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Arbeitsrechtsreform
Französische Regierung wirbt und droht

Die französische Regierung hat kein leichtes Spiel, ihre Reform des Arbeitsrechts im Parlament zu verkaufen. Von Abgordneten, aber auch von Gewerkschaften und Bürgern kommt Kritik an den Plänen. Viele befürchten Verschlechterungen für Arbeitnehmer. Am Beginn der Beratungen in der Nationalversammlung stand aber eine Drohung des Premierministers.

Von Jürgen König | 03.05.2016
    Premierminister Manuel Valls während der Beratungen über die Arbeitsrechtsreform in der französischen Nationalversammlung am 3.5.2016.
    Premierminister Manuel Valls während der Beratungen über die Arbeitsrechtsreform in der französischen Nationalversammlung am 3.5.2016. (picture alliance / dpa / Thomas Padilla)
    Rund 5000 Änderungsanträge zum Gesetz über das neue Arbeitsrecht wurden eingereicht - es wird eine lange Debatte werden. Alle Argumente für oder gegen die Reform werden seit Wochen schon öffentlich diskutiert - alles scheint wieder und wieder gesagt worden zu sein. Allein: 40 Stimmen aus den eigenen Reihen fehlen der regierenden Sozialistischen Partei. Sie zu gewinnen, muss für Regierungschef Manuel Valls und seine Arbeitsministerin Myriam El Khomry das Ziel der Debatte sein:
    "Ich glaube, dass dies ein bedeutender Moment ist, in dem wir diesen Text uns jetzt vornehmen und ihn wirklich im Detail durchsprechen und auf die Vorschläge schauen, die er macht. Und es ist keine oberflächliche, es ist eine grundsätzliche Debatte, die quer durch alle Verbände dieses Landes geht - und die auch meine politische Familie aufwühlt. Eine Debatte, die wir gut führen müssen: eine substanzielle Debatte", sagt Myriam El Khomry.
    Arbeitsrecht flexibler machen
    Ziel der Reform war und ist, das sehr komplexe französische Arbeitsrecht, das Unternehmen wenig Spielraum bietet, zu flexibilisieren: beim Umgang mit Arbeitszeiten, Löhnen und Gehältern. Das wird als Angriff auf die 35-Stunden-Woche verstanden und als Gefahr für das bestehende, großzügige System der sozialen Sicherheit gesehen. Betriebsbedingte Entlassungen sollen erleichtert werden, Abfindungen für entlassene Angestellte, die 20 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet haben, auf 15 Monatsgehälter beschränkt werden, den Ermessensspielraum der Arbeitsrichter, die als nicht eben unternehmerfreundlich gelten, möchte die Regierung reduzieren.
    Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen bei sich im Unternehmen selber Regelungen zur Arbeitszeit verhandeln können - das empfinden viele Gewerkschaften als Angriff auf ihren zentralen Vertretungsanspruch der Arbeitnehmer. In den Vorverhandlungen war Premierminister Valls seinen Kritikern entgegengekommen: In kleinen und mittleren Unternehmen wird es flexiblere Arbeitszeiten weiterhin nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter geben, bei der Begutachtung betriebsbedingter Kündigungen wurde den Arbeitsrichtern am Ende doch wieder eine "intensivierte Prüfkompetenz" eingeräumt, die Abfindungsregelung gilt nur noch als "Orientierungsrahmen".
    Premierminister droht mit Alleingang
    Doch die Kritiker bleiben hart. Den Traditionalisten in der Sozialistischen Partei geht der Text immer noch viel zu weit, der Mehrheit der bürgerlichen Opposition nicht weit genug. Jean-Christophe Lagarde vom Parteienbündnis "Union der Demokraten und Unabhängigen":
    "Nach drei Monaten, in denen die Regierung etwas vorgeschlagen und diese Vorschläge dann unter dem Druck der eigenen Mehrheit in ihr Gegenteil verkehrt hat, ist es an der Zeit, Ihnen, Herr Premierminister, zu sagen: Hören Sie auf damit! Wir fordern Sie auf, das 'Gesetz El Khomry' zurückzuziehen."
    Ein Thema schwebte als permanente Drohung im Raum: der Artikel 49,3 der französischen Verfassung, der es, verbunden mit einem Misstrauensvotum, der Regierung erlaubt, ein Gesetz auch ohne Parlamentsbeschluss durchzubringen. Dies sei nicht das von der Regierung bevorzugte Mittel, hatte Premierminister Valls am Morgen vieldeutig gesagt. Schon einmal, beim ebenfalls umstrittenen Gesetzespaket des Wirtschaftsministers Emanuel Macron, hatte die Regierung dieses Mittel gewählt: ein unorthodoxes, politisches Manöver, das auch diesmal nicht auszuschließen ist.