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ARD-Interview
Merkel beklagt Investitionsstau

"Wir können das Geld, was wir haben, nicht ausgeben" - Bundeskanzlerin Merkel hat einen Investitionsstau in Deutschland beklagt. Hauptproblem sei nicht das Geld, sondern langwierige Planungsverfahren und komplizierte Vorschriften, sagte die CDU-Politikerin im ARD-Sommerinterview. SPD-Kanzlerkandidat Schulz hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, den Staat zu Investitionen zu verpflichten.

16.07.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel während des ARD-Sommerinterviews in Berlin.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel während des ARD-Sommerinterviews in Berlin. (dpa-Bildfunk / AP / Michael Sohn)
    Merkel sagte, die Union wolle die Planungsverfahren beschleunigen und für wichtige Projekte die Zahl der Klageinstanzen verringern. Sie sprach sich außerdem dafür aus, die Summe für Investitionen etwa für Breitbandverbindungen weiter zu erhöhen. Von den Steuermehreinnahmen müsse mindestens ein Drittel investiert werden.
    Merkel verteidigte in dem Interview, Hamburg als Ort für den G20-Gipfel ausgewählt zu haben. Die Rücktrittsforderungen der Hamburger CDU gegen Hamburgs Ersten Bürgermeister Scholz wegen der Gewalt und der Krawallen halte sie für falsch.
    Die Bundesregierung sei Gastgeberin des Gipfels gewesen, Scholz habe der Ausrichtung in seiner Stadt zugestimmt und "sich da jetzt hinterher auseinanderdividieren zu lassen, wäre aus meiner Sicht abenteuerlich." Die Kanzlerin dankte erneut den Einsatzkräften, die während des Spitzentreffens im Dienst waren.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel während des ARD-Sommerinterviews in Berlin mit den Moderatoren Thomas Baumann und Tina Hassel.
    Merkel mit den Moderatoren Thomas Baumann und Tina Hassel. (dpa-Bildfunk / AP / Michael Sohn)
    Merkel: Lage wegen Konya "ausgesprochen misslich"
    Die Kanzlerin äußerte sich auch zu Forderungen nach einem Abzug der Bundeswehr aus dem türkischen Konya wegen des Besuchsverbots für deutsche Abgeordnete. Sie wolle jetzt erstmal die Gespräche abwarten, die jetzt im Rahmen der Nato mit der Türkei geführt werden müssten, so Merkel. Zudem müsse das Recht, die Soldaten zu besuchen, abgewogen werden mit der Verlässlichkeit im Bündnis. Die Bundeswehr habe an dem Einsatz gegen die Dschihadistenorganisation IS einen hohen Anteil, und dieser Einsatz dürfe nicht gefährdet werden.
    Weiteres Thema des Gesprächs war die Forderung der CSU nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Ich werde sie nicht akzeptieren", sagte Merkel. Das gemeinsame Ziel einer Steuerung und Ordnung in der Flüchtlingspolitik lasse sich auch mit anderen beschlossenen Maßnahmen erreichen.
    Schulz setzt auf Europa, Investitionen und Gerechtigkeit
    Unterdessen hat SPD-Kanzlerkandidat Schulz seinen Zukunftsplan für ein "modernes Deutschland" präsentiert - eine zugespitzte Version des SPD-Wahlprogramms. In einigen Punkten geht der Zehn-Punkte-Plan allerdings darüber hinaus. Schulz hofft, mit diesem Kernprogramm den Umfragerückstand der Sozialdemokraten bis zur Bundestagswahl am 23. September aufzuholen.
    Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz spricht am 10.06.2017 auf dem Außerordentlichen Parteitag seiner Partei in der Mercator-Halle in Duisburg.
    Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz spricht auf dem Außerordentlichen Parteitag seiner Partei in der Mercator-Halle in Duisburg. (dpa-Bildfunk+++ / FEderico Gambarini)
    Im Falle eines Wahlsiegs möchte er unter anderem eine Investitionsverpflichtung für den Staat einführen, damit in den nächsten Jahren mehr Geld in schnelle Internetverbindungen, Straßen und Schienen, den Ausbau erneuerbarer Energien sowie Bildung fließt. Die SPD will zudem eine "Innovationsallianz" für die deutsche Industrie schließen. Ein Digitalisierungsfonds soll vor allem dem Mittelstand und dem Handwerk helfen. In der Europapolitik findet Schulz, dass Deutschland finanziell mehr leisten müsse.
    Die Eurozone soll nach Schulz' Vorstellungen ein eigenes Investitionsbudget und einen Finanzminister bekommen. Vorgeschlagen wird außerdem, dass Bürger Formalitäten leicht und unbürokratisch über Onlineformulare klären können. Eine Bildungsallianz zwischen Bund und Ländern soll für bundesweit vergleichbare Standards sorgen.
    Beim Start ins Arbeitsleben soll Erwerbstätigen ein staatlich finanziertes Guthaben zustehen, das sie für die Weiterbildung oder Firmengründungen nutzen können. Außerdem bekräftigte Schulz sein Versprechen, Bildung in Deutschland von der Kita bis zur Hochschule und zum Meisterabschluss kostenfrei zu machen.
    Gemischte Reaktionen
    Aus Sicht von Linken und Grünen gehen die Forderungen in die richtige Richtung. Sie seien aber nicht ambitioniert genug. Grünen-Spitzenkandidat Özdemir sprach von einem Signal, um die "Politik des Stillstands" unter Kanzlerin Merkel zu beenden. Linken-Spitzenkandidatin Wagenknecht meinte, für einen wirklichen Politikwechsel fehle den Sozialdemokraten der Mut. Zwar seien mehr staatliche Investitionen in Deutschland und Europa richtig, doch mit ihrer Absage an die Vermögensteuer habe die SPD keinen Weg, dies zu finanzieren.
    Unions-Fraktionsvize Fuchs kritisierte Schulz' Plan als unfinanzbar. Er sagte der "Rheinischen Post", in dem Wahlprogramm steckten gut und gerne 60 Milliarden Euro an Mehrausgaben. Er würde von der SPD gern wissen, wer das bezahlen solle. Der FDP-Wirtschaftsexperte Theurer meinte, der Plan von Schulz habe wenig mit Zukunft zu tun, aber viel mit Planwirtschaft.
    (rm/hba)