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Arbeitsbedingungen in China
Der hohe Preis für Billig-Granit

Billige Schirmständer, Bänke, Bodenbeläge aus edlem Granit - immer mehr davon wird aus China importiert, bei weiter sinkenden Preisen. Doch für solche Sonderangebote zahlen chinesische Arbeiter einen hohen Preis: Kaum einer weiß, unter welch katastrophalen Bedingungen der Stein dort abgebaut wird. Ein neues Siegel soll jetzt bessere Arbeitsbedingungen garantieren.

Von Michael Lang | 14.03.2017
    Männer in einer chinesischen Granitfabrik
    Männer bearbeiten Granitplatten in einem chinesischen Steinbruch (imago stock&people)
    Das meterhohe Rad frisst sich dröhnend laut durch den Granit. Auf dem Video sieht man, wie direkt daneben ein chinesischer Arbeiter sitzt. Ohne Schutzbrille oder Ohrenschutz, in einfachen Gummistiefeln. Um ihn herum fliegen Steinsplitter. Seine Kollegen stehen neben einem Bagger, der einen großen Granitstein anhebt. Mit ihren Händen hantieren sie unter dem kippeligen Steinblock.
    Gefährliche Schwerstarbeit
    In der Fabrik etwas weiter ist es besonders laut und staubig. Trotzdem trägt hier kaum ein Mitarbeiter eine Atemschutzmaske oder einen Gehörschutz. Viele Arbeiter haben an den Füßen Badelatschen und sind so völlig ungeschützt gegen Unfälle. Keine Einzelfälle.
    Aus China kommen vor allem billige Randsteine, Platten, Schirmständer und Bänke nach Deutschland. Für solche Sonderangebote zahlen die chinesischen Arbeiter oft einen hohen Preis meint Helmut Ehnes, Experte für internationalen Arbeitsschutz für die Berufsgenossenschaft Rohstoffe:
    "Die Arbeitshaltung ist ziemlich bedenklich, da sind Gelenkschäden, Rückenerkrankungen, all das. Es sind ja gewaltige Lasten, mit denen die Leute hier zu tun haben, wenn da so ein Segment wegfliegt und man ist nicht geschützt, oder steht in diesem Gefahrenbereich, dann kann das auch schwerwiegende oder sogar tödliche Folgen haben."
    Deutlich verkürzte Lebenserwartung mit Staublunge
    Neben typischen Arbeitsunfällen wie Brüchen oder Quetschungen ist die Staublunge ein großes Problem in chinesischen Betrieben. Die Staublunge ist mit rund 80 Prozent die häufigste Berufskrankheit in China. Diese schreckliche Erkrankung erklärt Dr. Juliane Kronsbein, Lungenärztin in der Bochumer Klinik Bergmannsheil:
    "Die Arbeiter sind sicherlich einer extremen Staubbelastung ausgesetzt. Das heißt, sie werden möglicherweise im Zuge einer Erkrankung, einer Steinstaublunge, die sie entwickeln, sehr frühzeitig auch Symptome im Sinne von Luftnot und vielleicht noch einer trockenen Hustensymptomatik entwickeln. Da ist sicherlich mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen. Unter Umständen vielleicht nur bis zum vierzigsten oder fünfzigsten Lebensjahr."
    Baumärkte lassen chinesische Betriebe kontrollieren
    Die deutschen Kunden erfahren im Geschäft nichts von den Zuständen in China.
    Zerstörte Geräte nach einem Unfall in einem Steinbruch in China
    Zerstörte Geräte nach einem Unfall in einem Steinbruch in China (imago stock&people)
    In diesem Frühling kann man nun an einigen Granitprodukten unter anderem ein kleines schwarzes X finden. Es stammt von dem Verein Xertifix. Dieser kontrolliert unangekündigt im Auftrag von Baumärkten die Arbeitsbedingungen in chinesischen Steinbrüchen und Betrieben. Walter Schmidt von Xertifix hat Jahre gebraucht, um mit Partnern in China ein effektives Kontrollsystem aufzubauen:
    "Wir haben mittlerweile 30 Lieferketten, die wir kontrollieren. Das ist durchaus ein beachtlicher Schritt."
    Beachtlich vor allem, weil die staatlichen Behörden in China - nach Angaben von Geschäftsleuten - sich bisher wenig um die Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards kümmern.
    Billigware wird weiter unkontrolliert importiert
    Der Import von billigen Graniten nach Deutschland nimmt weiter unkontrolliert zu. Kathrin Krause vom Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisiert dafür die Bundesregierung:
    "Die Bundesregierung postuliert hier hehre Absichten, etwas zu unternehmen, was sich aber nicht in scharfen Gesetzen gegenüber Unternehmen widerspiegelt. Das heißt, verstoßen deutsche Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte, drohen ihnen weiterhin keine Sanktionen oder auch Einbußen."
    Viele Baumarktkunden sind damit nicht einverstanden.
    "Wie die da arbeiten, unter welchen Bedingungen. Da bin ich ja froh, dass wir in Europa, in Deutschland sind." "Ich wäre bereit mehr zu bezahlen."
    Die gute Nachricht zum Schluss: Nach Angaben eines Baumarktes, der das Xertifix-Siegel seit diesem Frühjahr nutzt, werden die Preise für Granitprodukte dadurch nicht steigen.