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Apple-Entscheid der EU-Kommission
"Die irische Steuerpolitik gerät natürlich in Gefahr"

Der Wirtschaftswissenschaftler Aloys Prinz hat im DLF die Entscheidung der EU-Kommission für eine Steuernachzahlung von Apple an Irland begrüßt. Die EU könne jedoch auch in anderen Fällen eingreifen, in denen große Unternehmen von den Regierungen durch besonders günstige steuerliche Bedingungen "in ihre Länder gelockt werden", sagte Prinz.

Aloys Prinz im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 30.08.2016
    Eine rote Ampel vor einem Apple-Logo.
    Apple soll 13 Milliarden Steuern an Irland zurückzahlen. (Imago/Ralph Peters)
    Auch andere EU-Länder hätten große Unternehmen in der Vergangenheit durch besonders günstige steuerliche Bedingungen angelockt, etwa Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Prinz sieht darin - wie die EU-Kommission - einen "Verstoß gegen EU-Beihilferichtlinien".
    US-Regierung kritisiert EU wegen Apple-Entscheidung
    Die EU-Kommission hatte von Apple Nachzahlungen verlangt, weil der US-Konzern ihrer Einschätzung nach seit 1991 in Irland einen deutlich geringeren Steuersatz als andere Unternehmen bezahlt. 2014 seien es nur 0,005 Prozent gewesen. Sowohl Apple als auch Irland wollen die Entscheidung anfechten. Auch die US-Regierung hat die Entscheidung der Europäischen Kommission kritisiert und befürchtet einen Steuertransfer von den USA nach Europa.

