Mittwoch, 24. April 2024

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Aquarellist Rudolf von Alt
Bilder mit dunkler Vergangenheit

Die Pinakothek der Moderne in München zeigt Werke des Aquarellisten Rudolf von Alt. Sie haben eine dunkle Vergangenheit: Der Großteil der Bilder stammt aus der Sammlung des NSDAP-Reichsleiters Martin Bormann und ist NS-Raubkunst. Die Eigentums- und Besitzverhältnisse sind in vielen Fällen nach wie vor ungeklärt.

Von Julian Ignatowitsch | 28.07.2015
    Rudolf von Alt - "Wien"
    Rudolf von Alt - "Wien" (Druck) (Imago / United Archives )
    Die Hauptfigur fehlt. Das letzte Aquarell, das der österreichische Maler Rudolf von Alt zu Lebzeiten angefertigt hat, zeigt sein Arbeitszimmer: einen hohen Schrank, Schreibtisch, Blumen, Bilder an den Wänden - und rechts hinten im Raum ein weißer Fleck. Dort sollte der Künstler selbst stehen. Doch das Werk blieb unvollendet. Alt verstarb vorher im Alter von 92 Jahren, anno 1905.
    Das ist aber nur eine Geschichte, die dieses Bild erzählt. Die andere beziehungsweise die anderen werden nun in der Pinakothek der Moderne aufgearbeitet. Man muss sagen "aufgearbeitet", denn der Bestand Rudolf von Alt in der Graphischen Sammlung München hat eine dunkle Vergangenheit: NS-Raubkunst, der Großteil der Bilder stammt aus der Sammlung des ehemaligen NSDAP-Reichsleiters Martin Bormann.
    "Und das heißt: es ist immer klar gewesen, wenn man diesen Bestand mal geschlossen zeigt, muss man auf diesen Zusammenhang eingehen - und dass das nicht nebenbei möglich ist, ist auch schon früher klar gewesen; aber dass es so umfangreiche Forschungen braucht, ist uns auch erst nach und nach klar geworden", sagt Kurator Andreas Strobl.
    Eine posthume Spurensuche
    Zwei Jahre hat ein dreiköpfiges Forscherteam, gefördert vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Unterlagen, Akten, Schriftsätze und natürlich die Bilder selbst auf Hinweise zu ihrer Provenienz untersucht. So ist die Ausstellung auf der vordergründig "Rudolf von Alt" steht eigentlich mehr eine posthume Spurensuche entlang der Eigentums- und Besitzverhältnisse um den Nachlass Alt. Vieles ist nach wie vor ungeklärt.
    Die Ausstellung trennt die Schau der Bilder von der Dokumentation der Provenienz. Der Besucher muss - fast schon sinnbildlich - zunächst einen langen Gang mit zwölf großen Wandvitrinen und den Zeugnissen der Forschungsarbeit durchschreiten, ehe er dann die eigentlichen Bilder zu sehen bekommt.
    Das ist gut so. Denn einerseits bleibt die Ausstellung damit übersichtlich und andererseits wird endlich eine breite Öffentlichkeit mit den Methoden der Nazis beim vermeintlichen Erwerb von Kunstwerken konfrontiert: Jüdische Sammler wurden enteignet, der Handel manipuliert, durch Ausfuhrsperren, durch Vorkaufsrechte. Bormann und seine Mittelsmänner konnten Alts Bilder somit systematisch und weit unter Marktwert aufkaufen. Projektleiterin Meike Hopp:
    "Und er hat diese Aquarelle im Auftrag beziehungsweise auf Kosten der Parteikanzlei zusammentragen lassen. Und als Grund, als Bestimmungszweck für die Alt-Aquarelle wird immer wieder ‚Ausstattungszwecke für die Verwaltung Obersalzberg' angeben. Es ist aber so, dass viele Aquarelle auch Eingang in Bormanns Privatsammlung gefunden haben."
    Rudolf von Alt war ein Vorbild für Hitler
    Für Hitler war Rudolf von Alt nachweislich ein großes Vorbild, teilweise kopierte er als junger Maler sogar dessen Motive. Die Rezeption von Alts Œuvre sollte das aber nicht negativ beeinflussen. Alt - und damit sind wir nun beim Künstler, den es hier zu entdecken gilt - gehört zu den bedeutendsten Landschafts- und Architekturmalern des 19. Jahrhunderts. In Deutschland so gut wie nie gezeigt, ist er in Österreich längst ein Ausstellungsklassiker. Er denkt die Vedute neu, komponiert lebhafte Bilder von der Wiener Hofburg, der Salzburger Altstadt oder dem Dogenpalast in Venedig. Die Innovation: Der Alltag rückt vor die monumentalen Bauten, ungewöhnliche Blickwinkel eröffnen neue Perspektiven, in dieser Hinsicht antizipiert er den Impressionismus.
    "Dass er diese Gegenden, diese Blicke mit einer besonderen Lebendigkeit erfüllt, dass man meint, einen konkreten Tag, eine konkrete Witterungsstimmung, einen Moment zu erleben, in dem man vor dieser Gegend steht, und damit fast wie vor einem Schnappschuss in dieses vergangene Jahrhundert reinschauen kann."
    Die langen, oft verworrenen Wege, die die Bilder dann im darauffolgenden 20. Jahrhundert genommen haben, sind ausführlich - soweit bekannt - im Katalog der Ausstellung dokumentiert. Beim Großteil herrscht nach wie vor Ungewissheit. Das Bild mit dem weißen Fleck ist da die Ausnahme, und diese Geschichte muss hier natürlich zu Ende erzählt werden: Der jüdische Industrielle und Maler Stephan Mautner erwarb das Bild nach Alts Tod. 1938 wurde er von den Nazis zum Verkauf gezwungen, 1944 wurde er in Auschwitz ermordet. Das Bild gelangte nach dem Krieg in die eingerichtete Kunstsammelstelle in München, dort stellte Mautners Sohn Karl eine detaillierte Suchanfrage, dem Bild so nahe wurde diese wegen eines Missverständnisses ausgeschlagen. Eine zweite Anfrage blieb 1980 erfolglos. Immerhin: Jetzt konnte der Fall Mautner als einer von vier Fällen positiv abgeschlossen werden, zahlreiche andere warten dagegen noch auf Restitution.