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Arbeitswelt
Der Praktikant im Bioladen

Flüchtlinge werden in der Wirtschaft gebraucht - das sagen unisono die Industrie- und Handelskammern und der BDI. Doch unbürokratische Arbeitsverhältnisse schnell herzustellen, ist in Deutschland nicht ganz einfach. Ein positives Beispiel ist die Geschichte eines heute 18 Jahre alten Mannes, der aus Somalia in den Taunus geflohen ist.

Von Luder Fittkau | 10.09.2015
    Uta Müller und Abdinaasir Ali Abdi im Hofladen.
    Uta Müller und Abdinaasir Ali Abdi im Hofladen. (deutschlandradio.de / Ludger Fittkau)
    Eine todschicke, chromblitzende Espresso-Maschine zischt hinter der Käse- und Wursttheke des Wiesbadener Bioladens, in dem Abdinaasir Ali Abdi jetzt schon sein zweites Praktikum erfolgreich absolviert hat. Als 16-Jähriger war er aus Somalia geflohen, in einer monatelangen, anstrengenden Reise über Kenia, den Iran und die Türkei gelangte er schließlich nach Wiesbaden und klopfte bei der Arbeitssuche im örtlichen "Haselnuss-Hofladen2 an. Jetzt ist Abdi, wie sie ihn im Bioladen alle nennen gerade 18 Jahre alt geworden und bedient die Kaffeemaschine perfekt:
    "Ja, ich habe mit dem Kaffee machen und so Spaß gemacht und auch mit der Kaffeemaschine. Und manchmal, wenn wir hier arbeiten, lachen wir zusammen und das war sehr gut. Und ich will auch hier arbeiten."
    Uta Müller schmunzelt und sagt, sie müsse bald mal an einen Nachfolger für die Übernahme ihres Bioladens denken. Eigentlich wirkt die Ladeninhaberin noch nicht so, als ob sie bald in Rente gehen will. Doch mit ihrem somalischen Praktikanten war sie sehr zufrieden. Übrigens auch ihre Kunden, sagt sie:
    "Das Interesse war ja schon da, bevor er überhaupt da war. Dass die Leute nach ihm gefragt haben und auch sehr interessiert waren, wie das gelaufen ist. Aber natürlich ist das auch schön, wenn so ein Kontakt einfach da sein kann. Wenn das so auf natürliche Weise sein kann. Denn wenn man an der Bushaltestelle steht, dann fragt man nicht unbedingt: Ja, wo kommst Du her und hier war das viel einfacher dann."
    Es war die Industrie- und Handelskammer Wiesbaden, die den Kontakt zum Bioladen von Uta Müller hergestellt hat. Der Laden bietet alles, was ein gut sortierter Bioladen so bieten muss: Frisches Gemüse und Brot aus dem nahe gelegenen Taunus, Bio- Wurst und Käse. Letzterer ist für einen Flüchtling aus Somalia ganz grundsätzlich gewöhnungsbedürftig, gibt Abdinaasir Ali Abdi zu. Doch an das Käse schneiden hat er sich längst gewöhnt, an die deutsche Bürokratie bei der Beantragung eine Arbeitserlaubnis nicht:
    "Es gibt ein Problem mit der Ausländerbehörde. Es gibt einen Zettel und man muss ihn ausfüllen und sich da anmelden. Und ich wollte auch hier in den Sommerferien arbeiten und ich habe auch einen Zettel ausgefüllt und der Ausländerbehörde gegeben. Und normalerweise, habe ich gehört, dauert das vier Wochen. Aber ich habe das in der ersten Woche Juni gegeben und noch keine Antwort bekommen."
    Drei Monate für den Bescheid, ob man eine Ferienjob machen darf oder nicht. In Sachen Arbeitserlaubnis durch deutsche Behörden hängt der junge Flüchtling aus Somalia damit ziemlich in der Luft. An eine reguläre Ausbildung ist mit diesen Papieren erst einmal nicht zu denken. Auch wenn die Ausländerbehörden im Augenblick unter der Last das Anträge ächzen – für die Wiesbadener Bio-Ladeninhaberin Uta Müller geht das gar nicht.
    "Ich hoffe schon, dass das auch irgendwie unbürokratischer möglich ist und dass das solche einfache Sachen auch einfach gemacht werden."
    Und dann hat die Geschäftsfrau noch einen Tipp für die vielen Deutschen, die unabhängig von Behörden helfen wollen:
    "Und viele Leute fragen mich jetzt: Ja, was kann ich machen und so? Und ich würde schon sagen, man kann auch viel über diese gebündelten Flüchtlingshilfen machen. Aber man kann auch einfach ganz offen durchs Leben gehen und wenn mal jemand da ist fragen: Wie kann ich helfen?"
    Wie kann ich helfen? Diese Frage hat übrigens Abdinaasir Ali Abdi, der sich jetzt auf seinen Hauptschulabschluss vorbereitet und sich anschließend eine Lehre im Bioladen von Uta Müller gut vorstellen könnte, auch für sich selbst nach etwas mehr als einem Jahr in Deutschland aktuell beantwortet. Er hilft nun den somalischen Flüchtlingen, die jetzt in seinem Wohnort Niedernhausen im Taunus ankommen:
    "Es gibt jetzt viele Leute, die kommen aus Somalia nach Niedernhausen. Es gibt ungefähr 40 Personen, die wohnen in einem Asylheim und alle sprechen kein Deutsch. Sie haben viele Probleme mit der Sprache. Wenn sie zum Beispiel einen Arzt wollen oder eine Bank, alles. Wenn ich Zeit habe, helfe ich immer beim Übersetzen."