahlung zu belasten. Aber der Patient muss in eine enge Röhre geschoben werden und die Geräte machen zudem einen Heidenlärm. Wie sich dieser Lärm mindern ließe, daran arbeitet unter anderem ein britisches Forscherteam. Die Experten waren auf der Tagung der Amerikanischen Akustischen Gesellschaft in Salt Lake City.

Von Frank Grotelüschen | 07.06.2007
    "Sie müssen sich jetzt bitte einmal auf den Tisch legen, mit dem Kopf nach oben auf das Kissen, mit den Füßen nach unten.”"

    Im Krankenhaus steht eine Untersuchung bevor. Die Ärztin erklärt ihrem Patienten, was auf ihn zukommt. Die beiden stehen vor einem mannshohen Klotz – einem Kernspintomographen, auch Magnetresonanz-Tomograph genannt. Dann wird der Patient, ein junger Mann, in die enge Röhre geschoben. Die Untersuchung geht los.

    ""Man muss sagen, wenn man drin liegt, ist es sehr, sehr laut. Man hört doch sehr deutlich sehr viele Klopf- und Brummgeräusche."

    Der Kernspintomograph erlaubt einen dreidimensionalen Blick in das Körperinnere. Und zwar äußerst schonend, ohne Belastung durch Röntgenstrahlung. Aber: Die Untersuchung ist strapaziös: Der Patient muss eine ganze Zeit lang in einer engen Röhre liegen und muss einen ziemlich lauten Krach über sich ergehen lassen. Der Grund dafür liegt in der Funktionsweise des Geräts.

    "”Der Patient wird einem starken Magnetfeld ausgesetzt. Dieses Feld richtet die Wasserstoffkerne im Körper des Patienten aus. Dann schickt die Maschine Radiowellen in den Körper. Die Wellen stupsen die Wasserstoffkerne regelrecht an, sodass sie zu torkeln anfangen. Genau dieses Torkeln kann man messen und in dreidimensionale Bilder umrechnen. Damit die Methode funktioniert, gibt es im Gerät mehrere Metallspulen, durch die in schneller Folge Starkstrom-Pulse fließen. Dadurch fangen die Spulen an zu vibrieren und wirken wie ein Lautsprecher. Und das macht den Tomographen so laut.”"

    Deborah Hall arbeitet am Institute of Hearing Research im englischen Nottingham. Bislang versuchen die Gerätehersteller, die Vibrationen durch Dämmmaterialien zu mindern, oder sie packen die Spulen ins Vakuum. Deborah Hall verfolgt einen anderen Ansatz:

    "Unsere Technik setzt bei der Wahrnehmung an. Der Tomograph ist genauso laut wie vor vorher. Aber der Patient bekommt von diesem Lärm nicht mehr soviel mit. Und das funktioniert so: Ein Mikrofon nimmt den Lärm auf, und ein Prozessor errechnet aus diesem Signal in Echtzeit eine Art Gegensignal. Dieses Gegensignal geben wir dem Patienten dann auf einen Kopfhörer – mit dem Resultat, dass sich Signal und Gegensignal gegenseitig auslöschen."

    Antischall, so heißt das Prinzip. Bei Hubschraubern und in Autos kommt es bereits zum Einsatz. Doch um es auf den Tomographen zu übertragen, mussten sich Hall und ihre Leute ein paar Tricks einfallen lassen. Hall:

    "”Weil der Tomograph mit einem sehr hohen Magnetfeld arbeitet, dürfen wir keine Bauteile aus Metall verwenden. Die nämlich würden durch das starke Feld angezogen und die Ergebnisse der Diagnose verfälschen. Deshalb nutzen wir ein optisches Mikrofon, und der Kopfhörer besteht aus Kunststoff. Wir haben also sämtliche Metallbauteile aus unserem System entfernt.""

    Und was bringt sie nun, die neue Methode? Das zeigt der Vorher-Nachher-Vergleich: Erst der unbehandelte, dann der mit Antischall behandelte Tomographenlärm. Um bis zu 20 Dezibel können die Forscher den Lärm mindern. Das entspricht in etwa einer Reduzierung auf ein Viertel der ursprünglichen Lautstärke. Zwar hat Deborah Hall schon Kontakt zu einem Gerätehersteller, der sich für das Patent interessiert. Doch bis das Verfahren marktreif ist, werden – so schätzt die Forscherin – wohl noch fünf Jahre vergehen.