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Aquaristik
Wasserwelten im Wohnzimmer

Statt Goldfisch im Glas können sich Aquarien-Freunde heute ganze Unterwasser-Welten ins Wohnzimmer stellen. Einer der größten Hersteller und Händler für Produkte der Aquaristik hat seinen Sitz in Neuhofen bei Ludwigshafen. Gegründet wurde JBL vor 50 Jahren als kleines Geschäft für Zoobedarf.

Von Ludger Fittkau | 23.05.2014
    Ein Schwarm von Schwertträgerfischen kreist um die um die Luftblasen im Aquarium.
    In deutschen Haushalten gibt es über zwei Millionen Aquarien. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    In einer Werkshalle der Firma JBL in Neuhofen bei Ludwigshafen deutet Heiko Blessin auf ein Fließband, über das kleine gelbe Plastikdosen rollen:
    "Das ist die Abfüllstraße für Fischfutter. Hier laufen die leeren Dosen für die Fischfutter-Sorten rein, dann werden die etikettiert, je nach Land und Sprachversion. Dann werden sie befüllt unter Stickstoff, damit keine Luft in dem Behälter drin ist. Denn Luft würde das Futter schneller verderben. Dann werden sie versiegelt die Dosen, dann kommt der Deckel drauf, ein Verfalldatum, das Gewicht wird gewogen und dann werden sie sechser- oder zwölferweise verpackt."
    Heiko Blessin ist Biologe und Marketingchef von JBL. Mit 150 Mitarbeitern allein in der Pfalz ist das ein Unternehmen, das weltweit eines der größten Sortimente für Aquarienzubehör anbietet. Jahresumsatz: 40 Millionen Euro im Jahr 2013, die Hälfte davon im Ausland:
    „Wir liefern das, was das Aquarium später am Leben hält. Von der Technik angefangen, Filter, Beleuchtung, CO2-Düngeanlagen. Pflanzen, das Futter, die Wasseraufbereitung, die Wassertests und im blödesten Fall dann auch die Heilmittel, falls ein Fisch mal krank wird."
    Aus der Pfalz in die ganze Welt
    Gegründet wurde das Unternehmen vor mehr als einem halben Jahrhundert von Joachim Böhme aus Ludwigshafen, der Name JBL ist schlicht die Abkürzung des Gründernamens und Ortes. Seit den 1980er Jahren läuft die Produktion des expandierenden Betriebes einige Kilometer außerhalb der Stadt am Rhein. In einem Gewerbegebiet am Rande des Dorfes Neuhofen, nicht weit von einer Autobahnauffahrt entfernt. Oft verlassen Lastwagen mit französischen Kennzeichen das Betriebsgelände:
    „Frankreich ist unser größter Exportmarkt. Und da haben wir viele Großhändler, die den französischen Markt beherrschen, die direkt bei uns kaufen und von uns dann beliefert werden."
    Per Hand verpacken Frauen etwa flaschengroße Plastikbehälter mit Schläuchen. Es sind Düngeanlagen für Wasserpflanzen. Insgesamt liefert das Unternehmen mehr als 1000 Produkte rund um Aquarien und Terrarien in über 65 Länder. Das Kerngeschäft ist jedoch Fischfutter. Das kann man riechen, wenn man durch die Hallen geht, in denen Fischreste oder Algen mit Gewürzen gemischt und zu Futterflocken verarbeitet werden:
    „Da gibt es Rezepte, die wir entwickelt haben wie Coca-Cola ein eigenes Rezept hat. Das ist eigentlich unser Firmenkapital, das wir genau wissen, was kommt in das Rezept hinein. Wie viel und wovon. Genauso aber auch für die Wassertests, für die Medikamente, für die Wasseraufbereiter. Diese ganze Geschichte steht und fällt mit dem Rezept für das, was da rein kommt."
    JBL selbst baut keine kompletten Aquarien und Terrarien, sondern liefert nur das Zubehör. Doch an verschiedenen Stellen auf dem mehrere tausend Quadratmeter großen Werksgelände bei Ludwigshafen gibt es große Anlagen für Fische oder auch für Schildkröten. Etwa in der eigenen JBL-Forschungsabteilung, wo neue Futtermischungen an den Tieren getestet werden, erklärt Heiko Blessin:
    „Tierversuche sind das ja in dem Sinne nicht, aber wir produzieren ja diese ganzen Produkte, um die Tiere richtig zu halten. Und dann gucken wir dann schon mal, wenn wir ein Futter verändert haben oder ein neues Futter entwickeln, fressen die das denn überhaupt? Denn nicht immer alles, was gut ist für die Fische oder auch Terrarientiere, mögen die Tiere auch gerne."
