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Arbeitsvertrag oder Studentenausweis?

Sind Doktoranden eigentlich Studierende oder eher wissenschaftliche Mitarbeiter? Viel spricht dafür, den Nachwuchsforschern einen eigenen Status und somit auch gesonderte Rechte wie zum Beispiel Arbeitsverträge einzuräumen - ein Modell, dass an der FU Berlin diskutiert wurde.

Von Katja Bigalke | 04.06.2010
    Die Podiumsdiskussion brachte es zum Auftakt der Tagung der European University Association gleich auf den Punkt. An deutschen Hochschulen fehlt es an Statistiken zur Promotion: Weder ist bekannt, wie viele Doktoranden es gibt noch wie viele auf der Strecke bleiben. Das Statistische Bundesamt kann hier auch nicht weiterhelfen, da sich hierzulande Doktoranden nicht einschreiben müssen. Dabei geht es um durchaus brisante Daten meint Karoline Holländer, ehemalige Präsidentin von EURODOC, der europäischen Doktorandenvertretung:

    "Ich glaube, die Zahl ist so drastisch, dass wir sie eigentlich gar nicht beschreiben können. Wir sagen ja immer, dass wir ungefähr 100.000 haben. Selbst die TU München geht davon aus, dass wir eine Abbruchrate von 50 Prozent haben. Das sagt unser Präsident auch immer."
    Besonders hoch ist die Abbrecherquote bei den sogenannten Individualpromovenden, die oftmals nur Doktorvater oder Doktormutter bekannt sind. Sie brechen ab, weil etwa der exklusive Betreuer zu wenig ansprechbar ist oder weil die persönliche Beziehung nicht stimmt und der Doktorand aus Angst sich in der Scientific Community zu verbrennen, nicht wechselt. Es gibt also viele gute Gründe die Ausbildung transparenter zu machen. Warum das nur zögerlich passiert? Karoline Holländer meint, es handle sich nach wie vor um ein Tabuthema, an das sich - vermeintlich freiheitlich-humboldtschen Idealen wegen - nur wenige heranwagen:

    "Das sind oftmals die Professoren, die das nicht möchten, die sagen ihr wollt uns nur kontrollieren bei uns läuft alles gut. Unsere Doktoranden haben eh schon eine gute Betreuung und promovieren in den vorgegebenen Zeiten und es gibt keine Probleme deswegen brauchen wir keine Betreuungsprobleme, wehren sich also mit Händen und Füßen dagegen, weil es ja ein neues Fenster ist, was wir aufmachen würden, wo sichtbar wäre ist es wirklich so, wie die Professoren uns das sagen."

    In der Tat sind Verträge zwischen Professor und Doktorand, in denen Gehalt, Betreuung oder ein Zeitplan geregelt werden, in Deutschland noch die Ausnahme. Zwar empfiehlt der Deutsche Hochschulverband seinen Mitgliedern schon länger, eine Promotionsvereinbarung abzuschließen. Letztendlich lässt sich aber lediglich an den über die Exzellenzinitiative eingeführten Graduiertenkollegs wirklich nachvollziehen, wie die Doktorandenausbildung und die darüber hinaus gehenden Qualifizierungsmaßnahmen ablaufen. Allerdings fangen diese Programme lediglich fünf bis zehn Prozent aller Doktoranden auf. Und werden auch in Zukunft nicht flächendeckend greifen, da die Finanzen dafür gar nicht zur Verfügung stehen. Um etwas zu ändern, muss man deshalb erst mal den Status der Doktoranden definieren, meint Holländer.

    "Wenn ich eine Doktorarbeit mache, dann forsche ich und studiere nicht mehr. Das ist der erste Arbeitsvertrag, quasi egal, ob es ein Stipendium ist oder nicht und damit ist es die erste Karrierephase. Infolgedessen sollte man eigentlich auch mit einem neuen Modell anfangen."
    Dieses Modell, das den Doktoranden einen eigenen Status als Nachwuchsforscher und somit auch gesonderte Rechte innerhalb der Hochschulstruktur wie zum Beispiel Arbeitsverträge einräumen würde, ist einer der Punkte, die derzeit zur Diskussion stehen. Wendet man auf der anderen Seite nämlich – wie geplant - den Bologna-Prozess auch auf die Promotionsphase an, dann wird diese als dritte Phase des Studiums betrachtet. Was bedeutet, dass die Strukturen und Methoden der Bachelor- und Masterprogramme wie Pflichtkurse oder Credit Points einfach fortgesetzt würden und der Doktorand lediglich ein forschender Student wäre. Wie Karoline Holländer warnt hier auch Prof. Peter-André Alt, neuer Präsident der Freien Universität Berlin vor solch vorschnellem Handeln:

    "Das Problem ist, dass wir die Promotion nicht in eine Verschulungslogik hineinführen dürfen, wo die Kandidaten nur Lehrveranstaltungen besuchen und am Ende ein kleines Paper schreiben. Für mich ist Promotion gebunden an eine wissenschaftliche Leitung und die muss gestützt sein auf einen längeren wissenschaftlichen Text. Ich bin der Meinung wir brauchen auch keine Leistungspunkte. Wir müssen den Doktoranden beibringen, dass sie ihre Zeit gut einteilen und dass sie nicht nur an ihrer Promotion teilnehmen, sondern auch an einem Programm im Unterrichtskontext."
    Wie geht es also weiter. Wie sieht die Zukunft der Doktorandenausbildung aus? Welchen Status werden die Doktoranden hier haben, welchen in anderen Ländern? Das Bild in Europa wird heterogen bleiben. Da sind sich die Experten sicher. In den nächsten zwei Tagen werden sie sich austauschen über Erfahrungen mit externen Gutachtern. Über gelungene Austauschstrukturen und sinnvolle Qualifizierungsprogramme. Man wird auch reden über Finanzierungsmodelle, über Kooperationen mit der Wirtschaft aber auch wie sich zum Beispiel Stipendien in Arbeitsverträge umwandeln lassen, sodass ein Doktorand auch von den sozialen Sicherungssystemen profitieren kann. Es gibt viele Punkte, zu denen auch Deutschland etwas beitragen kann. Trotzdem wirkt es auf die internationalen Gäste etwas befremdlich, wie ideologisch man die Sache hierzulande angeht: Bologna zum Beispiel sehe man lediglich als Korsett meint etwa Professor Peter von der Hijden von der Europäischen Kommission. Andere Länder beweisen da viel mehr Fantasie:

    "Bologna hat ein schlechtes Image in Deutschland. Weil die Deutschen es schlecht umgesetzt haben. Bologna zwingt nicht zur Verschulung. Wichtig ist nicht der Status, wichtig ist, was man in der Praxis bekommt. Und man soll bekommen eine stimulierende Forschungsumgebung und man soll sozialversichert ist und wer dann der Sponsor ist, ist nicht so wichtig, wichtig ist, was man bekommt."

    Infos:

    fu-berlin.de