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"Arbeitskosten in Griechenland sind zu hoch"

Die Sanierung Griechenlands sei eine Sache von Jahren und Jahrzehnten, meint der Unions-Fraktionsvize Michael Meister. Das Land solle endlich Hilfsgelder zum Einsatz bringen, die über Jahre bereit gestellt worden seien - aber auch die Lohnkosten im Privatsektor müssten sinken.

Michael Meister im Gespräch mit Jasper Barenberg | 15.02.2012
    Jasper Barenberg: Die Bedingungen für das zweite Hilfsprogramm für Griechenland sind noch nicht erfüllt. Mit dieser schlichten Begründung hat Luxemburgs Finanzminister Jean-Claude Juncker gestern Abend das geplante Treffen der Finanzminister heute überraschend abgesagt. Auf weitere Milliarden ist Griechenland also dringend angewiesen. Während die Helfer aber zögern, stürzt die griechische Wirtschaft regelrecht ab.

    Am Telefon ist der CDU-Politiker Michael Meister, in der Unions-Fraktion zuständig für Haushalt und Finanzen. Schönen guten Morgen.

    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Meister, das Parlament in Athen hat nahezu alle Auflagen der internationalen Geldgeber erfüllt. War es nötig, war es richtig, jetzt noch mal die Entscheidung zu vertagen?

    Meister: Aus meiner Sicht ist das richtig, und zwar aus drei Gründen. Wir haben zum einen noch nicht eine hinreichend breite Zustimmung der griechischen Politik zu diesem neuen Strukturprogramm. Da fehlen nach wie vor die Zusagen, zumindest eine Zusage eines großen Parteivorsitzenden. Zum zweiten ist inhaltlich noch nicht so viel geliefert, dass wir mittelfristig zu einer nachhaltigen Schuldentragfähigkeit Griechenlands kommen. Also es fehlt nach wie vor ein erklecklicher Beitrag im Strukturprogramm, um dauerhaft die Zahlungsfähigkeit Griechenlands in der Zukunft wieder herzustellen. Und zum dritten muss man sehen: Wir stehen jetzt unter erheblichem Zeitdruck, in Kürze Entscheidungen treffen zu müssen, die uns aber bezogen auf die Umschuldung in eine Verbindlichkeit als Gläubigerstaaten, als Garantiestaaten führen mit einer Laufzeit von 30 Jahren, und ich glaube, dann sollte man, bevor man in eine so lange Verantwortung hineingeht, klar die Konditionen festmachen und sich nicht in eine solche Verantwortung hineinbegeben, ohne dass vorab die Konditionen klar sind.

    Barenberg: Der SPD-Politiker Peer Steinbrück, der ehemalige Bundesfinanzminister, spricht in diesem Zusammenhang von einer Eskalation. Was antworten Sie ihm?

    Meister: Ich glaube, das ist keine Eskalation, sondern wir haben immer gesagt, wir fahren die Linie, wir sind solidarisch mit denen, die Probleme haben. Allerdings erwarten wir auch, dass die Probleme an der Wurzel gelöst werden. Die Probleme Griechenlands sind eine nicht funktionierende Verwaltung, das ist die Überschuldung des Staates, es ist der defizitäre Haushalt und es ist die fehlende volkswirtschaftliche Leistungskraft, und ich glaube, die Hilfe von außen, die Solidarität macht nur Sinn, wenn man diese Probleme ernsthaft und dauerhaft angeht, und ich glaube, jetzt kommt es einfach darauf an, dass alle das verstehen und alle auch erklären, ja, sie wirken an der Lösung dieser Aufgabe mit.

    Barenberg: Die Bürger in Athen sind in den vergangenen Tagen schon auf die Barrikaden gegangen und auch bei der Abstimmung im Parlament hat sich ja gezeigt, wie viele Abgeordnete auch der beiden großen Parteien nicht in der Lage sind, das Beschlossene noch mitzutragen. Ist die griechische Übergangsregierung überhaupt noch in der Lage zu liefern?

    Meister: Zunächst einmal muss ich sagen, die Einsicht des amtierenden Ministerpräsidenten in die Problemlage seines Landes ist gegeben und er müht sich sozusagen, Mehrheiten in der Bevölkerung und in den politischen Gremien zu bekommen. Ich glaube, man muss sich einfach die Frage stellen: Was passiert denn, wenn man die Konditionen des Hilfspakets nicht erfüllt und die Hilfe ausbleibt? Ich glaube, dass dann in Griechenland kein Problem weniger vorhanden ist, sondern alle Probleme bleiben. Die Probleme würden aus meiner Sicht für Griechenland sogar anwachsen. Insofern geht es, glaube ich, nicht darum, mit den anderen Gläubigern zu diskutieren, sondern die Einsicht zu wecken, dass man in Griechenland Probleme hat und dass man die auch selbst lösen muss und dass es wahrscheinlich mit Hilfe leichter geht, als wenn man das ohne Hilfe anpackt.

    Barenberg: Sie haben den Ministerpräsidenten erwähnt. Viele Vorschusslorbeeren hat er gehabt, als er ins Amt gekommen ist. Haben Sie mehr von ihm erwartet, jetzt, wo er sich doch erkennbar schwer tut, die Übergangsregierung zusammenzuhalten?

