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Architekt Hans Hollein
"Was mich interessiert, das ist das Räumliche"

Hans Hollein, in Wien geboren, ist mehr als nur ein Architekt: Er ist Künstler, Designer und Ausstellungsgestalter. Berühmt wurde er mit seiner Forderung "Wir müssen die Architektur vom Bauen befreien!" - und sein Motto war: "Alles ist Architektur". Vor 80 Jahren wurde er geboren.

Von Jochen Stöckmann | 30.03.2014
    Das Foto zeigt das Museum Abteiberg in Mönchengladbach (Foto vom 13.01.2012). Das Städtische Museum Abteiberg ist ein Museum für Bildende Kunst des 20. und 21. Gezeigt werden Arbeiten von Joseph Beuys, Richard Serra, Andy Warhol, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Martin Kippenberger, Markus Oehlen, Heinz Mack, Ulrich Rückriem und Gregor Schneider. Foto: dpa/lnw
    Museum Abteiberg in Mönchengladbach von Hans Hollein (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    "Die deutschen Architekten haben besonders in der Nachkriegszeit total verlernt, mit Materialien umzugehen. Sie haben keine Ahnung, auch die Handwerker haben keine Ahnung, die Firmen haben keine Ahnung - und es ist aus ihrer Unfähigkeit eine Tugend plötzlich gemacht worden."
    Den Fließband-Bauten des International Style hat der Architekt und Designer Hans Hollein früh schon den Kampf angesagt. Die kleine, aber äußerst feine Boutique Retti markierte 1965 den Beginn seiner steilen Karriere:
    Mit der Ausstattung von nicht einmal 14 Quadratmetern Ladenfläche installierte der österreichische Diplomarchitekt nach seiner Rückkehr von einem Studienaufenthalt in den USA zwischen Gründerzeithäusern ein wahres Schatzkästchen, eine Melange aus Art Deco und Pop Art. Mit geschliffenem und eloxiertem Aluminium, verchromtem Stahl, cognacfarbenen Shantung-Wandbespannungen und Kunststoffvelour in Terrakotta-Optik setzte der Gesamtkunstwerker sein provozierendes Manifest gegen den eintönigen Funktionalismus der Sechziger in Szene. Dabei griff er auf die Kunst- und Architekturgeschichte in all ihren Facetten zurück, ohne in das bloße Zitieren postmoderner Kollegen zu verfallen:
    "Lernen von der Vergangenheit heißt eben nicht, die Vergangenheit als einen Abfallhaufen zu betrachten, aus dem man sich dann so ein paar Dinge herausholt, sondern einfach eine andere Zeit, eine andere kulturelle Situation zu begreifen und zu sehen: wie ist es dann zu solchen Meisterwerken gekommen?"
    Neben Glanzstücken der Renaissance-Baumeister, zeitgenössischer Architektur eines Frank Lloyd Wright oder den archaischen Pueblos nordamerikanischer Indianer suchte Hollein, der am 30. März 1934 in Wien geboren und dort nach dem Zweiten Weltkrieg in der US-Besatzungszone aufgewachsen war, Anregungen bei bedeutenden Lokalgrößen. Auch die damals schon vergessenen Architekten und Künstler aus den Anfängen der Moderne um 1900 galten ihm als Lehrmeister:
    "Man kann das nur sehr drastisch darstellen: Josef Hoffmann hat noch gelebt, aber kaum jemand hat gewusst, wer er ist und was er gemacht hat. Der Wiener Bürgermeister hat zu der Zeit sicher nicht gewusst, wer Otto Wagner war. Und Klimt und Schiele, da konnten sie Zeichnungen für zehn Dollar kaufen."
    Kontrapunkt zum Wiener Stephansdom
    Als Künstler hat sich Hollein von Anfang an begriffen. Mit dem Neubau des Städtischen Museums Abteiberg in Mönchengladbach rückte der Architekt 1982 ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Angelegt als Collage aus ganz unterschiedlichen Baukörpern und mit der ungewöhnlichen Eingangssituation im Dachgeschoss stellte das labyrinthische Gebäude den Orientierungssinn auf eine reizvolle Probe. Eine ähnliche Herausforderung bot dann 1990 Holleins Wiener Haas-Haus - ein stilgeschichtlicher Kontrapunkt zum Wiener Stephansdom:
    "Ich meine nicht, dass Architektur - und auch meine Architektur - apriori einen besonderen Bildungshintergrund braucht. Dass man durchaus „multiple readings“ haben kann, dass man durchaus tiefer eindringen kann und dass jemand, der keine große Vorbildung hat, es einfach als das sieht, was es ist - und jemand anderer aus seinem kulturellen Erfahrungsschatz eine zusätzliche Sache entdeckt."
    Deutliche Zeichen setzte Hollein bei der Ausstattung eines Wiener Reisebüros mit veritablen Palmen aus Messing oder Edelstahl. Mit eher verborgenen Anspielungen operierte er dagegen bei der Fassadengestaltung des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main: In jedem der drei Geschosse taucht ein anderes Element auf, über dem Stromlinienkörper thront ein Säulenstumpf, darüber erhebt sich eine stilisierte Tempelhalle. Vor allem aber wirkt das ganze Gebäude mit seinem spitz zulaufenden Dreiecks-Grundriss wie ein Flugzeugträger, dessen Schiffsbug in den ringsum brandenden Großstadtverkehr hineinragt. Und das - typisch Hans Hollein - neue Horizonte eröffnet:
    "Was mich eben auch interessiert, das ist einfach das Räumliche, ob es jetzt der Architektur-Raum oder der Stadt-Raum ist. Also diese dritte Dimension, die eigentlich sozusagen in eine vierte Dimension übergehen kann."