Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Arabische Welt
Kreativer Widerstand

Zeitungen, Comics, Graffiti, Videos im Internet, überhaupt die digitalen Medien: Der politische Humor in der arabischen Welt hat viele Wege, um sich zu verbreiten. Doch die Satiriker geraten leicht immer wieder zwischen die Fronten.

Von Kersten Knipp | 30.03.2014
    Ein ägyptischer Soldat vor einer Wand in Kairo, mit Graffits von Opfern gewaltsamer Zusammenstöße.
    Ein ägyptischer Soldat vor einer Wand in Kairo, mit Graffits von Opfern gewaltsamer Zusammenstöße. (picture alliance / dpa / Khaled Elfiqi)
    Ägyptens starker Mann al-Sisi ist als Präsident noch nicht gewählt, da kursieren schon die ersten Witze über ihn. Zum Beispiel dieser: Al-Sisis Chauffeur fragt diesen, wie es wohl um die Zukunft des Landes stehe. Seine Frau mache sich große Sorgen. "Sag ihr, sie soll aus dem Fenster schauen", sagt er dem Chauffeur und weist aus dem Regierungssitz nach draußen, auf den blühenden Garten, die wunderbar grünen Palmen. "Sie soll aus dem Fenster schauen. Da sieht sie Ägyptens Zukunft!" Am Abend kommt der Chauffeur nach Hause, in die bescheidene Hütte am Stadtrand. "Wenn du wissen willst, wie Ägyptens Zukunft aussieht, sollst du aus dem Fenster schauen", sagt der Chauffeur seiner Frau. Müllberge, Kinder in ärmlicher Kleidung, gebeugte Männer gibt der Blick aus dem Fester frei: "Schau hinaus: Das ist Ägyptens Zukunft".
    Der politische Witz in Ägypten hat starken Realitätsbezug, sagt Doaa al Adl, Karikaturistin bei der Zeitung "Al Masry al Youm". Und der speist sich aus vielen Quellen.
    "Um zu zeichnen, muss ich vor allem darauf achten, was um mich herum passiert, vor allem natürlich politisch. Ich lese die ägyptischen und die internationalen Nachrichten, denn beides spielt für uns eine große Rolle. Außerdem spreche ich mit Menschen der unterschiedlichsten Schichten und höre mir an, was sie zu sagen haben. Nur so bekommt man ein Bild von der ägyptischen Wirklichkeit – das ist die Hauptquelle meiner Ideen."
    Zeitungen, Comics, Graffiti, Videos im Internet, überhaupt die digitalen Medien: Der politische Humor in der arabischen Welt hat viele Wege, um sich zu verbreiten.
    Eine noch unbekannte Variante der arabischen Kultur
    Ihnen allen folgt die Kölner Tagung "Creative Resistance", über politischen Humor während der Arabellion. Mit der Konferenz, erklärt der Nahost-Wissenschaftler Stephan Milich, einer der Organisatoren der Konferenz, wolle man den Blick auf eine im Westen noch unbekannte Variante der arabischen Kultur lenken.
    "Obwohl es doch eines der wichtigsten Charakteristika ist, dass Leute Witze machen – also nicht nur politischer Humor, sondern Humor im Alltag eine Praxis ist, ein wichtiges Element des Alltags, und wir hier aber in Europa davon wenig wissen und eine ganz andere Vorstellung haben, weil wir die arabischen Länder mit Islam, und den Islam mit Humorfeindlichkeit und Ambiguitätsfeindlichkeit verbinden, was aber natürlich ein irriges Bild ist."
    Allerdings stellt die derzeitige politische Lage hohe Anforderungen an Satiriker. In Syrien etwa, wo 150.000 Menschen durch die Gewalt gestorben sind. Trotzdem oder gerade deswegen zeige er im Internet seine Puppenshow, in der er die Lage kommentiere erklärt Gamil al-Abjad, so das Pseudonym des bekannten Künstlers, der seinen wahren Namen aus Sicherheitsgründen nicht preisgibt.
    "Wir arbeiten mit Ironie und Humor, genauer gesagt, mit schwarzem Humor. Ich setze mich in meiner Arbeit mit Gewalt, Kampf und Tod auseinander. Ich kann mich natürlich auch auf ernsthafte Weise damit auseinandersetzen. Aber gerade angesichts der Lage des Landes erscheint es mir angemessener, auf humoristische Formen zu setzen. Es ist besser, den Leuten ein Lächeln zu entlocken, als sie mit weiterer Gewalt zu konfrontieren. Zugleich ist der Humor ein sehr starkes Instrument."
    Und er ist ein gefürchtetes Instrument. Denn selbst ein Regime wie das von Bashar al-Assad hat Angst, lächerlich gemacht zu werden. Gamil al-Abjad lebt seit einiger Zeit im Ausland – wagt sich aber trotz aller Gefahren immer wieder in sein Heimatland.
    "Zunächst einmal bin ich Syrer, ich kenne also gewissermaßen den Geist meines Landes. Aber ich gehe nie nach Damaskus. Ich gehe nur nach Aleppo, auf dem Umweg über die Türkei. Das ist eine befreite Gegend. Das ist sehr gefährlich, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Nur so kann ich mich mit den Leuten und meinen Freunden treffen. Es ist gefährlich, aber es geht nicht anders."
    Offene Kritik ist kaum möglich
    Nicht nur in Syrien, auch in Ägypten hat die Revolution eine dramatische Wendung genommen. Das Militär ist an der Macht, und es sieht so aus, als würde die alte Garde aus Mubarak-Zeiten das Land bald wieder kontrollieren. Das hat Folgen, erklärt Stephan Milich.
    "Es ist extrem schwierig geworden, offen Kritik zu üben, weil das Militärregime die Zügel anzieht, immer mehr, und Entscheidungen trifft, die katastrophal sind und die kein gutes Anzeichen für die Zukunft sind. Die Medien werden mehr und mehr kontrolliert und zensiert."
    Die Medien werden auch darum kontrolliert, weil es einen Dritten politischen Weg kaum mehr gibt. Hier die Muslimbrüder, dort das Regime, und dazwischen: Diejenigen Kräfte, die Distanz zu den Muslimbrüdern ebenso wie zu den Militärs üben, werden aufgerieben, sind eine zu kleine Kraft, um angesichts des Lagerdenkens im Lande noch eine Rolle zu spielen. Das, erklärt die Cartoonistin Doaa al-Adl, hat auch Folgen für ihre Arbeit.
    "Das Hauptproblem ist, das man mich immer einer Partei zurechnet. Wenn ich Karikaturen zeichne, die die Regierung kritisieren, behaupten deren Anhänger, ich arbeitete für die Muslimbrüder. Kritisiere ich diese, wirft man mir vor, in Diensten der Regierung zu stehen. Dabei bin ich gegen die Gewalt, egal, von welcher Seite sie kommt."