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Arbeitsplatz der Zukunft
Einstellen auf Generation Y

Sie sind jung, gut ausgebildet und sie wollen anders arbeiten und besser leben als die Generationen vor ihnen. Die heute etwa 30-Jährigen sind zudem begehrt auf dem Arbeitsmarkt, weil sie technologieaffin sind. Wie stellen sich Unternehmen auf diese jungen Menschen ein?

Von Michael Brandt | 08.07.2015
    Ein Mitarbeiter prüft Glasscheiben in einer Tür für ein Auto.
    Muss ein Mitarbeiter, wenn er nicht gerade in der Produktion beschäftigt ist, tatsächlich den ganzen Tag an seinem Schreibtisch sitzen? (picture alliance / ZB / Oliver Killig)
    Sie sind zwischen 18 und 35, gut ausgebildet, die erste Generation, die in der Welt der elektronischen Medien aufgewachsen ist, entsprechend technologieaffin, sie arbeiten am liebsten in kleinen Teams und ohne große Hierarchien, und sie leben auch im fleißigen Schwabenland nicht für den Beruf allein, sondern wollen ein Gleichgewicht zwischen Arbeit, Freizeit und Familie. Maria Zanfano zum Beispiel ist Maschinenbauingenieurin im Motorenbau, sie hat vor zwei Jahren bei Daimler in Untertürkheim angefangen.
    "Ich stehe auch auf offene Kommunikation, für mich ist sehr wichtig die Leistung und nicht die Face-Time Präsenz. Ich lege sehr viel Wert, was die Arbeit angeht."
    Bei Daimler gibt es derzeit, wie Personalvorstand Winfried Porth sagt, fünf Arbeitsgeneration. Aber: Die Gen Y macht inzwischen 25 Prozent aus und Daimler hat erkannt, dass man von den besonderen Qualitäten der Gen Y profitieren kann, und zwar am besten, wenn ein Unternehmen sich auf ihre Bedürfnisse und Gewohnheiten einstellt.
    Hier ist vieles anders als in einem normalen Büro
    "Die Generation bietet einfach Potenziale durch die technologischen Veränderungen und die andere Einstellung zu dieser Technologie, mittlerweile haben wir ja schon 25 Prozent dieser Generation hier bei uns im Unternehmen. Und diese Potenziale sollten wir einfach nutzen, deswegen haben wir uns hier zusammengesetzt."
    Daimler hat daher einen Workshop veranstaltet, 60 Mitarbeiter der Gen Y aus allen deutschen Standorten des Autobauers eingeladen und es wurde zunächst mal gesammelt. Wie soll ihrer Meinung nach der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen?
    223 Ideen kamen in zwei Tagen zusammen, und viele kreisten um das Thema Flexibilität. Muss ein Mitarbeiter, wenn er nicht gerade in der Produktion beschäftigt ist, tatsächlich den ganzen Tag an seinem Schreibtisch sitzen. Oder kann er sich, wenn er etwa gründlich überdenken oder formulieren muss, auch mit seinem Notebook zurückziehen und an einem anderen Ort arbeiten. Muss er überhaupt noch die ganze Arbeitszeit im Unternehmen verbringen oder kann er Teile seiner Arbeit besser zu Hause erledigen?
    Als erste Konsequenz aus dem Workshop hat Daimler jetzt sechs Bausteine benannt, über die nun in einem Projekt weiter nachgedacht werden soll.
    "Welche Vergütungsmodelle haben, welche Incentivierungsmöglichkeiten haben wir? Welche Arbeitsplatzgestaltungsmöglichkeiten, welche Karrieremöglichkeiten haben wir? Und das alles hat irgendwie mit Flexibilität zu tun. Wie kann ich mir diese neuen Dinge erschließen? Wie kann ich auf meine Bedürfnisse eher eingehen?"
    Wo solche Fragen hinführen könnten, kann man rund 20 Kilometer von der Daimler Zentrale entfernt bereits besichtigen. Der Technik-Konzern Bosch hat vor zwei Jahren eine sogenannte Start-Up Plattform gegründet, die jetzt in einer ehemaligen Industriehalle in Ludwigsburg arbeitet.
    "Wir versuchen hier mit kleinen Teams, neue Märkte kennenzulernen, in denen vielleicht Bosch-Geschäfte in der Zukunft stattfinden können. Wir haben im Moment drei Geschäftsführer, die jeweils Chefs ihrer Teams sind, aber ansonsten haben wir keine weitere Hierarchie."
    Peter Guse ist der Geschäftsführer, der Altersdurchschnitt liegt bei 35 und hier ist vieles anders als in einem normalen Büro. Es gibt keine Krawatten, keine Anwesenheitszeiten und keine Zeiterfassung, jeder teilt sich seine Arbeit selbst ein.
    Die gesamte Kommunikation findet über Smartphones statt
    Auf den Schreibtischen gibt es keine Telefone, die gesamte Kommunikation findet über Smartphones statt. Kleine Gruppen treffen sich an der Kaffeemaschine oder in verschiedenen kleinen Konferenzräumen. Die zentralen Begriffe sind hier Team und Projekt, so Florat Swarmi, der seit ein paar Monaten dabei ist:
    "Hier ist es ein sehr junges Team, das ist auf jeden Fall sehr kollegial, sehr kumpelhaft, man kann sehr viel ausprobieren, das ist eigentlich der größte Vorteil. Wenn es neue Techniken oder neue Ideen gibt, die man selber mal mitgekriegt hat im Studium, das ist sehr agil, sehr innovativ, total Spaß."
    Direkt in der großzügigen Bürofläche gibt es eine Werkstatt, in der die neuen Ideen umgesetzt und ausprobiert werden können, denn auch bei Bosch Start-Up geht es am Ende um Technik. Clemens Strobel baut gerade einen kleinen Roboter.
    "Das hat eine Infrarot-Stereokamera und da vorne ist eine Warnweste, wenn man die ins Bild hält, sieht man diese Leuchtstreifen, sehr deutlich kann man erkennen, wie weit ist die Warnweste weg, und dann kann man feststellen, die ist zu nah dran, ich muss abbremsen."
    Blaupause für Bosch Start-Up sind natürlich einerseits die Start-Ups im Silicon Valley, andererseits aber ein Projekt aus dem eigenen Haus. Vor ein paar Jahren hat die Firma ein kleines, hierarchiearmes Team beauftragt, über einen Antrieb für E-Bikes nachzudenken - mit dem Ergebnis, dass Bosch heute Marktführer in diesem Segment ist.
    Es gibt also gute Gründe für Unternehmen, sich um die Gen Y zu kümmern. Aber, sagt Daimler Personalvorstand Porth, muss man immer bedenken, dass 25 Prozent Gen Y zwar viel sind, aber die restlichen 75 Prozent auch nicht vergessen werden dürfen.
    "Da müssen wir jetzt einen Weg finden, wie man das kulturell verträglich macht, für die die nicht aus der Generation sind, das ist sicher eine Herausforderung. Aber der Wunsch nach offenerer, direkter und krawattenlosen Kultur, das ist die Herausforderung, der wir uns gerne stellen und die ich auch toll finde."
    Eine Herausforderung in jedem Fall, die noch viel Arbeit mit sich bringen wird.