    Das Interview in voller Länge:
    Ann-Kathrin Büüsker: Vor dieser Sendung habe ich mit dem Wirtschaftswissenschaftler Aloys Prinz gesprochen. Er ist Professor an der Universität in Münster. Ich habe ihn gefragt, wie er die Begründung der EU-Kommission beurteilt, dass Apple durch diesen Steuer-Deal ein wesentlicher Vorteil entstanden sei.
    Aloys Prinz: Zunächst einmal geht es da ja darum, dass Apple einen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen hat. Das heißt: Was kritisiert wird und was gegen die Beihilfe-Richtlinie der Europäischen Union spricht ist ja, dass Apple eines der Unternehmen ist, die gezielt Steuervorteile in Irland erhalten haben, und das ist beihilferechtlich eine unzulässige Beihilfe, dass sie nicht allen Unternehmen in gleicher Weise gewährt wird. Insofern ist das zunächst einmal vermutlich kaum zu kritisieren.
    Büüsker: Das heißt, grundsätzlich begrüßen Sie diese Rückzahlung, die die EU-Kommission jetzt in Auftrag gegeben hat?
    Prinz: Ja ich denke, man versucht, dort etwas in Ordnung zu bringen, was schon seit geraumer Zeit nicht richtig gelaufen ist.
    "Die irische Steuerpolitik gerät durch die Entscheidung der EU-Kommission in Gefahr"
    Büüsker: Jetzt gibt es aber verschiedene Experten, die sagen, die Schuld, die liegt in diesem Fall gar nicht bei Apple, sondern die Schuld liegt bei den EU-Staaten, die solche Absprachen überhaupt erst zulassen. Wie beurteilen Sie das?
    Prinz: Ich gehöre auch zu den Leuten, die das sagen. Paradoxerweise ist es jetzt so, dass Irland bezüglich der Steuerrückzahlungen oder der Steuerzahlungen von Apple davon ziemlich stark profitieren könnte, obwohl gerade Irland diese Regelung mit Apple getroffen hat. Das ist tatsächlich das Paradoxe daran. Aber das zeigt, dass das Steueraufkommen aus unternehmerischer Aktivität resultiert und die Staaten selber gar kein Geld haben, sondern die Staaten leben von der wirtschaftlichen Aktivität ihrer Unternehmen und ihrer Bürger.
    Büüsker: Dann müsste Irland sich jetzt ja eigentlich freuen, dass es so viel Geld nachfordern kann. Es freut sich aber irgendwie nicht. Irland hat angekündigt, gegen diese Entscheidung der EU-Kommission vorzugehen. Warum?
    Prinz: Ja ganz einfach, weil die irische Steuerpolitik dadurch natürlich in Gefahr gerät, weil Irland ja als investitionsfreudiges Land gerade über seine steuerliche Seite Unternehmen angezogen hat. Irland hat sowieso schon eine relativ niedrige Körperschaftssteuer-Belastung. Der Satz ist eigentlich zwölfeinhalb Prozent, der ist ziemlich niedrig, und damit hat Irland ja erfolgreich Unternehmensansiedlungen betrieben und Wertschöpfung auch nach Irland geleitet. Das ist der Grund, warum die Iren jetzt auch dagegen klagen werden vermutlich, weil sie befürchten, dass ihr Geschäftsmodell hinsichtlich der Unternehmensansiedlung in Irland damit beschädigt wird.
    "Die Regierungen haben ein Interesse daran, dass Unternehmen in das Land kommen"
    Büüsker: Wie laufen solche Steuerdeals ganz grundsätzlich ab? Wie muss man sich das überhaupt vorstellen? Geht das Unternehmen da reihum zu den Regierungen hin und sagt, da müssen wir so und so wenig Steuern zahlen, geht ihr noch mal runter, unterbietet ihr das noch, oder wie darf man sich das vorstellen?
    Prinz: Ich glaube, ganz so einfach ist es nicht, und zwar schon deshalb nicht, weil die Regierungen selber ein Interesse daran haben, dass Unternehmen in das Land kommen. Hier im Falle von Irland beziehungsweise im Falle von Apple war es ja so, dass bestimmte Steuervorbescheide entsprechend zugunsten von Apple formuliert worden sind.
    Das sind sogenannte Tax Rulings, wo das Unternehmen fragt, wie bestimmte Vorschriften des Körperschaftssteuerrechts in diesem Fall ausgelegt werden, wie sie angewandt werden für das Unternehmen, und die Steuerbehörden geben dazu vorab Bescheide ab, an die die Unternehmen sich halten können. Das ist zunächst einmal völlig legal und solange man das für alle Unternehmen so macht, dass alle dieselben Regelungen kriegen, könnte die EU-Kommission das gar nicht beanstanden. Das sagt sie auch klar und deutlich.
    Das Problem ist, dass große Unternehmen, die einen sehr großen weltweiten Umsatz haben, hier spezielle Vorteile erhalten haben. Nicht nur in Irland, auch in Belgien, in den Niederlanden und in Luxemburg war das ja schon der Fall. Da gibt es ja schon ähnliche Entscheidungen beziehungsweise es stehen noch Entscheidungen aus, wo das so gelaufen ist.
    Daher kommt das Problem, dass auf diese Art und Weise Unternehmen von den Regierungen in ihre Länder gelockt werden durch besonders günstige steuerliche Bedingungen, die nicht für alle Unternehmen gelten, und genau das ist der Punkt, wo die EU-Kommission eingreifen kann.
    "Es ist ein Verstoß gegen EU-Beihilferichtlinien"
    Büüsker: Kann man dann sagen, je globaler ein Konzern aufgestellt ist, umso besser kann er sich aussuchen, wo er seine Steuern zahlen möchte?
    Prinz: Ja. Ich würde sogar behaupten, dass jeder multinationale Konzern entscheidet, wo er seine Steuern zahlt.
    Büüsker: Nur zum Verständnis: Was jetzt hier passiert ist, das ist aber grundsätzlich schon legal, oder?
    Prinz: Jein. Es verstößt ja offensichtlich gegen EU-Beihilferecht; insofern ist es in dieser Hinsicht nicht legal. Es ist ja ein Verstoß gegen EU-Beihilferichtlinien und diese Richtlinien haben ja Gesetzescharakter innerhalb der Europäischen Union. Allerdings ist es jetzt nicht so, dass das strafrechtlich von Belang wäre, sondern es ist eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift eigentlich.
    Es ist keine steuerrechtliche Vorschrift, das ist das Merkwürdige, sondern es ist eigentlich eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift, die verhindern soll, dass selektiv einzelne Unternehmen in bestimmten Ländern Steuervorteile bekommen, sodass einzelne Unternehmen in diese Länder sozusagen gelockt werden mit diesen Steuervorteilen. Und das ist genau das, was wettbewerbsrechtlich relevant ist.
    13 Milliarden Euro könnten "auf verschiedene Länder verteilt werden"
    Büüsker: Die USA, die haben jetzt auf die Entscheidung der EU-Kommission reagiert, und zwar sagen sie, dass das Ganze ein Transfer von Mitteln sei, die eigentlich dem amerikanischen Steuerzahler gehören würden, diese 13 Milliarden, die Apple jetzt an Irland zahlen soll, und deshalb sei die EU-Entscheidung gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern zutiefst unfair. Wie kommen die USA denn zu dieser Einschätzung?
    Prinz: Nun ja, die USA vermuten, dass die EU hier Wettbewerbspolitik gegen amerikanische Unternehmen macht. Es stimmt natürlich insofern nicht, als diese Gewinne, die hier zusätzlich angefallen sind, natürlich zumindest zum Teil in die USA an die Eigentümer von Apple zurückgeflossen sind und insofern der amerikanische Steuerzahler meines Erachtens hier zunächst einmal nicht verloren hat.
    Zudem sagt die EU-Kommission selber, dass auch die amerikanischen Behörden die Kosten für Forschung und Entwicklung, die die amerikanische Seite von Apple hat, nachbessern können. Die können da höhere Werte, beispielsweise wenn sich die rechtfertigen lassen, vorlegen, sodass das, was in Irland an Steuern zurückzuzahlen ist, auch noch mal reduziert werden kann.
    Die EU-Kommission sagt darüber hinaus, dass andere Länder jetzt auch auf die Idee kommen können, nach den Informationen, die jetzt vorliegen, nachzusehen, ob nicht Teile dieser Gewinne in anderen Ländern schon steuerpflichtig sind, sodass auch dort ein Teil dieser 13 Milliarden Euro hinfließen können. Es kann sein, dass diese 13 Milliarden Euro auf verschiedene Länder verteilt werden innerhalb der Europäischen Union und dass möglicherweise sogar noch ein Teil an die USA wieder geht. Das ist nicht ausgeschlossen.
    Büüsker: … sagt der Wirtschaftswissenschaftler Aloys Prinz von der Universität Münster im Deutschlandfunk. Das Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.