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Arbeitslehre
Berufsschullehrer gesucht

In Deutschland droht ein Mangel an qualifizierten Berufsschullehrern, Nachwuchs wird also dringend gesucht. Doch dafür läuft die Konjunktur zu gut: Frischgebackene Ingenieure gehen lieber in die Unternehmen als an die Berufsschule.

Von Claudia van Laak | 04.11.2015
    Ein Mann liest in der Agentur für Arbeit in Halle (Saale) (Sachsen-Anhalt) in einer Broschüre zur Berufsausbildung.
    Viele Berufsschullehrer gehen in den nächsten Jahren in Pension. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Die Metallwerkstatt im Institut für berufliche Bildung an der Technischen Universität Berlin. Studentin Jeannie De Flaviis baut ein Stövchen, feilt gerade an der quadratischen Grundplatte. Sie will später Arbeitslehre unterrichten.
    "Weil ich vorher schon eine Ausbildung gemacht habe im handwerklichen Bereich und festgestellt habe, dass mir das sehr liegt. Außerdem bin ich nebenbei Trainerin in einem Jugendklub und habe gerne Umgang mit Kindern. Und so kombiniere ich das ganz gerne."
    Studentinnen wie Jeannie De Flaviis werden dringend gesucht. An den allgemeinbildenden Schulen fehlen Ausbilder für Arbeitslehre, an den Berufsschulen Lehrer in den naturwissenschaftlichen Fächern.
    "In anderen Bereichen ist es anders. Zum Beispiel bei uns im Garten- und Landschaftsbau haben wir sehr viele Studienbewerber. Aber, in den Fächern, die wirkliche Mangelfächer sind, Elektrotechnik, Informationstechnik, Kraftfahrzeugstechnik, Metalltechnik, da sieht's eben leider anders aus", erläutert Hans-Liudger Dienel, Direktor des Instituts für berufliche Bildung an der TU Berlin.
    Gute Konjunktur schlecht für die berufliche Bildung
    Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK hat im Sommer 12.000 ausbildende Betriebe zum Thema Berufsschule befragt. Das Ergebnis der Umfrage ist wenig schmeichelhaft: Jedes dritte Unternehmen klagt über einen Mangel an qualifizierten Berufsschullehrern. Die Lehrerschaft ist überaltert, ein großer Teil wird in den nächsten Jahren in Pension gehen. Nachwuchs wird also dringend gesucht. Doch momentan gehen frischgebackene Ingenieure lieber in die Unternehmen als in die Berufsschulen, weil sie dort mehr Geld verdienen. Die Konjunktur läuft zu gut, sagt Institutsdirektor Dienel:
    "Wenn es einen Konjunktureinbruch gibt, ist das aus der Perspektive der beruflichen Bildung positiv, das ist jetzt eher ein Witz, es ist ja klar, was ich meine, weil dann das Interesse oder die Bereitschaft, in die Berufsschulen zu gehen, steigt."
    Um Studierende zu werben, will das Institut für berufliche Bildung jetzt vermehrt direkt in die Abiturklassen gehen. Studierende haben Videos, Plakate und Flyer produziert, Berufsschullehrer sollen ihren Job als den fast schönsten der Welt präsentieren. Vorbilder sind wichtig, sagt die Studentin Ceren Berivan Peköz - sie will später Arbeitslehre unterrichten, weil sie selber einen tollen Lehrer hatte.
    "Der hat so dafür geworben, auch so mit Herz. Der war ein sehr sehr guter Lehrer, das war so ein Herzensmensch. Weil er auch so lieb war zu uns. Und wenn so ein Mensch zu einem sagt: Guck mal, mach das doch, Du kannst das, dann ist man schon motiviert, das zu machen."
    Quereinsteiger gesucht
    Hans-Liudger Dienel setzt außerdem auf Quereinsteiger - Studierende aus den Ingenieurwissenschaften, die zusätzlich didaktische Qualifikationen erwerben - oder Lehramtsstudenten mit anderen Fächern, die möglicherweise für Naturwissenschaften zu begeistern sind.
    "Zweitens versuchen wir, Fachhochschulabsolventen zu gewinnen, ein Masterstudium bei uns draufzusatteln, also technikwissenschaftliche Fachhochschulabsolventen, die dann quasi ein Zusatzstudium machen."
    Außerdem wollen die Mitarbeiter des Instituts für berufliche Bildung versuchen, die Abbrecherquoten im Studium zu senken. Dazu gibt es jetzt ein eigenes Forschungsprojekt, das zum Ziel hat, "diese Studierenden am Anfang des Studiums zu begleiten, mit einem Selbst-Assessment, also bin ich überhaupt für diesen Beruf geeignet. Das bauen wir jetzt in unsere Studiengänge am Anfang mit ein. Wir werden auch - aber das ist noch Zukunftsmusik - Auswahl- und Beratungsgespräche am Anfang des Studiums führen."
    Viele verschiedene Wege führen also zum Ziel - und das lautet: mehr qualifizierte Berufsschullehrer für die Fächer Technik und Naturwissenschaften.