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Arbeiten in der digitalen Welt
Das Arbeitsrecht steht vor großen Herausforderungen

Die größte Herausforderung für das heutige Arbeitsrecht sei, die Flexibilität zum Wohle der Arbeitnehmer und Unternehmen zuzulassen, sagte Ricarda Rolf von der Technischen Hochschule Köln im Dlf. Eines der größten Hemmnisse dabei sei allerdings das Arbeitszeitgesetz, das in vielen Bereichen nicht mehr der Arbeitswirklichkeit entspreche.

Ricarda Rolf im Gespräch mit Regina Brinkmann | 04.05.2018
    Das Symbol "Neue E-Mail-Nachricht" wird auf einem Computer Monitor angezeigt.
    Viele Arbeitnehmer checken auch nach Dienstschluss noch ihre Mails - das derzeitige Arbeitszeitgesetz entspreche damit nicht mehr der aktuellen Arbeitswelt, sagte die Arbeitsrechtlerin Ricarda Rolf im Dlf (picture-alliance/dpa/Jan-Philipp Strobel)
    Regina Brinkmann: In unserer Sendereihe haben wir in dieser Woche mal einen Spalt breit die Tür zur Zukunft geöffnet und uns zeigen lassen, wie sich altbewährte Berufe neu erfinden müssen und wie sie auch von den digitalen Entwicklungen profitieren können oder von ihnen möglicherweise sogar ersetzt werden. Und wie das klingt, wenn zum Beispiel Roboter Pepper meinen Job macht, konnten Sie ja zum Beispiel gestern in "Campus & Karriere" hören.
    Zum Abschluss der Reihe schauen wir uns nun an, wie wir auch in Zukunft unter möglichst fairen Bedingungen arbeiten können. Welche Arbeitsgesetze aus der analogen Arbeitswelt taugen eigentlich noch für die Arbeit der Zukunft? Reden wir drüber mit Ricarda Rolf. Sie ist Professorin für Arbeitsrecht an der Technischen Hochschule Köln. Guten Tag, Frau Rolf!
    Ricarda Rolf: Guten Tag, Frau Brinkmann!
    Brinkmann: Frau Rolf, manchmal wirken Gesetze, als seien sie für Jahrzehnte in Stein gemeißelt, nun erfordern die digitalen Entwicklungen in der Arbeitswelt sicherlich auch eine etwas schnellere gesetzliche Anpassung. Wie hält unser Arbeitsrecht da Schritt?
    Rolf: Ja, das ist richtig, die Herausforderung für das heutige Arbeitsrecht besteht sicherlich darin, einerseits die Flexibilität zum Wohle der Arbeitnehmer und Unternehmen zuzulassen und eben auch kreativ zu gestalten, gleichzeitig aber auch zu verhindern, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben immer weiter verwischt. Das größte Hemmnis, was im Moment gesehen wird, ist das Arbeitszeitgesetz dabei, da das jetzt doch nicht mehr ganz auf die digitalisierte Arbeitswelt zu passen scheint, zum Beispiel wenn man die Regelung der Mindestruhezeiten von elf Stunden denkt. Da wäre es zum Beispiel, wenn ein Arbeitnehmer um 17 Uhr das Büro verlässt, kritisch, wenn er um 23 Uhr noch mal seine Dot-Mails checkt, weil dann dürfte er streng genommen erst wieder um 10 Uhr morgens seinen normalen Dienst im Büro antreten.
    "Eine wichtige Rolle wird auch künftig der Betriebsrat spielen"
    Brinkmann: Also das ist schon ziemlich schleppend – wie kommen denn eigentlich Arbeitnehmer zu ihrem Recht, welche Ansprechpartner gibt es für sie noch in den Betrieben der Zukunft?
