Donnerstag, 28. März 2024

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Aramco-Börsengang
"Riad soll eine Art Wall Street für Vorderasien werden"

Der Börsengang des saudischen Ölkonzerns Aramco könnte mit einem Volumen von über 25 Milliarden Dollar der größte aller Zeiten werden. Mit der Teilprivatisierung des Staatskonzerns wollen die Saudis sich für die Zeit nach dem Öl rüsten, erklärt Dlf-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.11.2019
Luftaufnahme von Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad
Der saudische Kronprinz will die Finanzindustrie in Riad massiv ausbauen (Imago)
Tobias Armbrüster: Am Wochenende ist der Börsengang des Jahres angelaufen: Seit Sonntag können Anleger Anteile des saudi-arabischen Ölgiganten Aramco zeichnen. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: Warum ist dieser Börsengang so wichtig?
Klemens Kindermann: Wegen seiner außergewöhnlichen Dimension: Aramco gibt die Preisspanne für die drei Milliarden Aktien jetzt mit einem Wert zwischen 8,00 Dollar und 8,50 Dollar an. Damit könnte der Börsengang auf ein Volumen von bis zu 25,6 Milliarden Dollar kommen und so der größte aller Zeiten werden. Noch liegt auf Platz eins das Debüt des chinesischen Internetriesen Alibaba, der in New York vor fünf Jahren 25 Milliarden Dollar erlöste.
Aramco geht nicht als Ganzes an die Börse, sondern gibt nur diese drei Milliarden Aktien aus. Das entspricht einem Firmenanteil von 1,5 Prozent. Aber wenn man das hochrechnet, Herr Armbrüster, dann ist Aramco 1,6 bis 1,7 Billionen Dollar wert, damit wertvoller als Apple oder Microsoft oder Google.
Zwei Arbeiter der saudischen Ölfirma Aramco strehen an einem großen Ventil einer Leitung
Börsengang des Ölkonzerns Aramco - "Der letzte Versuch der Saudis, ihr Land zu retten"
Mit dem Börsengang des staatlichen Erdökonzerns Aramco wolle Saudi-Arabien vor allem den Staatsfonds aufstocken, die Privatwirtschaft fördern und Arbeitsplätze schaffen, sagte der Islamwissenschaftler Guido Steinberg im Dlf.
Armbrüster: Warum geht Aramco überhaupt an die Börse?
Kindermann: Kronprinz Muhammad bin Salman, der faktische Machthaber in Saudi-Arabien, will die Wirtschaft seines Landes umbauen für die Zeit, in der Öl nicht mehr so stark nachgefragt wird. Schon jetzt wird ein riesiger Energiepark gebaut, auf dem Unternehmen aus aller Welt an grünen Energien forschen sollen. Sonnenenergie soll in Saudi Arabien künftig eine viel wichtigere Rolle spielen. Und zweiter großer Investitionsbereich: Die Finanzindustrie will der Kronprinz massiv ausbauen: Riad soll so eine Art Wall Street für Vorderasien werden. Also Geld und Energie sollen zusammengebracht werden.
Armbrüster: Wird der Börsengang erfolgreich sein?
Kindermann: Das werden wir in nicht mal drei Wochen wissen. Die Zeichnungsfrist für institutionelle Investoren läuft bis zum 4. Dezember. Es gibt bei Experten Zweifel, ob Aramco wirklich so viel wert ist: 1,6 oder 1,7 Billionen Dollar. Weil es ja doch ziemliche Risiken für die Produktion in Saudi-Arabien gibt: Aramco war erst im September Opfer von Terroranschlägen, wichtige Ölfelder konnten nicht fördern. Dazu kommen die geopolitischen Unsicherheiten, der schnell fortschreitende Klimawandel.
Einer der wichtigsten Öl-Experten in Deutschland, Eugen Weinberg von der Commerzbank, formuliert diesen Zwiespalt zwischen Chancen und Zweifeln so: "Die Beteiligung an dem Unternehmen mit den weltgrößten Ölreserven wäre natürlich eine schon lukrative Anlage, wenn man zum passenden Zeitpunkt und mit der passenden Anlagestrategie und auch mit der passenden Summe investiert. Momentan gibt es zu viele Unklarheiten und zu viele Fragen in Bezug auf diese neue Mission."

Weil der Erfolg des Börsengangs nicht klar ist, sollen vor allem wohlhabende saudische Familien Aktien von Aramco kaufen, auch aus nationaler Verpflichtung. Und für Kleinanleger aus Saudi-Arabien gibt es sogar einen Aktienbonus.
Armbrüster: Können auch deutsche Anleger die Aramco-Aktien kaufen?
Kindermann: Direkt wohl eher nicht, denn die Aramco-Aktie soll nur an der Börse in Riad notiert werden. Zu Beginn jedenfalls. Allerdings zeigt die Erfahrung mit solchen Börsengängen, dass es dann später auch Notierungen an anderen Handelsplätzen parallel gibt, und dann wird es leichter, an diese Aktien zu gelangen. Aber die genannten Risiken bleiben und dann ist da auch noch der ganz große Unsicherheitsfaktor, der über Aramco den Daumen hebt oder senkt: der Ölpreis, der war zuletzt ziemlich niedrig.