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Arbeitsmarktreform in Frankreich
Macrons erste Reifeprüfung

Die Reform des französischen Arbeitsmarktes ist eines der wichtigsten innenpolitischen Ziele Emmanuel Macrons. Seine Regierung hat nun die Pläne für das neue Arbeitsrecht vorgestellt, das vor allem die Arbeitgeber erfreut. Der befürchtete ganz große Aufschrei der Gewerkschaften blieb bisher dagegen aus.

Von Jürgen König | 01.09.2017
    Edouard Philippe und Emmanuel Macron schütteln sich die Hand.
    "Frankreich ist ein sozialer Rechtsstaat und wird auch einer bleiben", sagt Premierminister Edouard Philippe (l.) über die Regierungspläne für das neue Arbeitsrecht (AFP/Loic Venance)
    "Ambitioniert, ausgewogen und gerecht" nannte Premierminister Edouard Philippe die Regierungspläne für das neue Arbeitsrecht. "Frankreich ist ein sozialer Rechtsstaat und wird auch einer bleiben, das liegt in seiner Natur, wird durch seine Geschichte begründet. Aber wir müssen der Situation Rechnung tragen, in der sich unser Land befindet: die geprägt wird von einer seit Jahrzehnten bestehenden Massenarbeitslosigkeit."
    Vom Parlament dazu ermächtigt, will die Regierung das Arbeitsrecht durch Verfügungen ändern. Im Kern zielen die Maßnahmen vor allem darauf ab, kleinen und mittleren Betrieben mehr Bewegungsspielraum zu geben, um auf Gegebenheiten des Marktes schneller reagieren zu können als bisher.
    Fortan sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften auf der Ebene der Branchen nur noch grundlegend über die verschiedenen Typen von Arbeitsverträgen verhandeln - seien sie befristet oder unbefristet. Dagegen werden kleine und mittlere Unternehmen in die Lage versetzt, mit ihren Belegschaften selber über Löhne und Gehälter, über zu zahlende Zuschläge und über die Arbeitszeiten verhandeln zu können.
    Obergrenzen für Abfindungssummen
    In Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten soll es ausreichen, dass die Geschäftsleitung mit einem Arbeitnehmervertreter verhandelt, auch wenn er nicht vom Personal gewählt und von keiner Gewerkschaft mandatiert wurde.
    In Unternehmen mit zwischen 20 und 50 Beschäftigten kann die Unternehmensleitung mit einem Arbeitnehmervertreter verhandeln, der vom Personal gewählt wurde, nicht aber von einer Gewerkschaft mandatiert worden sein muss - und erst in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten muss die Gesamtheit der repräsentativen gewerkschaftlichen Instanzen in die Unternehmensentscheidungen eingebunden werden.
    Per Dekret sollen auch Obergrenzen für Abfindungssummen festgelegt werden, die Arbeitgeber unter Umständen an gekündigte Mitarbeiter zahlen müssen: höchstens drei Monatsgehälter für jeweils zwei Jahre der Betriebszugehörigkeit werden festgeschrieben. Der Streit über diese Abfindungen hatte immer wieder zu wochenlangen Streiks und monatelangen Gerichtsprozessen geführt. Mit den Maßnahmen will die Regierung Kündigungen erleichtern und entsprechend Neueinstellungen weniger riskant machen.
    Arbeitgeber erfreut, Gewerkschaften enttäuscht
    Die Reaktionen auf die Regierungspläne fielen nicht überraschend aus: Die Arbeitgeber zeigten sich erfreut, etwa Pierre Gattaz vom Unternehmerverband MEDEF: "Diese Regierungsverordnungen sind komplex und müssen genau analysiert werden, der Teufel steckt auch hier im Detail. Gleichwohl erscheint uns diese Reform als wichtiger erster Schritt, der helfen kann, das Vertrauen der Unternehmer in die Zukunftsfähigkeit dieses Landes wiederherzustellen, zum Wohle der Unternehmen, der Arbeiter und Angestellten und eben: des ganzen Landes."
    Die Gewerkschaften dagegen, die wie auch die Arbeitgeber wochenlang mit der Regierung verhandelt hatten, äußerten sich durchweg enttäuscht. Philippe Martinez, Generalsekretär der linken Gewerkschaft CGT:
    "Heute kann man nur sagen, alle unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Natürlich wollen wir weiter an diesem Text arbeiten, aber selbstverständlich ist unser Demonstrationsaufruf zum 12. September aktueller denn je! Und ich kann nur alle Arbeiter, die Rentner, alle jungen Leute aufrufen, sich zu beteiligen!"
    Auch der Vorsitzende der eher gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, sagte, er sei "zutiefst enttäuscht", trotzdem werde man weiter konstruktiv verhandeln und sich an Demonstrationen gegen dieses Regierungsprojekt nicht beteiligen. Kommentatoren werteten Äußerungen wie diese - und auch die vergleichsweise moderate Reaktion der CGT - als Zeichen dafür, dass es den ganz großen Aufschrei der Gewerkschaften wohl eher nicht geben werde und entsprechend auch gesellschaftliche Unruhen, wie es sie im letzten Jahr immer wieder gab - dass sie in diesem Herbst möglicherweise ausbleiben könnten.