Dienstag, 16. April 2024

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Arbeitsalltag von Ordensfrauen
Wie Bischöfe Nonnen ausnutzen

Italienische Ordensfrauen begehren auf und wollen ernst genommen werden: Allzu oft fühlen sie sich an ihren Arbeitsstellen in Priesterhaushalten ausgenutzt - wie Haus-Sklavinnen ohne Bezahlung und Anerkennung. Was den Protest der Ordensfrauen besonders macht: Er wurde publik gemacht im "Osservatore Romano", der Papstzeitung.

Von Thomas Migge | 07.03.2018
    Klosterküche mit einer Nonne
    Eine Ordensfrau in der Klosterküche - viele Nonnen verbringen ihren Arbeitstag allerdings im Dienst von Priestern oder Bischöfen (imago stock&people/ Thomas Müller)
    "Mit der Zeit haben viele meiner Mitschwestern entdeckt, dass nicht alles so rosig ist im Leben einer Ordensfrau, jedenfalls nicht so, wie wir uns das am Anfang unserer Berufung erträumt hatten. Und doch bin ich eng mit meiner Ordensgemeinschaft verbunden."
    Schwester Fulvia von den Dominikanerinnen in Rom möchte nicht ihren ganzen Namen nennen. In ihrem Orden fand sie zwar immer Rückhalt und Verständnis, wenn sie schlecht behandelt wurde, sagt sie kleinlaut. Aber es fällt ihr nicht leicht, über ihre Erfahrungen zu sprechen. So geht es auch Schwester Almudena, einer Kapuzinerin:
    "Ich hatte wirklich alles an meinem früheren Arbeitsplatz. Aber da gab es etwas, was mich störte - wie Sand im Getriebe. Ich musste etwas ändern. Ich war unglücklich, obwohl ich alles hatte."
    Behandelt "wie eine Fußmatte"
    Die Dominikanerin und die Kapuzinerin lebten beide in Haushalten von Bischöfen mit wichtigen Funktionen in der Kirchenverwaltung. Der eine im Vatikan, der andere bei der italienischen Bischofskonferenz. Beide Frauen lebten in großen Wohnungen, hatten sich um den Haushalt ihrer Bischöfe zu kümmern. Schwester Fulvia und Schwester Almudena sind nur bei ausgeschaltetem Mikrofon dazu bereit, ganz offen zu sagen, dass sie sich schlecht behandelt fühlten, lieblos, wie rechtlose Dienstboten aus vergangenen Zeiten. Oder "wie eine Fußmatte". Ordensfrauen und Ausbeutung am Arbeitsplatz: Wohl niemand hätte gedacht, dass ausgerechnet die Tageszeitung des Papstes, der im Vatikan herausgegebene "Osservatore Romano", ein so heikles Thema aufgreifen würde. Nicht die Zeitung selbst, aber die Monatsbeilage mit dem Titel "Donna Chiesa Mondo", Frau, Kirche und Welt.
    Viele Ordensfrauen klagen - und zwar mit gutem Grund, sagt Valdo Magnanetti, der als Priester in einer Vorortgemeinde seit einigen Jahren auch Ordensfrauen betreut, die Probleme an ihrem Arbeitsplatz haben:
    "Früher beklagten sich Ordensfrauen niemals offen. Jetzt ist das anders. Viele dieser Schwestern wollen nicht mehr für Geistliche arbeiten. In einer Tageszeitung erklärte die Ordensfrau Carmen, das Interview erschien, nachdem der 'Osservatore Romano' das Thema aufgegriffen hatte, dass sie für viele ihrer Mitschwestern stehe, wenn sie nun erkläre: Man wolle nicht mehr gratis arbeiten und sich dann auch noch erniedrigen lassen."
    "Situation kann sich nur ändern, wenn die Frauen aufbegehren"
    Die Historikerin und Journalistin Lucetta Scaraffia ist bei der Papstzeitung 'Osservatore Romano' verantwortlich für jene Monatsbeilage für Frauenthemen. Vatikanexperten sind überzeugt, dass sie einen direkten Draht zu Papst Franziskus habe. Und der ist ja dafür bekannt, dass er die Rolle der Frau in der Kirche, nicht nur die der Laienfrauen, sondern auch der Ordensfrauen, deutlich aufwerten will. Lucetta Scaraffia:
    "Die Kirche ist ja als patriarchale Organisation entstanden. In dieser Kirche erhielten Frauen sehr lange nur dann einen Platz, wenn sie darum baten. Von sich auch erhielten sie ihn nie. In diesem Sinn bin ich davon überzeugt, dass sich die Situation der Frauen innerhalb der Kirche, aller Frauen, nicht nur der Nonnen, nur dann ändern kann, wenn die Frauen aufbegehren."
    In der Märzausgabe der von ihr betreuten Monatsbeilage der Papstzeitung beschreibt Scaraffia den Arbeitsalltag von hunderten von Ordensfrauen, die in Priesterhaushalten, vom einfachen Geistlichen bis hin zum römischen Kurienkardinal, arbeiten, schuften, nicht selten bis zur Erschöpfung. Vom frühen Aufstehen morgens, der Zubereitung der Mahlzeiten, vom Putzen und Einkaufen, Waschen, Bügeln, kurz: vom Immer-präsent-sein-Müssen, ohne, so die Journalistin, dafür Dank zu erhalten. Ganz zu schweigen von einer Bezahlung.
    "Frauen wollen auch gehobene Positionen erreichen können"
    Die Klarissin Chiara Francesca kümmert sich im Auftrag der italienischen Bischofskonferenz um jene Mitschwestern, die mit ihren Lebensumständen unzufrieden sind:
    "Wenn sich Mitschwestern an uns wenden, versuche ich nach Lösungen zu suchen. Es gibt auffallend viele Ordensfrauen, die ihre Arbeit als Haushälterinnen bei Geistlichen aufgeben, weil sie den Sinn ihres religiösen Lebens nicht mehr erkennen."
    Dass das Thema in dieser Offenheit in der katholischen Kirche aufgegriffen wird und für Aufsehen sorgt, davon ist die Ordensfrau Chiara Francesca überzeugt, müsse mit Papst Franziskus zu tun haben. Auch Mary Melone, Ordensfrau und Rektorin der päpstlichen Università Antonianum in Rom, sagt, der jetzt öffentlich gewordene Protest von Mitschwestern sei ein Signal dafür, dass beim Umgang der Kirche mit Frauen etwas nicht stimmt:
    "Hier wird doch deutlich: Geweihte Frauen in der Kirche wollen endlich auch gehobene und verantwortungsvolle Positionen erreichen können. Aber vor allem wollen Ordensfrauen gehört werden, sie wollen, dass man sie ernst nimmt, und nicht nur als billige Arbeitskräfte. Die Rolle der Frau in unserer Kirche muss aufgewertet werden."
    Mary Melone fordert, der Papst solle endlich eine Frauenbeauftragte ernennen. Ein Vorschlag, so heißt auf Nachfrage im Vatikan, über den durchaus nachgedacht werde.