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Apotheken Umschau
Erfolgreiche Pflichtlektüre

Die Apotheken Umschau gehört zu den Zeitschriften, die am häufigsten gelesen werden. Knapp 20 Millionen Leserinnen und Leser greifen Monat für Monat nach dem kostenlosen Gesundheitsmagazin . Doch nicht allen Apothekern gefällt das Geschäftsmodell.

Von Burkhard Schäfers | 23.01.2018
    Ein Mann hält eine Ausgabe der "Apotheken Umschau" auf den Knien und schaut auf die Titelseite.
    Apotheken Umschau (imago/ Schöning)
    "Und jetzt haben wir hier, wenn ich runterscrolle, die Probanden. Hier könnten wir jetzt die Lunge aufzeichnen, Zwerchfell, Rückenbogen …" Von draußen scheint durch große Fensterfronten die Wintersonne ins moderne Verlagshaus der Apotheken Umschau. Drinnen am Konferenztisch überlegen Redakteurinnen und Grafiker, wie sich das Thema ‚Atmen‘ anschaulich illustrieren lässt. Das ist mal eine angenehme Aufgabe – schließlich hat es die Redaktion auch mit Fragen zu tun, über die kaum jemand gern spricht, sagt Chefredakteur Hans Haltmeier.
    "Ob das jetzt Darmkrebs ist, Stuhl-Inkontinenz, auch Hämorriden-Probleme sind eine Erkrankung, da will ich seriöse Informationen haben und nicht ein verschämtes Sich-Wegducken. Es gibt keine Krankheit, die wir nicht behandeln würden. Wir sind eben nicht am Kiosk, sondern ich bekomme das Heft in einem Umfeld, wo ich erwarten kann, dass es keine Tabus gibt," meint Hans Haltmeier. Das Magazin gibt es ausschließlich in Apotheken. Es erscheint zweimal monatlich mit je hundert Seiten und hat pro Ausgabe eine Auflage von gut viereinhalb Millionen. Eine Anzeigenseite kostet etwa 60.000 Euro. Beim Thema Gesundheit ist viel Geld im Spiel – entsprechende Interessen und Einflussversuche.
    Die Redaktion muss gründlich arbeiten
    "Wir bemühen uns bei jedem Beitrag so gut es geht – hundertprozentige Sicherheit gibt’s nirgends – dass wir vorher abklären: Ist das ein Experte, der auf der Payroll der Industrie steht, hält der Vorträge für Industrieunternehmen. Gibt’s da Verbindungen, die ersichtlich sind. Wir haben eine klare Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung. Die Pharmaindustrie kann jetzt nicht sagen, wir hätten gern einen Artikel über dieses oder jenes, und da soll auch dieses und jenes drin stehen", sagt Chefredakteur Haltmeier.
    Die Apotheken Umschau nennt keine Namen von Medikamenten. Gibt es bei einer Therapie widerstreitende Philosophien, stelle die Redaktion dies dar. Dass man Falschmeldungen aufgesessen sei, daran könne er sich nicht erinnern, sagt Chefredakteur Haltmeier, seit 13 Jahren dabei. Der Besuch vermittelt den Eindruck, dass die Redaktion ausgeruht und gründlich arbeiten kann. Muss sie auch. Denn Vertrauen ist eine entscheidende Währung im Gesundheits-Journalismus.
    "Ich würde selber, wenn ich eine Diagnose bekomme, die mich irritiert, nicht irgendwo einen lustigen Beitrag oder einen Promi lesen wollen. Sondern ich würde einfach nur wissen wollen: Wie ist es denn wirklich? Das ist die Stärke der Apotheken Umschau, dass wir alle Inhalte sehr genau daraufhin überprüfen: Entspricht es dem Stand der Technik? Ist es durch die Leitlinien gedeckt? Was sagt die Fachgesellschaft dazu? Und das ist glaube ich ein großer Faktor des Erfolgs."
    Das Magazin setzt auf die Kaufbereitschaft der Apotheken
    Ertragreich ist auch das Geschäftsmodell. Die Apotheken kaufen das Magazin beim Verlag und verteilen es kostenlos an ihre Kunden. Nicht immer ganz freiwillig, sagt Ralph Laves, Inhaber von zwei Apotheken in München: "Weil sie verlangt wird, das muss man doch mal so sagen. Also der Kunde hat sich schon sehr stark daran gewöhnt, in der Apotheke nicht irgendein Magazin zu bekommen, sondern die Apotheken Umschau."
    Ein Heft kostet rund 50 Cent – da kommen für eine Apotheke mittlerer Größe jährlich schnell 5.000 Euro zusammen. Der Verlag kurbelt den Absatz an, indem er zur besten Sendezeit Fernsehwerbung schaltet. So erfahren potentielle Leser, dass eine neue Umschau erschienen ist. Das Blatt nicht dazuhaben, sei schwierig, meint Apotheker Laves: "Das würde, denke ich, in verstärktem Maße zu Irritationen beim Kunden führen. Wenn man was Gleichwertiges, Schrägstrich Besseres hätte, dann, glaube ich, könnte man genug Begeisterte finden, die sich aus dieser Umklammerung gerne lösen würden. Es gibt Alternativen, nur reichen die an Qualität und damit eben auch Attraktivität bis jetzt nicht an diesen Marktführer heran."
    Chefredakteur Hans Haltmeier kann also gelassen in die Zukunft schauen. Zwar sinkt die Auflage der Umschau leicht, auch deshalb, weil jährlich rund 200 Apotheken schließen. Um neben den überwiegend älteren Lesern auch Jüngere anzusprechen, greift die Redaktion alterslose Themen wie Kontaktlinsen, Schnupfen und gesunde Ernährung auf. Auf den Fotos finden sich häufig junge Leute. Und natürlich experimentiert der Verlag mit Website-Angeboten, Social-Media-Aktivitäten und einer App namens Elixier – mit redaktionellen Beiträgen, animierten Grafiken und Arzneimittel-Datenbank. Die Säule soll aber das Heft bleiben.
    "Dass es die Umschau nicht mehr geben wird, kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Weil durch die demografische Entwicklung wird ja die ältere Bevölkerung nicht weniger. Sondern mit diesem Trend werden auch die Fragen – was tue ich denn jetzt bei der und der Diagnose – eher mehr als weniger."