    Meister: Nein. Ich muss sagen, ich finde exzellent, was er macht, weil er zum einen eine Sachlichkeit in die Debatte hineinbringt, weil er vermittelt, dass er versteht, wie die Problemlage in Griechenland eigentlich ist, und weil er sich auch bemüht, eine möglichst breite politische Basis für diese Entscheidungen zu finden. Die eigentliche Frage ist und darum geht es ja auch gegenwärtig … bleiben die Zusagen der wesentlichen politischen Kräfte auch über diese Regierung und über diese Wahlperiode des griechischen Parlaments erhalten, und dazu wollen wir entsprechende Zusagen haben.

    Barenberg: Seit gestern, Herr Meister, haben wir es ja auch schwarz auf weiß von den Statistikern in Griechenland: die Wirtschaft im Land ist im vergangenen Jahr regelrecht eingebrochen, fast sieben Prozent minus. Gleichzeitig wissen wir, dass die Arbeitslosigkeit neue Rekordmarken erreicht mit über 20 Prozent. Wie soll Griechenland je wieder auf die Beine kommen?

    Meister: Ich glaube, zunächst einmal muss man sehen, die Probleme sind riesig und deshalb wird das keine Veranstaltung sein in wenigen Wochen oder Monaten, sondern wir werden über die Frage Jahre und Jahrzehnte nachdenken müssen, also wir brauchen an dieser Stelle nach meiner Einschätzung Geduld. Zum zweiten habe ich darauf hingewiesen, wir haben vier Probleme. Wir diskutieren sehr intensiv das Thema Haushalt und Überschuldung. Wir müssen genauso ernsthaft schauen auf die Frage Administration. Griechenland ist seit Jahren nicht in der Lage, Gelder aus dem EU-Haushalt, die ihm eigentlich zustehen zur Frage regionale Wirtschaftsförderung, in vernünftiger Weise abzurufen. Dieses Administrationsproblem muss gelöst werden und die Gelder müssen dann auch zielführend in Griechenland eingesetzt werden.

    Zum zweiten muss in Griechenland eine ganze Reihe von verkrusteten Strukturen aufgebrochen werden, um dafür zu sorgen, dass nachhaltiges Wachstum in Griechenland in der Volkswirtschaft wieder möglich ist. Da sind eine Reihe von Sektoren in der griechischen Wirtschaft nach wie vor zu stark abgeschottet. Das muss aufgebrochen werden. Das ist schwierig, weil die Menschen sich an die Strukturen gewöhnt haben, und das Verändern ist ein sehr schwieriger Prozess.

    Barenberg: Das heißt auch, gesundsparen lässt sich Griechenland jedenfalls nicht?

    Meister: Man muss alle vier Teile sehen. Also es wird weder dauerhaft mit dem defizitären Haushalt, es wird nicht dauerhaft mit einer Überschuldung funktionieren, und genauso muss man auf der anderen Seite sehen, dass die Wirtschaft dringend konjunkturelle Impulse braucht, aber was langfristig noch wichtig ist, dass Strukturen verändert werden, dass strukturelles Wachstum erfolgt. Deshalb haben wir auch gesagt, wir wollen die Privatisierung, weil wir nicht glauben, dass eine Staatswirtschaft diese strukturellen Voraussetzungen bietet. Und wir wollen das Aufbrechen von verkrusteten Strukturen in der dortigen Wirtschaftssystematik, um für nachhaltiges Wachstum zu sorgen. Ich glaube, das muss in der Debatte auch in den Fokus gerückt werden.

    Barenberg: Sie haben gesagt, wir brauchen Geduld und wir brauchen eben Hilfe für die Verwaltung, um sie auf Vordermann zu bringen. Brauchen wir auch eine Art Investitionsplan und Hilfen, um die Wirtschaft anzukurbeln?

    Meister: Wir brauchen auf jeden Fall Strukturreformen. Die kosten kein Geld, sondern die müssen politisch durchgesetzt werden in Griechenland. Und wir müssen zum zweiten dafür sorgen, dass das Geld, was Griechenland eigentlich seit Jahren zur Verfügung steht, tatsächlich nach Griechenland fließt, dort aber auch zielführend für Wachstumsimpulse zum Einsatz kommt. Ich glaube, an dieser Stelle kann in Verbindung griechischer Regierung mit EU-Kommission ein Beitrag geleistet werden.

    Barenberg: Das heißt, die EU-Mittel, die ohnehin vorgesehen sind für Griechenland, die würden ausreichen? Zusätzliche Hilfen braucht es nicht nach Ihrer Einschätzung?

    Meister: Ich glaube, wichtig wäre, nachdem wir über Jahre Mittel bereitgestellt haben, die gar nicht zum Einsatz gekommen sind, dass man zunächst mal dafür sorgt, dass zielgenau und zielführend die eh bereitstehenden Mittel mal zum Einsatz gebracht werden.

    Barenberg: Wer soll denn investieren in Griechenland?

    Meister: Ich glaube, man muss über die Frage, die ja jetzt auch in dem Programm drin ist, eindeutig sehen, dass die Arbeitskosten in Griechenland zu hoch sind. Deshalb ist ja ein Teil auch die Senkung der Arbeitskosten im Privatsektor, also in dem privaten Teil der griechischen Wirtschaft. Ich glaube, über solche Maßnahmen und über Strukturveränderungen kann der Standort attraktiver werden. Dann muss man überlegen, in welchen Sektoren kann es geschehen. Ich nehme mal den Bereich Logistik, Energiewirtschaft, da sehe ich durchaus Optionen, die man in Griechenland nutzen könnte.

    Barenberg: Unions-Fraktionsvize Michael Meister heute Morgen im Deutschlandfunk.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.