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Arbeitsmarkt
Eindeutiger Trend zum Zweitjob

Arbeitnehmer in Deutschland suchen sich immer häufiger einen Zweitjob. Aber nicht ausschließlich, weil sie das Geld brauchen, sondern auch weil es aufgrund der geringen Abgaben lukrativ sein kann. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat neue Zahlen vorgelegt.

Von Stefan Maas | 24.03.2014
    Nach Feierabend im Erstjob geht es in Deutschland für viele nicht nach Hause, sondern zu ihrem Zweitjob. Mehr als drei Millionen Beschäftigte hatten in Deutschland im vergangenen Jahr einen Nebenjob. Ein Rekordwert. Und eine Verdreifachung der Zahlen seit der Wiedervereinigung. Das zeigen die Daten des IAB, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
    Es sei keinesfalls immer wirtschaftliche Not, die Beschäftigte dazu bringe, mehr als einen Job zu haben, sagt Enzo Weber, beim IAB für dieses Thema zuständig.
    "Gegenüber einer Erstbeschäftigung kriegt man da richtig viel raus. Und diese Chance nutzen eben viele Menschen."
    Weil Arbeitnehmer kaum Steuern und Abgaben zahlen und auch Arbeitgeber nur geringe Beträge abführen müssen, ist der Nebenerwerb besonders in Form eines Minijobs attraktiv.
    Viele Gutqualifizierte mit Nebenjob
    "Man kann viele Gutqualifizierte unter den Nebenjobbern finden. Von daher kann man davon ausgehen, viele Menschen nutzen diese Chancen, die sich mit dieser Regelung ergeben. Und man kann natürlich auch sehen, dass die Beschäftigung in letzter Zeit sowieso stark zugenommen hat. Und davon profitieren dann auch Menschen mit Nebenjobs."
    2003 veränderte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Spielregeln. Galt zuvor, wer nur einen Minijob hat, muss keine Sozialbeiträge zahlen, wer einen Minijob als Nebenerwerb hat, der war abgabenpflichtig. Seit damals gilt, wer einen Minijob zusätzlich zu seinem Erstjob hat, der zahlt nur geringe Abgaben. Eine Fehlentwicklung, findet Enzo Weber vom IAB:
    "Es ist grundsätzlich schwer nachvollziehbar, warum gerade ein zweiter Job bei den Abgaben so begünstigt werden soll. Gerade Personen, die gut verdienen – und viele Nebenjobber verdienen ja nicht schlecht – muss man nicht noch weiter begünstigen, wenn es um eine zweite Tätigkeit geht, anstatt der ersten Tätigkeit."
    Anders sehe das bei den Geringverdienern aus. Die seien durch Steuern und Abgaben ziemlich stark belastet – auch im internationalen Vergleich. Daher seien alle Maßnahmen zu begrüßen, die zum Ziel hätten, Geringverdiener bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu entlasten.
    Minijobber verdrängen reguläre Arbeiter
    Wilhelm Adami, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes bezweifelt, dass die Mehrheit derjenigen, die einen Minijob neben ihrem ersten Arbeitsplatz haben, sich nur etwas Taschengeld hinzuverdienen will. Und nicht aus wirtschaftlicher Not zusätzlich arbeiteten. Das gelte auch für gutqualifizierte Minijobber:
    "Wir müssen einerseits feststellen, dass auch Gutqualifizierte überdurchschnittlich im Niedriglohnsektor tätig sind. Auf der einen Seite. Und zum zweiten, wo man feststellen muss, dass ein sehr, sehr großer Anteil, etwa 80 Prozent der Nebentätigkeiten also als Zweitjob, in Branchen tätig sind wie dem Reinigungsgewerbe, dem Gaststättengewerbe, wo sehr, sehr schlecht gezahlt wird."
    Andererseits sei zu beobachten, dass gerade im Reinigungs- und Gastgewerbe, auf zehn sozialabgabenpflichtige Beschäftigte – drei bis vier Minijobber kämen. Das heiße, dass reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeit in diesen Sektoren durch Minijobber verdrängt werde.