    Rolf: Sicherlich, eine wichtige Rolle wird auch künftig der Betriebsrat spielen, sofern er denn in Unternehmen dann hoffentlich auch noch vorhanden ist. Der Betriebsrat sollte sicherlich eher die Rolle nicht als strenger Regelkontrolleur übernehmen, da wir ja gerade auch gesehen haben, dass die arbeitsrechtlichen Regelungen auch nicht mehr ganz passgenau sind. Er sollte vielmehr den Mitarbeitern vielleicht auch helfen dabei, sich selbst zu managen und auch mit den Herausforderungen, was jetzt vielleicht auch ständige Erreichbarkeit, die häufig ja von Arbeitnehmern verlangt wird, angeht, ihnen da zu helfen, sich auch da vielleicht Grenzen zu setzen und Grenzen zu ziehen, was auch für die Arbeitnehmer wichtig ist, in dieser digitalisierten Arbeitswelt doch auch klar zu haben, wo wollen sie ständig erreichbar sein oder wo kann man eben doch noch eine Grenze zwischen Job und Privatleben dann auch ziehen.
    Brinkmann: Aber wollen sich die Arbeitnehmer der Zukunft vielleicht überhaupt noch helfen lassen?
    Rolf: Ja, sicherlich ist, je selbstbestimmter die Mitarbeiter sich auch wohlfühlen, desto weniger Unterstützung gefragt. Aber ich denke, in den klassischen Arbeitsverhältnissen, die es ja immer auch noch gibt, sei es jetzt in der Produktion im Schichtbetrieb oder auch im Pflege- und Betreuungsbereich, da hat das Arbeitszeitgesetz ja auch noch seine Berechtigung, und entsprechend durchaus auch Betriebsräte oder Unterstützer im Unternehmen sind sicherlich dann auch noch gefragt, da für einen Ausgleich zu sorgen, aber auch natürlich mit der Arbeitgeberseite kreative Lösungen zu finden, um eben genau diese Lücken, die das Arbeitsrecht durchaus hat in der digitalisierten Arbeitswelt, mit wirklich guten Lösungen, die passgenau sind für beide Seiten, zu füllen.
    Daten sind der wichtigste Rohstoff der digitalen Wirtschaft
    Brinkmann: In unserer Sendereihe "Mensch und Maschine" war in dieser Woche auch viel von der Sorge die Rede, dass viele Menschen durch die Maschinen ersetzt werden oder deutlich weniger arbeiten müssen. Wie sollen die künftig entlohnt beschäftigt werden, welche Modelle gibt es da?
    Rolf: Das wird in der Tat diskutiert. Da gibt jetzt Szenarien zwischen 25 und 45 Prozent der heutigen Tätigkeiten, dass die quasi bald von Maschinen ersetzt werden oder zumindest hochgradig gefährdet sind. Da wird natürlich diskutiert, und für mich auch wichtig die Entwicklung, zu überlegen, was macht man mit der Mehrzeit, die man durch weniger klassische Lohnarbeit hat. Da wird zum Beispiel vorgeschlagen, eine Wertschöpfungsabgabe zu erheben, dass eben auch die Menschen, die Arbeitnehmer für die Gabe ihrer Daten auch dann von Digitalkonzernen entlohnt werden, was ein Teil des Lohns dann wieder ausgleichen könnte.
    Brinkmann: Also die Daten, die wir bei Facebook, Google et cetera lassen, sind das.
    Rolf: Genau, und das ist ja eigentlich der wichtigste Rohstoff der digitalen Wirtschaft. Bisher werden ja eigentlich, ohne dass die Menschen und die Arbeitnehmer dafür entlohnt werden, einfach von den Konzernen gewinnbringend selber genutzt, und das würde bedeuten, dass das durch diese, ich würde es eher Wertschöpfungsteilhabe nennen, dann auch wieder den Menschen zugute kommt und damit auch diesen vielleicht Verlust von gewissen Einkommen ausgleichen könnte.
    Brinkmann: Soweit Ricarda Rolf, Professorin für Arbeitsrecht an der Technischen Hochschule Köln. Vielen Dank für das Gespräch!
    Rolf: Ja, danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.