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Argentinien
Wieder zahlungsfähig, aber keinesfalls problemfrei

Bisher konnte Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri seine Wahlversprechen wie die Wiederbelebung der Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Senkung der Inflation bisher nicht einlösen. Dass sein Name nun auch noch in den so genannten Panama Papers auftaucht, sorgt für zusätzlichen Wirbel. Aber es gibt auch Positives aus Argentinien zu berichten.

Von Victoria Eglau | 09.04.2016
    Mauricio Macri
    Auch der Name des neugewählten argentinischen Präsidenten Macri taucht in den Panama Papers auf. (picture alliance / dpa / David Fernandez)
    "Wir wollen nach fast 15 Jahren endgültig den Zahlungsausfall beenden, der Argentinien zu mühsamen Verhandlungen gezwungen hat, vor allem aber Millionen von Arbeitsplätzen kostete. Wenn uns das nicht gelingt, bleiben wir weiterhin von internationalen Krediten abgeschnitten. Aber ohne Kredite kann ein Land nicht wachsen."
    So warb Argentiniens Finanzminister Alfonso Prat-Gay im Kongress für seine Einigung mit US-amerikanischen Hedge Fonds und anderen Gläubigern, die in der Vergangenheit den Schuldenschnitt abgelehnt hatten. Prat-Gays Worte hatten Erfolg: Beide Parlamentskammern beschlossen mit deutlicher Mehrheit, dass Argentinien die Forderungen der hier als Geier-Fonds bekannten Gläubiger soll.
    Die Regierung von Mauricio Macri hatte bei den Verhandlungen einen Schuldennachlass von 25 Prozent erreicht. Argentinien muss 8,2 Milliarden US-Dollar zahlen – um das zu stemmen, will die Regierung Staatsanleihen ausgeben. Für den Deal stimmte auch ein großer Teil der Opposition – selbst Kirchneristen, also Anhänger der früheren Präsidentin Cristina Kirchner, die die Zahlung verweigert hatte. Der Ökonom Orlando Ferreres sieht darin einen Erfolg für ihren Nachfolger Macri
    "Wir beenden den Default und erfüllen das Urteil der New Yorker Justiz, die zugunsten der Hedge Fonds entschieden hatte. Dadurch bekommt Argentinien wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und wird für private Investoren wieder attraktiv. All dies ist gut."
    Von Entspannung keine Spur
    Allerdings kann sich der im Dezember angetretene Macri jetzt nicht entspannt zurücklehnen, denn noch sind die Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze Zukunftsmusik. Argentiniens Wirtschaft stagniert nach wie vor. Und das Murren der Bevölkerung über den Sanierungskurs der Regierung wird immer lauter. Macri, ein Wirtschaftsliberaler, hat sich vorgenommen, Haushaltsdefizit und Geld-Ausgabe zu begrenzen und damit die anhaltend hohe Inflation zu bekämpfen. Im letzten Jahr lag sie bei 26 Prozent:
    "An der Inflation ist eine Regierung schuld, die mehr ausgibt als sie einnimmt. Also wirft sie die Gelddruck-Maschine an und überhäuft die Gesellschaft mit Scheinen. Das hat uns die Inflation beschert."
    So beschuldigte der Präsident im argentinischen Fernsehen seine Vorgängerin. Einer der Gründe für die hohen Staatsausgaben unter der Kirchner-Regierung war die Subventionierung von Energieversorgern und Betreibern öffentlicher Verkehrsmittel. Auf diese Weise wurden die Preise für Strom, Gas, Wasser sowie Bus- und Bahnfahren künstlich niedrig gehalten – eine Maßnahme zugunsten der armen Bevölkerungsschichten. Sie sollte den Konsum stärken. Macris Regierung hat nun Tarife und Preise drastisch erhöht - nicht nur diese Argentinierin sorgt sich:
    "Ich hätte nicht gedacht, dass sich alles so schnell, und so sehr verteuern würde. Auch für Lebensmittel und Miete muss ich immer mehr ausgeben – ich weiß wirklich nicht, wie ich das alles bezahlen soll. Uns kleine Leute trifft es besonders, sicher wird es nun mehr Arme geben."
    Die Katholische Universität in Buenos Aires hat bereits Alarm geschlagen, der Sozialforscher Agustín Salvia nennt Zahlen:
    "Durch die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten hat sich der Anteil der Armen von 29 auf mehr als 34 Prozent erhöht."
    Massive Entlassungen befürchtet
    Auch massive Entlassungen bedrohen vor allem die sozial schwachen Schichten. Der Gewerkschaft CTA zufolge haben seit Dezember fast 70-tausend Argentinier ihren Job verloren, darunter 40-tausend Staatangestellte. Laut Regierung sind es knapp elftausend Kündigungen, die sie im Rahmen einer Modernisierung des öffentlichen Dienstes vorgenommen hat. Die Gewerkschaften fordern, den Personalabbau für ein Jahr auszusetzen, und drohen mit Protesten. Es ist offensichtlich: Die soziale Unzufriedenheit in Argentinien wächst und der Druck auf den Präsidenten nimmt zu. Der Ökonom Orlando Ferreres:
    "Ich bin mit den Absichten der Regierung einverstanden, aber die Maßnahmen, die sie ergreifen muss, sind hart. Die Gefahr ist, dass sie ihren politischen Kredit rasch verspielt."
    Dass in einem Moment, in dem viele Argentinier den Gürtel erheblich enger schnallen müssen, jetzt auch noch der Name Macri in den sogenannten Panama Papers aufgetaucht ist, bringt den Präsidenten zusätzlich in Bedrängnis. Mauricio Macri, der im Wahlkampf der Korruption den Kampf ansagte, entstammt einer schwerreichen Unternehmerfamilie. Die Dokumente von Mossack Fonseca haben ans Licht gebracht, dass er Direktor einer Offshore-Firma auf den Bahamas war, die 2009 aufgelöst wurde. Kabinettschef Marcos Peña verteidigte Macri bei einer Pressekonferenz:
    "Der Präsident hat keine undeklarierten Konten und Vermögenswerte. Er fungierte lediglich als Direktor in einer Firma seines Vaters, die dieser zum Zweck einer Investition gegründet hatte. Auch wenn diese dann ausblieb."
    Trotz der Beteuerungen des Kabinettschefs hat ein argentinischer Staatsanwalt vorgestern Ermittlungen gegen Macri aufgenommen – wegen seiner Beteiligung an der Firma auf den Bahamas und einer weiteren in Panama. Am Abend ging der Präsident selbst an die Öffentlichkeit:
    "Einige Menschen sind besorgt darüber, dass mein Name in den Panama Papers auftaucht. Ich versichere Ihnen, dass ich nicht gegen das Gesetz verstoßen und dass ich nichts zu verbergen habe."
    Folgen bleiben offen
    Macri betonte, er habe als Direktor der Offshore-Firmen kein Geld erhalten, und er kündigte an, der Justiz alle relevanten Dokumente zu übergeben.
    Abzuwarten bleibt, wie beherzt Argentiniens Justiz gegen den amtierenden Präsidenten ermitteln wird. Die Korruption im Dunstkreis seiner Vorgängerin Kirchner arbeitet sie inzwischen entschlossen auf: Anfang der Woche wurde der Unternehmer Lázaro Baez, Geschäftspartner der Familie Kirchner, wegen Verdachts auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung festgenommen.