    Ein besonders spektakuläres Aquarium auf dem Werksgelände ist ein mehrere Meter großes Meerwasseraquarium mit lebenden Korallen und Fischen, die mit ihnen in Symbiose leben:
    „Die Vielfalt der Tiere, dass ist ja anders als in einem Süßwasseraquarium. Im Meerwasser-Aquarium. Im Meerwasser-Aquarium haben wir ja nicht nur Fische und Pflanzen und vielleicht noch eine Garnele. Sondern wir haben Seeigel, wir haben Korallen, wir haben eine Anemone drin. Wir haben, das kann man hier an der Scheibe schön sehen, viele Seesterne drin und noch ganz viele andere kleine Tiere, die man nur auf dem zweiten Blick sieht. Die Vielfalt, die ist so begeisternd, wie wenn man Schnorcheln oder Tauchen geht. Da ist ja auch wesentlich mehr im Meer zu sehen, als jetzt in einem Süßwassersee oder Fluss."
    Die große Koalition in Berlin schreckte Heiko Blessin und seine Kollegen von JBL in den letzten Monaten auf. Denn die SPD-Politikerin Ute Vogt hatte im Zuge der Koalitionsverhandlungen in Berlin ein Importstopp von Wildtieren gefordert, so Heiko Blessin:
    „Das ist eine sehr weit reichende Forderung. Da kann dann durch die CDU eine Ergänzung rein, die ganz, ganz wichtig ist. Das eine: In die EU, also Deutschland darf keinen Alleingang machen. Und das zweite war das Wort 'grundsätzlich´, was im Wörterbuch Politikerdeutsch heißt: Es sind Ausnahmen zugelassen. Und diese Ausnahmen wären zum Beispiel Aquarienfische. Und darüber wird jetzt diskutiert."
    Dynamitfischerei und Abfall im Meer sind ein echtes Problem
    Dabei geht es auch um das Washingtoner Artenschutzabkommen, das den Umgang mit bedrohten Arten regelt. Doch im Bereich der Zierfische gehe es nicht um bedrohte Arten, versichert der Biologen Heiko Blessin. Er veranstaltet regelmäßig mit anderen Forschern von JBL Expeditionen, bei denen weltweit die natürlichen Lebensräume der Zierfische erkundet werden. Blessin glaubt, dass die Aquaristik geradezu ein Garant für den Erhalt der natürlichen Lebensräume von Zierfischen werden könnte:
    "Auf den Philippinen und Indonesien, wo sehr, sehr viele Meerwassertiere herkommen, da beginnen jetzt gerade die Kinder und Jugendlichen aufzupassen, dass kein Müll mehr ins Meer geworfen wird. Das hat es noch nie gegeben, weil denen das vollkommen egal war. Wenn aber die Kinder und deren Eltern beim Fischfang merken, das Schildkröten diese Plastiktüten fressen, weil sie die mit Quallen verwechseln und daran verenden, in dem Moment kriegen die ein Bewusstsein, was sie vorher nie hatten."
    Zierfische werden auch sehr oft Opfer von Dynamitfischerei, mit der lediglich Speisefische erbeutet werden, berichtet Heiko Blessin: "Aber die kleinen Zierfische, das sind ja die Kleinsten in der Nahrungskette, das sind die, die alle kaputtgehen. Also wird dem Nachbarn gesagt: Fische nicht mehr mit Dynamit fischen, denn wir brauchen die kleinen Fische. Und wenn sie aus dem Ozean oder aus einem Riff Tausende von kleinen Fischen rausnehmen, spielt das überhaupt keine Rolle, denn der Platz der da geschaffen wird, wird sofort wieder von nachwachsenden Fischen besetzt. Und wenn Lücken entstehen, werden sie wieder geschlossen. Das ist kein Problem. Dynamitfischerei – das ist ein echtes Problem."
    Denn tote Fische brauchen kein Fischfutter – und das ist ja schließlich das Kerngeschäft von JBL in Neuhofen in der Pfalz.