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Arbeitslosengeld
Hürde für ALG I-Empfänger soll sinken

Immer mehr Menschen sind in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig. Eine Folge: Viele zahlen nur für einige Monate in die Arbeitslosenversicherung ein. Verlieren sie ihren Arbeitsplatz, haben sie keinen Schutz. Das will Arbeitsministerin Andrea Nahles nun ändern.

Von Benjamin Hammer | 24.07.2015
    Illustration: Auf einer magnetischen Spielzeugtafel in einem Krankenhaus in Dresden steht Hartz 4 geschrieben
    Mehrere tausend Menschen, die bisher Hartz IV (Arbeitlosengeld II) bekommen, könnten bald Arbeitslosengeld I erhalten. (picture alliance / ZB)
    Die finanziellen Unterschiede zwischen dem Arbeitslosengeld I und dem Arbeitslosengeld II, sie können enorm sein. Im vergangenen Jahr bezogen Empfänger der ersten Variante im Schnitt 915 Euro pro Monat. Der Regelsatz für das Arbeitslosengeld II liegt bei nur 399 Euro.
    Wir wollen, dass mehr Menschen von den höheren Leistungen profitieren, heißt es nun aus dem Bundesarbeitsministerium. Anfang des Jahres hatte Arbeitsministerin Angela Nahles daher eine mögliche Reform angestoßen. Dafür sollen die Hürden für Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung gesenkt werden.
    Bislang müssen Arbeitnehmer insgesamt 12 Monate lang Beiträge in die Sozialversicherung eingezahlt haben, um überhaupt einen Anspruch auf das "ALG I" zu haben. Sie haben dafür 24 Monate Zeit, können also die Hälfte des Zeitraumes ohne Beschäftigung sein. Dieser Zeitraum soll nun verlängert werden. In Zukunft sollen Arbeitnehmer 36 Monate Zeit haben, in denen sie 12 Monate lang Beiträge zahlen. Für die arbeitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, ein überfälliger Schritt.
    "Durch die Veränderung auf dem Arbeitsmarkt gibt es immer mehr kurzfristig und prekär beschäftigte Menschen. Und damit die Arbeitslosenversicherung ihre Schutzfunktion auch tatsächlich wahrnehmen kann, nämlich die Leute zu schützen, die arbeitslos werden, ist es wichtig, dass wir den Anspruch auf Arbeitslosengeld auch den veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt anpassen."
    20 Prozent der Menschen, die arbeitslos werden, sagt Mast, hätten aktuell keinen Anspruch auf das Arbeitslosengeld I. Für sie bleibe nur der Gang zum Jobcenter, wo sie Hartz-IV beantragen können. Damit profitierten diese Menschen nicht von einer Versicherung, für die sie zuvor Beiträge bezahlt hätten.
    Wer aber hätte etwas von der neuen Regelung? Im Bundesarbeitsministerium nennt ein Sprecher Mitarbeiter der Digitalwirtschaft als Beispiel. Die Wirtschaftswoche zitiert heute aus einem Papier des Ministeriums. Demnach könnten durch die Reform 52.000 Menschen zusätzlich "ALG I" statt "ALG II" erhalten. Dies würde zusätzliche Kosten von 305 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Gleichzeitig würden Bund, Länder und Kommunen jedoch 68 Millionen Euro an Arbeitslosengeld II einsparen. Würden durch die Reform die Beitragssätze für die Arbeitslosenversicherung steigen? Katja Mast:
    "Das muss man dann genau anschauen. Das sehe ich im Moment nicht. Weil die Bundesagentur für Arbeit ja im Moment Überschüsse hat. Also, dass wir eine direkte Beitragsdebatte dazu haben werden, das glaube ich nicht."
    Die Vorschläge von Andrea Nahles und ihren SPD-Kollegen stoßen in der Union auf große Skepsis. Es gebe bereits großzügige Ausnahmen, heißt es aus der Fraktion von CDU und CSU. Die gälten jedoch aus gutem Grund nur für Künstler und Schauspieler. Diese seien eben besonders häufig nur kurzfristig beschäftigt. Eine Ausweitung lehne man ab. Das entspreche auch der Vereinbarung im Koalitionsvertrag.
    "Wir wollen Leute von der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung bringen", sagt ein Mitarbeiter der Fraktion. Dieses Ziel würde mit den Nahles-Plänen nicht erreicht.